Stadtwerke Bonn Wasseruhr errechnet Verbrauch wie für ein Schwimmbad

BONN · Walter Eickholt traute seinen Augen nicht, als die Stadtwerke Bonn Energie und Wasser ihm vor gut einem Jahr "zu unserem Bedauern" eine neue Abrechnung für seinen Wasserverbrauch zuschickten: Er habe in seinem kleinen Ladenlokal an der Wenzelgasse in 77 Tagen 4584 Kubikmeter Wasser verbraucht: "Wir bedanken uns für Ihr Vertrauen und berechnen (...) 7820,70 Euro."

Diese neue Forderung kam anderthalb Jahre nach Auszug aus dem Geschäftslokal.

"Das war ein Schock", sagt Eickholt, der im Mai 2012 sein Geschäft aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hatte. Sein Einwand, so viel Wasser habe er doch in 77 Tagen bei einer Toilette und einem Waschbecken unmöglich verbrauchen können, blieb bei den SWB Energie und Wasser ungehört. Die Wassermenge ist vergleichbar mit dem Volumen eines Wettkampfschwimmbeckens von 50 Metern Länge und drei Metern Tiefe. Normalerweise haben sie acht Startbahnen à 2,50 Metern, Eickholt hat demnach aber soviel Wasser wie neun Bahnen verbraucht. Da der Wasserzähler als einwandfrei überprüft worden sei und die Nachweispflicht über den Verbrauch nicht beim Lieferanten liege, forderte die SWB dennoch das Geld ein - gerichtlich.

Das Bonner Landgericht, das vor zwei Wochen den ersten Erörterungstermin hatte, kam indes zu einem anderen Ergebnis. "Nach vorläufigen Erkenntnissen könnte ein offensichtlicher Fehler vorliegen. Das Gericht sieht die Beweislast bei der Klägerseite - den SWB Energie und Wasser", so Richter Philipp Prietze auf Anfrage. Für den Leipziger Sachverständigen Georg Hofmann ist der Fall indes eindeutig: "Selbst wenn er die Zapfstelle 77 Tage voll aufgedreht hätte, hätte er niemals so viel Wasser durch den Abfluss fließen lassen können. Da kommen pro Tag maximal acht bis zehn Kubik zusammen. Nicht mehr", so der Diplom-Ingenieur.

Er kann sich aber vorstellen, was geschehen sein könnte. Die Wasseruhr besteht aus mehreren Bauteilen: aus den Flügelrädern und dem Rollenzählwerk, auf das die Rotation der Flügel übertragen wird. Eine dieser Rollen springt immer alle 1000 Kubik. Doch laut Hofmann ist das Spiel unter diesen Rollen schon mal zu groß, dann springen sie. Beim Zahlensprung auf Hundert wird dann die Tausenderstelle einfach mitgezogen. Vor allem bei starken Erschütterungen sei das durchaus realistisch. Und die habe es gegeben, so Eickholt: Die Stadt hatte in dem betreffenden Zeitpunkt den Kanal erneuert, die Baugrube verlief direkt an der Hausmauer, an der auch die Uhr angebracht ist. Das Problem: "Die Prüfstelle untersucht äußere Beschaffenheiten, wie etwa die Plombe und das Zählwerk, aber nie die Rollen." Gerade beim Zählwerk einer Wasseruhr aus den Jahren 2010 und 2011 habe es einen Produktionsfehler gegeben, worauf der Sachverständige öffentlich hingewiesen habe. Hofmann: "Die Wasserwerke ignorieren das leider."

Reagiert haben etwa die Stadtwerke Arnsberg im Sauerland 2013. Nach zwei ähnlichen Fällen wie dem von Walter Eickholt und der Beanstandung des Eichamtes Dortmund tauschten sie 350 Zähler aus und hoben die Gebührenbescheide und Rechnungen auf .

Stefan Herpertz, bei der Verbraucherberatung Bonn für Energiethemen zuständig, rät, grundsätzlich alle Verbräuche regelmäßig zu prüfen. Bei Wasseruhren lasse sich das etwa mit einem 10-Liter-Eimer Wasser machen, oder man kontrolliert, ob der Zähler über Nacht gelaufen ist.

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