Kommunalwahl 2020 Warum günstiger Wohnraum in Bonn rar ist

Analyse | Bonn · Die Stadt Bonn will mit dem Baulandmodell für mehr geförderte Wohnungen sorgen, weil es zu wenige gibt. Jedes Jahr ziehen 2000 Menschen nach Bonn, was die Knappheit noch verschärft. Und es gibt weitere Ursachen.

Wo jetzt noch die frühere Poliklinik in Bonn steht, sollen neue Wohnungen gebaut werden.

Wo jetzt noch die frühere Poliklinik in Bonn steht, sollen neue Wohnungen gebaut werden.

Foto: Benjamin Westhoff

Am 13. September wird gewählt. Der General-Anzeiger analysiert in den kommenden Wochen verschiedene Brennpunktthemen. Den Anfang macht der Bonner Wohnungsmarkt.

■ Das ist die Situation: Bonn wächst. Im Schnitt ziehen jedes Jahr 2000 Menschen in die Bundesstadt. Und konkurrieren um den Wohnraum. Und der ist ziemlich teuer. Das Internetportal ‚wohnungsboerse.net’ gibt in seinem Mietspiegel für Juli 2020 an, dass der durchschnittliche Kaltmietpreis in Bonn bei 10,83 Euro pro Quadratmeter liegt. Das sind fast drei Euro mehr als im NRW-Durchschnitt (7,95 Euro/Quadratmeter). Besonders teuer sind demnach die Stadtteile Schwarzrheindorf (13,50 Euro), Südstadt (12,88 Euro), Duisdorf (12,61 Euro), Vilich (12,10 Euro) und Bonn-Zentrum (12,05 Euro). Am günstigsten ist gemieteter Wohnraum in Lessenich-Meßdorf (7,89 Euro), auf dem Brüser Berg (8,65 Euro) und in Tannenbusch (9,00 Euro).

Die höheren Mietpreise spiegeln sich allerdings nicht in einem höheren Einkommen der Bonner Bürger wider. So teilte Oberbürgermeister Ashok Sridharan im Juli 2019 mit, dass nach Schätzungen der Stadt die Hälfte der Haushalte ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein hat. Bei einem Ein-Personen-Haushalt hat auf den Schein ein Anrecht, wer unter 19.350 Euro im Jahr verdient, bei einem Zwei-Personen-Haushalt sind es 23.310 Euro. Mit Kindern liegt die Grenze höher. „In Bonn gibt es derzeit rund 10.000 Wohnungen mit Preisbindung, die Menschen mit Wohnberechtigungsschein zur Verfügung gestellt werden können“, heißt es in der damaligen Mitteilung der Stadt Bonn weiter. Diese Wohnungen sind reserviert für Geringverdiener. Doch rund 40 Prozent sollen bis zum Jahr 2030 aus der Bindung rausfallen, während laut Stadt die Warteliste zur Zuteilung immer länger wird.

■ Das ist das Kernproblem: Ein Kernproblem für die Wohnungsmisere in Bonn ist schwer auszumachen. „Das Problem ist multikausal“, sagt Peter Kox, Geschäftsführer des Mieterbundes Bonn. „Da gibt es nicht die eine Erklärung.“ Das Grundproblem sei sicher, dass es politisch vernachlässigt wurde. In der Ära Kohl fand ein starker Abbau an Sozialwohnungen statt. „So hat man sich sukzessive nicht nur der Steuermöglichkeiten entzogen, sondern auch danach jahrzehntelang die Hände in den Schoß gelegt“, findet Kox.

Wie um den Wohnraum gekämpft wird, erfährt Peter Kox regelmäßig. „Es kommt bei uns täglich mehrmals vor, dass die Leute mit Räumungsklagen oder Eigenbedarfskündigungen konfrontiert werden. Die Vermieter wollen die Leute mit den abstrusesten Begründungen raushaben.“

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung gehört Bonn zu einer der bundesweit teureren Städten, was die durchschnittliche Mietbelastung angeht. Demnach geben 45,5 Prozent der Haushalte in Bonn mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aus. Grundsätzlich sollen maximal 30 Prozent dafür veranschlagt werden, gibt die Stadt Bonn im vergangenen Jahr in einer Pressmitteilung zu. Der Anteil des Einkommens, der für die Miete aufgewendet wird, kann aber noch viel höher liegen. „Die Wohnungen kriegen sie los. Da können sie aufrufen, was sie wollen. Es gibt genug Leute, deren Not groß genug ist“, so Kox. Dann komme es auch vor, dass die Hälfte des Einkommens für die Miete draufgeht.

