Bombenfund in Bonn Was passiert wäre, wenn...

BONN · Wer steckt hinter dem versuchten Bombenanschlag am Bonner Hauptbahnhof? Welchen Schaden sollte der hochgefährliche Sprengstoff tatsächlich anrichten? Und war der Bonner Hauptbahnhof überhaupt das Ziel? Auch vier Tage nach dem versuchten Anschlag in Bonn gibt es viele Fragen, die nicht beantwortet werden können.

Die Fakten: Ein hellhäutiger Mann mit einer blauen Tasche ist auf einer Videosequenz in der McDonald's-Filiale am Bonner Hauptbahnhof zu sehen, aufgenommen am Montag um 12.49 Uhr von der Videokamera des Schnellrestaurants. Die Ermittler gehen davon aus, dass es die Tasche ist, in der sich eine Bombe mit hochgefährlichem Sprengstoff befindet, und die wenig später am Bahngleis 1 abgestellt wird. Dann schiebt ein dunkelhäutiger Mann die Tasche, in die er zuvor geschaut hatte, vor die Füße zweier Schüler, die in Blickrichtung Gleise auf einer Bank vor McDonald's sitzen.

Die Jugendlichen verhindern möglicherweise eine Katastrophe: Sie alarmieren die Polizei, die die Bombe mit einem Wassergewehr entschärft. In der Tasche befinden sich vier mit Butangas gefüllte Kartuschen, ein Metallrohr, das Ammoniumnitrat enthält, Nägel und ein batteriebetriebener Wecker, der bei der Entschärfung zerstört wird. Es ist eine Sprengvorrichtung vorhanden, der Zünder wurde noch nicht gefunden. Im Zuge der Ermittlungen nehmen die Beamten den Bonner Salafisten Omar D. und seinen Begleiter Abdifatah W. am Dienstag in Gewahrsam. Beide werden nachts wieder auf freien Fuß gesetzt; der Tatverdacht erhärtete sich nicht.

Die Ermittler fahnden nun nach dem dunkel- und dem hellhäutigen Mann; welche Rolle sie spielen ist noch unklar. Der hellhäutige Mann hat wohl einen Vollbart. Er trug eine hüftlange, helle Jacke mit Kapuze, ein dunkles Oberteil, eine dunkle Hose mit zwei senkrechten hellen Streifen an der Seite, dunkle Handschuhe und dunkle Schuhe. Laut Einsatzleiter Norbert Haupt gingen bisher mehr als 60 Hinweise ein, eine heiße Spur sei aber noch nicht dabei.

Darüber hinaus suchen die Ermittler nach einem zirka 40 Jahre alten Zeugen europäischen Aussehens. Laut Polizei meldete er kurz vor 13 Uhr einer Mitarbeiterin am Infopunkt in der Eingangshalle des Bahnhofs die herrenlose Tasche auf Bahnsteig 1. Er hat kurze mittelblonde Haare, trug eine blaue Daunenjacke und hat eine leichte Sprechstörung. Hinweise: 0221/229-0 oder per E-Mail an info@polizei-koeln.de. Das sind die Fakten. Darüber hinaus gibt es verschiedene rein spekulative Varianten zum Tathergang, den Tätern und ihren Motiven.

Szenario 1: Islamistischer Terror. Die erste Spur der Bonner Bombenleger führte in die Szene muslimischer Extremisten. Die Täter könnten bekannte Islamisten aus Bonn sein, die ihre Tat genau geplant haben. Nachdem der hellhäutige Mann, der ein deutscher Konvertit sein könnte, mit der Tasche durch die McDonald's-Filiale an Bahnsteig 1 geschlendert ist, hätte er sie an seinen mutmaßlichen dunkelhäutigen Komplizen übergeben können. Dieser könnte die Bombe im Anschluss deponiert haben und weggegangen sein. Die beiden Schüler allerdings, denen er zuvor die Tasche mit dem hochgefährlichen Sprengstoff vor die Füße geschoben hatte, machen den - in diesem Szenario religiösen - Fanatikern einen Strich durch die Rechnung. Sie bemerken die Drähte, die aus der Tasche ragen, alarmieren die Polizei und verhindern so vielleicht eine Katastrophe.

[kein Linktext vorhanden]Szenario 2: Politischer Terror. Der oder die Bombenleger von Bonn könnten dem rechtsextremen Lager angehören. Ihre Motive sind möglicherweise perfide: Sie könnten den Anschein erwecken wollen, als hätten Dschihadisten - radikale Islamisten, die sich mit Anschlägen am "Heiligen Krieg" beteiligen - das Attentat geplant. Der hellhäutige Mann wäre in diesem Szenario der Drahtzieher. Er verlässt samt Bombe die McDonald's-Filiale, dabei hätte er bereits den dunkelhäutigen Mann im Auge haben können, vor dem er die Tasche abstellte. Dieser wäre in diesem Fall zur falschen Zeit am falschen Ort: Er hätte die Drähte bemerkt, die Tasche weggeschoben und wäre aus Angst vor den möglichen Konsequenzen geflüchtet.

Szenario 3: Es gibt keine terroristischen Hintergründe. Eine Gruppe könnte hinter dem versuchten Anschlag stecken. Egal, ob sie religiöse oder politische Fanatiker wären: Es wären auf jeden Fall mehrere Menschen an dem versuchten Bombenanschlag beteiligt. Der hell- und der dunkelhäutige Mann hätten dann zusammengearbeitet, im Bahnhof hätte die Taschenübergabe stattgefunden, im Hintergrund wären noch weitere Personen an der Tat beteiligt.

Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Einzeltäter, womöglich der Hellhäutige vom Video, für die Tat verantwortlich ist, er hat die Tat geplant und ausgeführt. Er könnte die Bombe gebaut, die Tasche nach Bonn gebracht und sie am Bahnsteig 1 abgestellt haben. Mögliche Motive könnten persönliche Rache oder Hass sein - gegen wen oder was, bleibt vorerst offen.

[kein Linktext vorhanden]Szenario 4: Der oder die Täter wollten die Bombe auf Bahnsteig 1 eigentlich möglichst unauffällig abstellen und zu gegebener Zeit explodieren lassen. Dabei hätte der Zünder, entweder per Wecker oder per Fernbedienung, eine oder mehrere der Butangasflaschen zur Explosion gebracht. Mehrere Feuerbälle mit einigen Metern Durchmesser wären die Konsequenz gewesen. Die Hitze hätte als Kettenreaktion dann das Ammoniumnitrat in dem Metallrohr entzündet und explodieren lassen. Dabei wären im schlimmsten Fall Metallsplitter wie Geschosse durch den Bahnhof geschleudert worden. Menschen wären dabei verletzt, wenn nicht gar getötet worden.

Szenario 5: Die Tasche sollte, von wem auch immer, in einem der nächsten Züge, die im Hauptbahnhof gehalten hätten, deponiert werden. Dort hätte die Bombe per Fernzünder an einem vorgesehenen Ziel Richtung Norden entzündet werden können - mit ähnlichen schrecklichen Verwüstungen wie auf dem Bahnsteig. Denkbar auch: Die Bombe hätte, wenn sie in einem Waggon explodiert wäre, verheerende Auswirkungen gehabt.

Szenario 6: Die Bombe hatte keinen Zünder. Der dunkelhäutige Tatverdächtige hätte sich in diesem Fall absichtlich auffällig verhalten, damit die Polizei den "Bombenalarm" schnell auslöst. Das Ziel wäre gewesen, Chaos im Bahnhof anzurichten und Angst unter der Bonner Bevölkerung zu verbreiten.

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