WCCB - Die Millionenfalle, Teil XXX Was liegt in Nimptschs Tresor?

BONN · Erneute Razzia im Stadthaus: Die Rolle der Stadt Bonn bei ihrem Zukunftsprojekt wirft neue Fragen auf.

Blick auf die ruhende Baustelle des World Conference Center Bonn.

Blick auf die ruhende Baustelle des World Conference Center Bonn.

Foto: Max Malsch

In mancher Stadtratssitzung zum World Conference Center Bonn (WCCB) steht der hochgewachsene, weißbärtige Chef des Städtischen Gebäudemanagements (SGB) wie ein Turm in der Schlacht: Friedhelm Naujoks erklärt auch im Frühjahr 2009 den Volksvertretern mit überzeugenden Gesten und Worten, warum das WCCB einen Baukostensprung von 43 Millionen Euro verzeichnen wird. Und die ominöse Hotelzimmer-Erhöhung von 180 auf 336 Zimmer ist der Hauptkostentreiber, obwohl 352 Zimmer seit Dezember 2005 in allen Schriftstücken fixiert waren.

Ob Naujoks die Baukostenexplosion im Mai 2009 wirklich beurteilen kann? Denn acht Monate später legt er den vertraulichen Rechenschaftsbericht der SGB-Controller "für das Bauvorhaben WCCB" vor.

Darin macht er deutlich (siehe Millionenfalle XXIII), dass Naujoks & Co. eigentlich gar keine effektiven Controller waren: "Eine lückenlose Prüfung jeder Einzelrechnung vom Aufmaß bis zur Zahlung war vertraglich nicht gefordert und hätte mit dem vereinbarten Personaleinsatz auch nicht durchgeführt werden können." Geprüft wurde nur jede fünfte Rechnung und die auch nur auf Plausibilität.

Wer den Rechenschaftsbericht mit ausgewählten Anlagen aufmerksam liest, erkennt einen roten Faden: Das SGB hat getan, wozu es vertraglich verpflichtet war - mehr Prüfung hätte auch mehr gekostet. Ob die Sparkasse eine professionelle Durchleuchtung des WCCB-Millionenbaus verhindert hat oder eine eher großzügige Prüfungsmentalität politisch gewollt war, lässt der Bericht offen. Möglicherweise erklärt das Datum des SGB-Berichts einiges: 2. Dezember 2009.

Da stand schon fest, dass beim WCCB-Projekt eines Tages nachgeholt werden würde, was vorher und während des Bauens versäumt wurde: Alles kommt unter die Lupe. Längst waren staatsanwaltliche Ermittlungen nicht nur gegen die Kim-C.-Hong-Fraktion öffentlich, sondern auch gegen städtische Bedienstete. Die Vorweihnachtszeit 2009 war somit bereits die erste "Rette-sich-wer-kann"-Phase. Auch für Naujoks. Alle WCCB-Tätigen stehen längst im Visier der Staatsanwaltschaft. Auch Naujoks.

Am Mittwochmorgen schlagen die Ermittler zu: Nicht nur in der SGB-Etage im Stadthaus beschlagnahmen sie kartonweise Unterlagen und Computerdaten, auch Hausdurchsuchungen bei Naujoks und zwei Mitarbeitern stehen auf der Mittwoch-To-Do-Liste im Rahmen von Ermittlungen wegen des Betrugs im besonders schweren Fall.

Es geht um die WCCB-Fördermittelanträge an das Land NRW, für die das SGB testiert hatte, dass sich alles rechnet. Dazu wird der sonst stets vorsichtig formulierende Oberstaatsanwalt konkret: "Die Testate waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen. Sie waren schlicht falsch", sagt Fred Apostel. Die Zahlen seien "passend gemacht worden". Der Volksmund nennt das "getürkt".

Nach GA-Informationen sollen Naujoks und Co. die Landesmittel jedoch nicht in Eigenregie erschlichen haben, vielmehr soll das Gefügigmachen der Zahlen auf Anweisung "von ganz oben" erfolgt sein. Im Verdacht steht der einstige WCCB-Projektleiter Arno Hübner, Bonns ehemaliger Stadtdirektor, gegen den bereits seit Dezember 2009 wegen Untreue ermittelt wird, wie auch gegen die frühere WCCB-Projektbeauftragte Eva-Maria Zwiebler und die ehemalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann.

Offenkundig hat sich das "Rette-sich-wer-kann"-Karussell beschleunigt. So sollen zwei Papiere im Stadthaus kursieren, die viele Rätsel rund ums WCCB beantworten und den Eisberg unter der bisher in die Öffentlichkeit hineinragenden Spitze freilegen können. Eines soll von Hübner stammen, der Naujoks' SGB-Rechenschaftsbericht als geschickte Konstruktion für dessen persönliche Rechtfertigung enttarnt.

Folgt man den GA-Informanten, so schlummert jedoch das eigentliche "Papier-Dynamit" im Tresor von Bonns neuem Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, der dem Bürger mehr Transparenz beim WCCB versprochen hat: der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes.

Die Sprengkraft dieses Papiers ergibt sich nach GA-Informationen aus der Tatsache, dass es sich um einen unverblümten Report handelt, der im Tresor auf seine Glättung durch "wohlinformierte Kreise" wartet. Was soll das Volk erfahren, was nicht?

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