Überraschungsführung durch die Nordstadt Von Silberoptik und Vieleckformen

BONN · Bunte Kacheln hier, Steinplatten da, schlichte Häuserfronten dort, all das nimmt man beiläufig wahr, wenn man durch die Bonner "Altstadt" geht. Für Martin Bredenbeck ist das hochinteressant: Der Kunsthistoriker von der Werkstatt Baukultur kann darin die Epochenzugehörigkeit lesen.

 Martin Bredenbeck (rechts) erläutert den Teilnehmern der Altstadtführung, dass die Metallstützen Aufschluss darüber geben, dass das Haus aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Martin Bredenbeck (rechts) erläutert den Teilnehmern der Altstadtführung, dass die Metallstützen Aufschluss darüber geben, dass das Haus aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Foto: Stefan Knopp

Am Mittwoch brachte er dieses Wissen bei einer "Überraschungsei"-Führung des Katholischen Bildungswerkes im Rahmen des Kultursommers in der Bonner Nordstadt den Teilnehmern nahe.

Die mehr als 30 Bonner wussten nicht, was thematisch auf sie zu kommt. Dem Stadtführer ging es um Häuserfassaden vor allem an Häusern mit Schaufenstern im Wandel der Zeit in diesem Stadtviertel, das im Rahmen der Industriellen Revolution entstand - nicht so fein wie Süd- und Weststadt, dafür mit mehr Geschäften und Handwerk, erklärte Bredenbeck. "Es erhielt das Image eines Szene-, Künstler- und Ausgehviertels."

Zur Bauweise hätte im 19. Jahrhundert viel Eisen und Verzierung gehört. Am Haus mit dem heutigen Geschäft "Beautylife Bonn" erinnern ihm zufolge die beiden Metallstützen mit den verschnörkelten Ornamenten daran. Ab 1900 habe man Verzierungen an vielen Häusern bewusst entfernt: Schlichtheit wie die glatte Fassade des Tätowierfachgeschäfts Tintenstich war modisch.

In der Dorotheenstraße sah er viele Beispiele für Fassadenbau aus der Nachkriegszeit. "Die große Zeit der Fliesen sind die 50er Jahre." Einfarbig, schwarzweiß gekachelt oder, wie im Gebäude mit dem Geschäft Portatronics, als Mosaik in "absolut geplanter Asymmetrie". Neuer Wohlstand äußerte sich in Vergoldung und Messing, Holzvertäfelungen und mehr.

In den 60ern sei Silberoptik in Mode gekommen, wie man sie bei Zambeck Reisen sieht, kombiniert mit Steinplatten etwa aus Schiefer wie am Frankenbad. Das Gebäude des Modesalons Wildezeiten mit seinen Steinplatten und dem alten Apotheke-Schild sei aber aus den 70ern, sagte eine Anwohnerin - "Stilverspätung" nannte das Bredenbeck. Eindeutig aus den 70ern stamme aber die orangene Fliesenfassade bei Art of Hair nebenan.

Nach dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 habe man die historische Stadt wiederentdeckt, Jugendstil- und Altbauhäuser sollten wieder aussehen wie früher. In den 80ern seien Vieleckformen modern gewesen, etwa die Facettenbauweise der Südüberbauung.

"Da, wo älterer Bestand erhalten ist, hat die Denkmalpflege das im Blick", so Bredenbeck. Man könne aber auch an anderen Häusern in der Altstadt nicht einfach etwas verändern: Es müsse in das Gesamtbild des Viertels passen.

Infos zum weiteren Veranstaltungsprogramm auf www.kultursommer-bonn.de.

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