Islamisten in Bonn Vor allem junge Leute werden geworben

BONN · Neue Negativschlagzeilen über Bonner Islamisten: Während die Behörden im Fall des versuchten Bombenattentats am Hauptbahnhof gegen den deutschen Islamisten Marco René G. ermitteln, fragt sich die Öffentlichkeit, ob ein anderer zum Islam konvertierter Deutscher, Andreas M., an dem blutigen Überfall auf ein Einkaufszentrum in Nairobi beteiligt war.

Die salafistische "Wahre Religion" verteilte 2012 auf dem Friedensplatz den Koran.

Die salafistische "Wahre Religion" verteilte 2012 auf dem Friedensplatz den Koran.

Foto: Frommann

Doch wie sieht es unterhalb dieser Ebene des militanten Islamismus in Bonn aus? Es gibt sie immer noch, die Bestrebungen radikaler muslimischer Wortführer, junge Leute auf einen ultrakonservativen Islam einzuschwören. Das beobachten unabhängig voneinander die Bonner Polizei, die Integrationsbeauftragte der Stadt, Coletta Manemann, und der Islamismusexperte Ahmad Mansour vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur (ZDK).

Gelegenheiten für Radikale, auf ihre Glaubensgeschwister einzuwirken, gibt es einige, wie ein Sprecher der Polizei dem GA sagte: "So werden aktuell Benefiz-Veranstaltungen für Syrien genutzt. Außerdem verteilen Salafisten weiter kostenlos den Koran auch in Bonn." Im Einsatz sind zumeist junge Männer, die so "angeworben" werden sollen für den Salafismus. Und dann gebe es da noch die "Dawa to go", in etwa übersetzt mit "Glauben zum Mitnehmen".

Dabei handele es sich um Aktionen radikaler Prediger wie Pierre Vogel, der durch die Straßen der Altstadt oder Tannenbuschs ziehe, um junge Leute anzusprechen und Infomaterial zu verteilen. Jemand wie Vogel, der bis vor einiger Zeit noch eine Wohnung in Bonn hatte, sei in den meisten Moscheen nicht mehr gerne gesehen, weshalb er seine Missionierung sporadisch auf den Straßen durchführe.

Auch Manemann hat Vogel und andere Prediger in den vergangenen Monaten dabei beobachtet beziehungsweise weiß von gemäßigten Muslimen, wie aktiv die salafistischen Wortführer sind. "Diese Leute und die Gruppierungen um sie herum üben einen großen Druck auf junge Muslime aus, berichten mir besorgte und verärgerte Eltern." Mädchen, die kein Kopftuch trügen, sähen sich dem Drängen anderer muslimischer Jugendlicher ausgesetzt, beklagten die Eltern.

Mansour, der im Auftrag der Stadt Pädagogen für das Thema sensibilisiert, beobachtet weiterhin ein "sehr aktives Werben" radikaler Muslime. Salafistische Prediger missionierten "meistens auf der Straße, vor Schulen und Jugendzentren". Immerhin sei seit den Ausschreitungen in Lannesdorf im Mai 2012, als Islamisten sich eine Straßenschlacht mit Polizisten lieferten, etwas passiert:

"Bis dato wollten die im Rat der Muslime versammelten Mainstream-Muslime die Salafisten nicht ausschließen. Danach gab es auch dort punktuell kritische Diskussionen und Distanzierungen. Doch es muss innerislamisch noch viel passieren", sagt Mansour, der von seinen Glaubensgeschwistern eine öffentliche Debatte fordert. Schließlich kämen die meisten Dschihadisten, die im Ausland kämpften, aus NRW. Rund 90 von 170 Islamisten bundesweit sind in jüngster Zeit allein aus NRW nach Syrien ausgereist, sagte der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, dem WDR.

Mansour bescheinigt der Stadt Bonn, dass sie mittlerweile vielerorts gute Projekte anbiete, die Jugendliche aufklären sollen. Er selbst war zwei Mal in Bonn, um mit Pädagogen und Sozialarbeitern über die Gefahr radikaler Rattenfänger zu sprechen.

Dabei kommt dann auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Schwimmunterricht für Muslime zur Sprache. Die Integrationsbeauftragte begrüßte das Urteil als "umsichtige und kluge Entscheidung. Der Rahmen ist jetzt für alle Beteiligten klar gesteckt". Sie habe auch bei Muslimen positive Reaktionen erlebt.

Der Burkini, als Alternative zum Badeanzug, habe jetzt eine Legitimität. Die kritischen Stimmen von muslimischer Seite hingegen hätten beklagt, dass das Urteil nicht notwendig gewesen sei, da man sich mit den Schulen auch bislang verständigt habe und ein Burkini nicht notwendig sei.

Andererseits weiß Manemann auch von Schulleitern, dass strengreligiöse Eltern wie gehabt verfahren: Sie melden ihr Kind krank, wenn der Schwimmunterricht oder die Klassenfahrt ansteht. Weil es häufig eher eine Frage der Scham bei Mädchen allgemein sei, würde Manemann es begrüßen, wenn da, wo gewünscht, getrennter Schwimmunterricht möglich wäre. "Den Hardlinern, die das Schwimmen ganz abschaffen wollen, aber ist mit dem Urteil gesagt: Schwimmen im Burkini ist zumutbar."

Tag der offenen Moscheen

Gute Gelegenheit, mit Muslimen ins Gespräch zu kommen, bietet jedes Jahr der Tag der offenen Moschee. Auch einige Bonner Moscheen öffnen am Donnerstag, 3. Oktober, wieder ihre Türen. Erstmals besucht werden kann der Neubau der Al-Muhajirin-Moschee in der Brühler Straße 28. Die erste Führung findet um 14 Uhr statt, weitere

Moscheeführungen folgen im Laufe des Nachmittags. Vorträge, aber auch Kaffee und Kuchen werden ebenfalls angeboten. Einen besonderen Akzent setzt die DITIB-Moschee, Hochstadenring 43.

Dort werden nicht nur Moscheeführungen (10.30 und 14.30 Uhr) angeboten, sondern das Umweltprojekt "Tabiat" vorgestellt, das die Moscheegemeinde mit der Fachstelle interkulturelle Bildung und Beratung FiBB, gefördert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW, durchführt. Auch die Bonner Moschee in der Maxstraße 60 öffnet um 11 Uhr ihre Türen für die Besucher.

Die Al-Ansar-Moschee in der Bonner Straße 93 bietet ebenfalls eine Moscheeführung an (15 Uhr). Im Anschluss gegen 15.30 Uhr gibt es einen Vortrag zum Thema "Können Muslime und Nicht-Muslime zusammen leben?" Ein ähnliches Programm findet in der Beueler Al Muhsinin Moschee, Schwarzer Weg 40, statt.

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