Mutmaßliche Dschihadisten aus Bonn, Siegburg und Dortmund Wache schieben bei der Terrormiliz

BONN · In der Straße mit den Gewerbebetrieben, wo auch Mohamed A.s Arbeitgeber seinen Sitz hat, nimmt am Tag danach alles seinen gewohnten Lauf.

 Szene aus einem Propagandavideo der islamistischen Miliz Junud al-Sham. Immer wieder versuchen auch junge Männer aus Bonn, sich den Dschihadisten in Syrien anzuschließen.

Szene aus einem Propagandavideo der islamistischen Miliz Junud al-Sham. Immer wieder versuchen auch junge Männer aus Bonn, sich den Dschihadisten in Syrien anzuschließen.

Foto: GA

Die Festnahme des 23-Jährigen am Mittwochmorgen hatten die Nachbarn von gegenüber gar nicht mitbekommen. In dem Betrieb im Bonner Norden selbst gibt man sich am Donnerstag schmallippig. Man wolle einen Medienrummel auf jeden Fall vermeiden, sagt ein Angestellter der Firma, wo der Deutsch-Marokkaner Mohamed A. bis Mittwochmorgen noch als Auszubildender gearbeitet hat.

Er wollte Elektriker werden. Nun sitzt der 23-Jährige in Untersuchungshaft. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) wirft dem jungen Mann aus dem Bonner Norden vor, von Oktober 2013 bis Januar 2014 Mitglied bei den "Soldaten Syriens", auf Arabisch "Junud al-Sham", gewesen zu sein.

Die von der GBA als terroristische Vereinigung eingestufte Miliz will in Syrien einen islamistischen Staat mit Waffengewalt errichten. Mohamed A. soll in Syrien eine Kampfausbildung durchlaufen und Wachdienste abgeleistet haben. Im Januar 2014 kehrte er über die Türkei und Belgien nach Deutschland zurück.

Offensichtlich ein normaler Azubi

Von alldem scheint sein Arbeitgeber nichts gewusst zu haben, der den 23-Jährigen erst vor Kurzem als Azubi eingestellt hatte. Der GA hatte aus Sicherheitskreisen erfahren, dass Mohamed A. zwar keine Größe in der Bonner Islamistenszene, wohl aber deren Mitglied gewesen sein soll. Das typische Aussehen und Verhalten eines extremistischen Muslims scheint er nicht (mehr) gehabt zu haben. Bei seinem Arbeitgeber war der 23-Jährige ganz offensichtlich ein normaler Azubi.

Außer ihm waren am Mittwoch noch zwei Männer verhaftet worden, einer davon Mustafa P. aus Siegburg. Nach Informationen dieser Zeitung hat er bei einem Callcenter im Kölner Westen gearbeitet. Wie berichtet, war der 25-Jährige auch an seinem Arbeitsplatz verhaftet und dann per Hubschrauber nach Karlsruhe, dem Sitz der Generalbundesanwaltschaft, geflogen worden.

Der dritte Mann, der 25 Jahre alte Fadi Rudolf S. mit deutscher, polnischer und libanesischer Staatsbürgerschaft, war in Dortmund verhaftet worden.

Laut einer GBA-Pressemitteilung soll der Bonner Mohamed A. im Oktober 2013 über die Türkei nach Syrien ausgereist zu sein, um sich dort - "getragen von einer radikal-islamistischen Einstellung" - am militanten Dschihad zu beteiligen. Dem Deutsch-Afghanen Mustafa P. wirft die GBA ebenfalls vor, sich Ende 2013 Junud al-Sham angeschlossen zu haben und dort, wie Mohamed A., eine Kampfausbildung durchlaufen und Wachdienste abgeleistet zu haben.

Der 25-Jährige kehrte aber schon nach kurzer Zeit, im November, nach Deutschland zurück - "wohl aus familiären Gründen", heißt es von der GBA. Zu einer abermaligen Ausreise kam es nicht mehr.

Die beiden Festgenommenen sitzen ebenso in Untersuchungshaft wie Fadi Rudolf S. Er ist laut GBA dringend verdächtig, sich von Oktober bis Mitte Dezember 2013 zunächst als Mitglied bei Junud al-Sham und dann bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Dschihad beteiligt zu haben. Nach den bisherigen Ermittlungen reiste der 25-Jährige Anfang Oktober ebenfalls über die Türkei nach Syrien, um sich am Bürgerkrieg zu beteiligen.

Über die Türkei zurück nach Deutschland

Als er sich Mitte November 2013 dem Islamischen Staat anschloss, soll er sich bei einer Übung oder im Kampf Verletzungen an der rechten Hand zugezogen haben. Bereits Ende Dezember 2013 kehrte Fadi Rudolf S. aus bislang nicht bekannten Gründen über die Türkei nach Deutschland zurück.

Nach GA-Informationen soll Mohamed A. einer von drei Rückkehrern sein, über die der GA schon vor etwa einem Jahr berichtet hatte. Schon damals hieß es, sie könnten in Syrien wie auch immer geartete "Kriegserfahrungen" gesammelt haben. Auch wenn bis zu A.s Verhaftung weit mehr als ein Jahr verging, war das städtische Jugendamt seinerzeit alarmiert, weil Mohamed A. und die beiden anderen jungen Männer wieder in ihrer alten städtischen Jugendeinrichtung verkehrten.

Obwohl sie sich dort unauffällig verhielten, plante die Stadt, einen zusätzlichen Jugendsozialarbeiter einzustellen. Dieser sollte sich speziell um junge Leute kümmern, die im dschihadistischen Milieu verkehren. Wie Marc Hoffmann, Vizesprecher der Stadt, gestern mitteilte, "hat das Jugendamt aber keinen geeigneten Jugendsozialarbeiter gefunden".

Nun würden Überlegungen in konzeptioneller Hinsicht angestellt. Heißt: In Betracht könnte zum Beispiel auch ein Träger einer Jugendeinrichtung kommen, der die gesuchte Fachkraft ohnehin beschäftigt. Der Träger würde dann in enger Kooperation mit dem städtischen Jugendzentrum arbeiten, sagte Hoffmann.

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