Finanzaffäre am Bonner Münster Weihbischof: Anträge wurden gar nicht oder verspätet gestellt

Bonn · In der Finanzaffäre am Bonner Münster spricht Weihbischof Ansgar Puff im GA-Interview von nicht genehmigten Baumaßnahmen. Zwei Millionen Euro sind aus dem Substanzvermögen der Gemeinde unzulässig verwendet worden.

Laut Erzbistum Köln wurden zwischen 2009 und 2014 rund zwei Millionen Euro aus dem Substanzvermögen der Münstergemeinde St. Martin unzulässig verwendet, um Löcher im Etat der Pfarrei zu stopfen. Persönliche Bereicherung wird weder Schumacher noch dem für die Finanzen zuständigen Rendanten der Gemeinde vorgeworfen. Weihbischof Ansgar Puff stellt sich den GA-Fragen.

Wie erleben Sie die aktuelle Situation in Bonn, rund vier Wochen nach dem Rücktritt des Stadtdechanten?

Ansgar Puff: Es ist vollkommen verständlich, dass die Nachricht über den Amtsverzicht von Stadtdechant Schumacher noch nicht ganz verdaut ist. Monsignore Schumacher hat viele Jahre gute pastorale Arbeit in Bonn geleistet. Dafür wird er von vielen geschätzt. Aber besonders diejenigen, die ihn mit der Online-Petition unterstützen, wollen anscheinend nicht wahrhaben, dass sich Wilfried Schumacher in den kritisierten finanziellen Dingen falsch verhalten hat. Zum Glück erlebe ich auch, dass mittlerweile bei vielen diese Erkenntnis wächst. Und ich erlebe, dass die Menschen wieder positiv in die Zukunft schauen wollen, dass sie die Zukunft gestalten wollen.

Die Kritik der Schumacher-Unterstützer richtet sich vor allem gegen Erzbischof Woelki. Werden Sie vorgeschickt, um die Wogen zu glätten?

Puff: Die Initiatoren der Petition erwecken ja den Anschein, dass die Stimmung in Bonn ausschließlich für Schumacher ist. Das erlebe ich anders. Der Befund der internen Revision und die zusätzliche Überprüfung durch die externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sind eindeutig: Monsignore Schumacher wusste seit langem über die Untersuchungen der unzulässigen Verwendung der Gemeindegelder, nichts kam überraschend. Es gibt eine Pflicht gegenüber den Kirchensteuerzahlern und den Gläubigen, mit dem anvertrauten Geld ordentlich umzugehen. Darauf haben sie ein Recht. In meiner Aufgabe als Weihbischof für den Pastoralbezirk Süd will ich alles tun, damit es jetzt gut weitergeht.

Die Unterstützer der Bonner Petition meinen, dass es vor allem an Kontrollen des Erzbistums gemangelt habe, und fordern ein zweites externes Gutachten. Was halten Sie davon?

Puff: Zunächst muss klar sein: Die Verantwortung liegt bei dem Verantwortlichen vor Ort. Wilfried Schumacher hat seine funktionale Verantwortung anerkannt. Das Erzbistum Köln nimmt dann seine Verantwortung wahr, indem es turnusgemäß die Gemeindefinanzen alle fünf Jahre überprüft. In seiner herausgehobenen Schnittstellenfunktion hätte jedoch Monsignore Schumacher die unzulässige Verwendung der Gelder von sich aus viel eher ansprechen müssen.

Zwischen 2009 und 2014 wurden rund zwei Millionen Euro aus dem Substanzvermögen unzulässig verwendet, um Löcher im Etat der Pfarrei zu stopfen. Manche sprechen auch von Fehlbuchungen. Hätte man das Geld denn auch zulässig verwenden dürfen?

Puff: Nur die Zinserträge aus dem Substanzvermögen dürfen von der Gemeinde für ihre Arbeit verwendet werden. Aber in Bonn wurde fast das ganze Substanzvermögen an sich über Jahre unzulässigerweise ausgegeben. Die Verantwortung dafür hat Monsignore Schumacher übernommen. Wer so was als Fehlbuchung bezeichnet, liegt falsch.

Wozu braucht eine Pfarrei Substanzvermögen, das ja offenbar eher mit einem fest angelegten Stiftungskapital zu vergleichen ist?

Puff: Das Substanzvermögen ist die Basis für die Zukunft einer Kirchengemeinde. Mit den Erträgen und nur mit den Erträgen daraus soll sichergestellt werden, dass sie alle ihre pastoralen Aufgaben dauerhaft ausüben kann. Deshalb ist es so besonders dramatisch, wenn aus diesem Kapital unrechtmäßig Geld entnommen wird. Man riskiert damit die Zukunft der Pfarrgemeinde!

Was heißt es für künftige Pfarrer und ihre Arbeit am Bonner Münster, wenn das Vermögen jetzt aufgebraucht ist?

Puff: Die üblichen Zuweisungen aus der Kirchensteuer für die pastorale Arbeit rund um das Bonner Münster laufen normal weiter – das sind einschließlich Citypastoral knapp eine halbe Million Euro pro Jahr. Auch die Gehälter der Mitarbeiter sind gesichert. Aber es fehlen die Erträge aus dem Substanzvermögen. Das ist weg.

