Kommentar Vorboten einer Zerreißprobe

Bonn · Besser spät als nie, könnte man all jenen Politikern entgegnen, die nun allmählich erfassen, welcher Zündstoff sich inzwischen hinter dem Phänomen des Salafismus verbirgt.

Denn dass in deutschen Städten Parallelgesellschaften anwachsen, deren Protagonisten vom islamischen Gottesstaat träumen, zu diesem Zweck in aller Öffentlichkeit und in rasantem Tempo Geld sammeln und jugendliche Truppen rekrutieren und dabei beste Netzwerke zu den Kriegsschauplätzen des Nahen Ostens unterhalten - all das hätte man auch schon früher bemerken können.

Insbesondere in einer Stadt wie Bonn, der seit geraumer Zeit die unrühmliche Rolle einer Antriebsfeder der islamistischen Szene in Deutschland zukommt. Längst wäre es Politikern, auch denen der ehemaligen Regierungspartei FDP, etwa möglich gewesen, Polizeibehörden derart mit Geld, Personal oder Befugnissen auszustatten, dass die aktuellen Forderungen der Liberalen heute obsolet wären. Das aber ist politisch offenkundig nicht gewollt, wie die Klagen aus den Polizeibehörden über Dauerüberlastung belegen.

Wer wüsste das besser als die FDP, deren Spitzenvertreter sich jahrzehntelang unter Berufung auf die Menschenwürde im Kampf gegen den "Überwachungsstaat" zu profilieren suchten? Aber natürlich darf man seine Meinung ändern - und das nicht nur im politischen Existenzkampf. Die Forderung der FDP steht symptomatisch für eine Zerreißprobe, die sich für alle liberalen Staaten Europas andeutet, weil ihnen Gruppen wie Salafisten ihre Lücken und Defizite aufzeigen.

Wie viel "bunte Vielfalt" kann so ein pluralistisches System eigentlich tragen, und wo verläuft die Toleranzgrenze? Diese indirekte Frage stellt die FDP nun völlig zurecht.

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