Bonner Liga schlägt Alarm Welche Folgen die Corona-Krise für Rheumatiker hat

Bonn · Für Rheuma-Kranke ist das regelmäßige Bewegungs-Training im warmen Wasser von großer Bedeutung, denn diese Übungen schonen die Gelenke und stärken die Muskeln. Die Corona-Einschränkungen haben diese Therapie zum Erliegen gebracht.

 Machen auf die für Rheuma-Kranke dringend erforderlichen Übungen aufmerksam: Facharzt Valentin Schäfer, Gertrud Hempel von der Rheuma-Liga und Betroffene Barbara  Karow (rechts).

Machen auf die für Rheuma-Kranke dringend erforderlichen Übungen aufmerksam: Facharzt Valentin Schäfer, Gertrud Hempel von der Rheuma-Liga und Betroffene Barbara Karow (rechts).

Foto: Susanne Wächter

Sie sitzen seit Mitte März sprichwörtlich auf dem Trockenen, wer an einer rheumatischen Erkrankung leidet, der kann sein Funktionstraining, welches im warmen Wasser stattfindet, nicht mehr ausüben.  Gertrud Hempel, selbst betroffen und bei der Deutschen Rheumaliga in Bonn ehrenamtlich aktiv, schlägt Alarm. „Mangelnde Bewegung kann für Menschen mit Rheuma irreparable Schäden zur Folge haben“, sagt sie bei einem Treffen an der Rheuma-Ambulanz des Uniklinikums. Das Training sei für Rheumakranke eigens von Physiotherapeuten und Ärzten konzipiert worden. Hempel weiß von Mitbetroffenen, die nun verstärkt auf Medikamente zurückgreifen müssen. Durch den zweiten Lockdown hat sich die Situation noch weiter verschlimmert.
„Das Training im Wasser stärkt die Muskulatur, ohne dass die Gelenke stark beansprucht werden“, erklärt der Rheumatologe und Internist Dr. Valentin Schäfer. Und das sehr effektiv. Umso glücklicher waren die Betroffenen, als im September das Training im warmen Wasser wieder starten konnte, wenn auch nur mit der Hälfte der Teilnehmer. Konnten zuvor 14 mitmachen, durften es jetzt nur noch sechs sein. Weil sie vor diesem Neustart aber bereits fünf Monate zum Nichtstun verdammt waren, war dies besser als nichts. Für Menschen mit einer Rheumaerkrankung ist dies eine lange Zeit.

Nun ist wieder alles gestoppt worden. „Wir können weder unsere Trainings, noch unsere Treffen durchführen. Die aber sind enorm wichtig auch für den Austausch und Rückhalt untereinander“, erklärt Hempel die jetzige Situation. Durch den zweiten Lockdown ruht das gesamte Programm der Rheuma Liga wieder und viele Betroffene seien stark verunsichert und niedergeschlagen, wie Hempel erklärt.

Barbara Karow leidet seit vielen Jahren an einer Psoriasis-Arthritis, einer eher selteneren Form des Rheumas. Im Jahr 2005 erhielt sie nach langer Odyssee die Diagnose. Funktionstrainings sind neben Spaziergängen und Trockenübungen für die 62-Jährige existenziell. „In den letzten fünf Monaten  nach dem ersten Lockdown habe ich mich selbst aufraffen müssen, um meine Übungen zu machen“, sagt sie und ist unsicher, ob sich ihre gesundheitliche Situation dadurch nicht verschlechtert. Dass sie nun weitere Monate aussetzen muss, macht sie traurig. Hinzu komme, das bei einem häuslichen Training niemand anwesend ist, der die Übungen gegebenenfalls korrigiert, wenn sie falsch ausgeübt werden.

Auch die Gemeinschaft ist für die Betroffenen enorm wichtig, was auch Rheumatologe Schäfer betont, der die Rheuma-Liga und Gertrud Hempel gern unterstützt. Weil die Zeit der Vorsicht und Maßnahmen möglicherweise noch lange andauern wird, blicken die Betroffenen ängstlich in die Zukunft. Denn auch, wenn die Funktionstrainings wie im September wieder angeboten werden können, hat dies nicht nur mit einem enormen Aufwand zu tun, sondern auch mit Kosten. Hempel erklärt den Hintergrund: „Weil wir nur noch weniger als die Hälfte der Teilnehmer in eine Gruppe zusammenfasen dürfen, müssen wir die Trainings doppelt anbieten. Das wiederum verursacht auch die doppelten Kosten, da wir die Raummiete doppelt zahlen müssen.“ Zwar zahlen die Krankenkassen das Training für die Betroffenen, doch das war in der Vergangenheit auch gerade nur kostendeckend. „Für die Auflagen und daher Mehrkosten kommen sie nicht auf“, kritisiert Hempel und wünscht sich von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Gesetzesänderung. „Es fehlt den Kassen als unser Vertragspartner für die Trainings die gesetzliche Grundlage, wie sie uns mitgeteilt haben“, ergänzt Hempel. Es könne nicht sein, dass chronisch Kranke wie Menschen mit Rheuma in der Pandemie durchs Netz gefallen.

Auch Rheumatologe Schäfer betont noch einmal die Wichtigkeit der Trainings aus ärztlicher Sicht: Rheumapatienten sind in der Regel selten beschwerdefrei. Die Bewegung bei gleichzeitiger geringer Belastung der Knochen und Gelenke daher äußerst wichtig, auch weil es Untersuchungen dazu gibt, dass trainierte Muskeln Botenstoffe ausschütten, die antientzündlich wirken.“
Mehr zu den Angeboten der Deutschen Rheumaliga in Bonn finden Betroffene auf der Webseite der größten Selbsthilfeorganisation im Gesundheitswesen. Per Mail ist die Bonner Gruppe unter: ag-bonn@rheuma-liga-nrw.de zu erreichen.

Mehr: www.rheuma-liga-nrw.de/arbeitsgemeinschaft/bonn/

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