Haben Sie zurzeit Kontakt zu Wilfried Schumacher?

Puff: Nach seinem Amtsverzicht habe ich ein langes und sehr persönliches Gespräch mit Wilfried Schumacher geführt. Er bleibt ganz regulär Priester im Ruhestand. Natürlich besteht weiterhin Kontakt mit dem Erzbistum, der in diesem Rahmen üblich ist.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass er nicht angehört und die Entscheidung mit größter Eile getroffen wurde? In den Gesprächen soll es nach Angaben der Unterstützer lediglich um Aufarbeitung gegangen sein, nicht aber um seine Verantwortung.

Puff: Mit Monsignore Schumacher wurden über einen längeren Zeitraum insgesamt vier Gespräche geführt, darunter zwei längere persönliche Gespräche mit dem Erzbischof. In diesen Gesprächen wurden ihm Mitsprachemöglichkeiten und Entscheidungsspielräume eingeräumt, ohne zeitlichen Druck. Nichts kam für ihn überraschend. Seine Angaben zum Revisionsprozess wurden sogar in den vorläufigen Untersuchungsbericht einbezogen. Wilfried Schumacher hat seine funktionale Verantwortung für die Vorgänge übernommen und seinen freiwilligen Rücktritt erklärt.

Das sehen einige Bonner anders. Offenbar hat aber nicht nur der Erzbischof, sondern der gesamte Vermögensrat des Erzbistums die Reißleine gezogen, als die Finanzprobleme bekannt wurden. Welche Funktion und Verantwortung hat dieser Vermögensrat genau?

Puff: Der Kardinal hat immer betont, wie wichtig ihm Klarheit und Transparenz in finanziellen Dingen sind. Der Vermögensrat ist zusätzlich eingerichtet worden, um in Vermögensangelegenheiten mitzuwirken, wie es das Kirchenrecht vorsieht. Der Vermögensrat besteht fast vollständig aus gewählten fachkundigen Ehrenamtlichen. Als das Untersuchungsergebnis vorlag, haben sie ihrer Verantwortung entsprechend mit Nachdruck auf den Handlungsbedarf hingewiesen und die notwendigen Konsequenzen gefordert.

War die neue Buchungssoftware Mach, die 2009 im Erzbistum zunächst mit einigen Schwierigkeiten eingeführt wurde, Schuld?

Puff: Nein, auch ohne Jahresabschlüsse war die wirtschaftliche Schieflage der Kirchengemeinde in Bonn klar erkennbar, und die Verantwortung des damaligen Stadtdechanten Schumacher bleibt bestehen. Zu diesem Ergebnis kommt die externe, unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in ihrer Untersuchung.

Hätte nicht eher auffallen müssen, dass die allgemeinen Rücklagen am Münster aufgebraucht sind? Der Nachweis des Eigenanteils bei Baumaßnahmen ist doch Teil der Vorlagen für den Gemeinderat.

Puff: Wie ich bereits ausgeführt habe: Die Verantwortung liegt bei dem Verantwortlichen vor Ort, Monsignore Schumacher. Aber hier wurden ja Anträge gar nicht oder verspätet gestellt und unzulässigerweise Baumaßnahmen der Kirchengemeinde finanziert, die nicht genehmigt waren. Es stand nicht mal fest, ob die Kirchengemeinde dafür überhaupt Gelder seitens des Erzbistums beanspruchen kann. Monsignore Schumacher hätte wie gesagt von sich aus viel eher ansprechen müssen, dass er hier Gelder unzulässig verwendet hat. Das Erzbistum Köln prüft dann die Gemeindefinanzen in bestimmten zeitlichen Abständen.

Wie haben Sie Schumacher als Seelsorger und Prediger erlebt?

Puff: Ich kenne Wilfried Schumacher schon sehr lange, er ist ein verdienter Priester. Es ist mir persönlich wichtig, die Vorwürfe im Finanziellen und seine Arbeit als Prediger und Seelsorger klar auseinanderzuhalten. In der Stadt Bonn hat er über viele Jahre gute Dienste als Seelsorger und Prediger geleistet, hat viele Menschen persönlich begleitet und in der Pfarrgemeinde wie in der Stadt vieles ideenreich bewegt.

Wie sieht es mit der Nachfolgersuche aus? Wann rechnen Sie mit einem Ergebnis?

Puff: Es ist ganz wichtig, dass die Bonner Pfarrei wieder einen neuen Pfarrer erhält. Dies wird im üblichen Verfahren in der Personalkonferenz des Erzbistums entschieden. Wann es soweit sein wird, können wir jetzt, vier Wochen nach dem Amtsverzicht, noch nicht absehen.

Bleibt es beim Zuschnitt der Münsterpfarrer als kleinster Seelsorgebereich im Erzbistum? Falls Nein: Welche Veränderungen sind geplant?

Puff: Es ist wichtig, für die Zukunft der Pfarrgemeinde eine tragfähige Idee zu entwickeln. Strukturen müssen der Seelsorge dienen, und alle Strukturfragen sind deshalb nachgeordnet. Entscheidend ist, gemeinsam mit den Menschen eine Zukunftsperspektive für die Kirche vor Ort zu entwickeln.

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