■ Das sind die Lösungsansätze: Dass die Stadt ein massives Wohnungsproblem hat, ist der Verwaltung durchaus bewusst. Vor über drei Jahren beschloss die Politik deshalb das Bonner Baulandmodell. Ziel war es, mehr sozialen Wohnungsbau zu schaffen. So sollen Investoren bei ihren Neubauvorhaben 40 Prozent der Wohnungen als geförderten oder preisreduzierten Mietwohnungsbau errichten. Diese Quote gilt aber erst ab 25 Wohneinheiten. Bei zwölf bis 24 Wohneinheiten sollen 20 Prozent geförderter Wohnraum errichtet werden. Zusätzlich sieht das Modell vor, die Investoren auch bei der Schaffung von Kindergärten in die Pflicht zu nehmen.

Im vergangenen Jahr startete ein weiteres Projekt, das sich dem Thema sozialer Wohnungsbau widmet. Die Projektgruppe „Geförderter Wohnungsbau in Bonn“ unter der Leitung der Sozialdezernentin Carolin Krause soll die Voraussetzungen verbessern, damit im Stadtgebiet mehr geförderte Wohnungen entstehen können. Fachleute aus der ganzen Verwaltung bilden die Mitglieder dieser Projektgruppe. Sridharan appellierte an sie: „Bringen Sie unabhängig von Zuständigkeiten Ihre Fähigkeiten und Ihr Wissen ein, um gemeinsam Strategien zur Stärkung des geförderten Wohnungsbaus zu entwickeln.“ Die Projektgruppe sei laut Peter Kox eine gute Sache. „Da hat man begriffen, wo das Problem liegt. Es ist gut, dass die Stadt auch das Stadtplanungsamt und Bauamt an Bord genommen hat.“

Carolin Krause ist sich sicher, dass sich während der Projektlaufzeit schon einiges bewegt habe. So haben laut Krause einige Regelungen den geförderten Wohnungsbau attraktiver gemacht. Dazu zähle etwa die Reduzierung des Parkplatzschlüssels bei öffentlich geförderten Wohnungen. Oder ein reduzierter Marktpreis beim Verkauf von städtischen Grundstücken für den geförderten Wohnungsbau.

■ Da hakt es noch: Die Mindestquote für geförderten Wohnraum, wie es das Baulandmodell vorschreibt, hatte der Stadtrat 2017 beschlossen und im Juli 2018 ratifiziert. Konkrete Ergebnisse in Form der tatsächlich gebauten Wohnungen seien erst mit Verzögerung „greifbar“, so die Antwort von Petra Denny, Leiterin des Stadtplanungsamtes. Denn es nehme längere Zeit in Anspruch, bis das Modell bei der Neuaufstellung oder Änderung von Planungsrecht Anwendung findet.

Aktuell werde an etwa 60 Planverfahren gearbeitet, so die Stadt Bonn. „Wegen der komplexen Abläufe eines Bebauungsplanverfahrens, zahlreichen politischen Beratungen zu verschiedenen Planungsständen und Beteiligung der Öffentlichkeit dauern solche Verfahren in der Regel mehrere Jahre“, sagt Petra Denny. Unter das Baulandmodell fallen elf laufende Bebauungsplanverfahren. Nach Schätzung der Verwaltung bedeute dies insgesamt etwa 1200 Wohneinheiten. Mit der 40-Prozent-Quote werden circa 480 öffentlich geförderte Wohneinheiten entstehen.

Dass der Neubau von Wohnungen dem Bedarf hinterherhinkt, liege aber nicht nur an der Stadt. „Wir müssen auch sehen, dass es Grenzen gibt“, sagt Krause. „Die allgemeine Wirtschaftslage können wir nicht ändern. Die Verfügbarkeit von Grundstücken ist begrenzt, und Bonn ist eine wachsende Stadt, die Menschen anzieht.“ Die Attraktivität der Stadt verschärfe die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt.

Trotz all der Bemühungen der Stadt tut sich auf dem Wohnungsmarkt nicht genug. Peter Kox sieht wenig Erfolg in den Leistungen der Stadt. „Es entstehen in erster Linie Nachverdichtungen. Die Bilanz des Baulandmodells ist bisher gleich null“, so Kox. Dass 40 Prozent sozialer Wohnungsbau erst ab 25 Wohneinheiten vorgeschrieben ist, sei Quatsch. „Das muss deutlich runter gesetzt werden. Aber immerhin gibt es diesen Beschluss. Da kann man auch nicht mehr zurück.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort