Besucher nehmen wenig Rücksicht Waldpfade in Bonn leiden unter Ansturm in der Corona-Krise

Bonn · Während der Pandemie zieht es mehr Menschen als sonst in die Natur. Doch dies hat auch Schattenseiten: Nicht alle Besucher nehmen Rücksicht auf Tiere und Pflanzen.

 Hier wächst nichts mehr: Lutz Schorn steht auf einer der Pisten, die Radfahrer im Wald angelegt haben.

Hier wächst nichts mehr: Lutz Schorn steht auf einer der Pisten, die Radfahrer im Wald angelegt haben.

Foto: Benjamin Westhoff

Es ist ruhig im Kottenforst, einige Vögel singen. Sonnenstrahlen bilden kleine Pfützen aus Licht auf dem Waldboden. Lutz Schorn steht auf einem Weg und sagt in die Stille hinein: „Am Sonntag ist das hier wie in der Hohe Straße in Köln.“ An diesem Dienstagmittag sind deutlich weniger Menschen unterwegs als auf der Einkaufsstraße. Schorn ist im Vorstand der Forstbetriebsgemeinschaft und bewirtschaftet 10 Hektar Wald, die seit vier Generationen im Besitz seiner Familie sind. Laut European Forrest Institute Bonn sind seit Beginn der Corona-Pandemie doppelt so viele Menschen im Kottenforst unterwegs wie sonst. Darunter leidet der Wald, sagt Schorn.

Mit seinem Fahrrad hat er an einer Abzweigung angehalten. An einem Baum weist ein Schild daraufhin, dass der Weg nur für Reiter freigegeben ist. Fußgänger und Radfahrer sollen ihn nicht nutzen. Vor Kurzem ist das Schild abgerissen worden. Schorn hat es wieder aufgehängt. Außerdem steht jetzt in roter Schrift auf dem Baum „Nur Reitweg“. „Wenn hier ein Pferd durchreitet, ist das für die Wildtiere kein Problem“, sagt Schorn. Die hielten 100 Meter Abstand zu den Wegen, auf denen Menschen unterwegs sind, das habe eine Studie gezeigt. Wer die gekennzeichneten Wege verlasse, verkleinere den Lebensraum der Tiere. Die würden diese Stellen dann meiden, weil sie Menschen wittern – die Gefahr bedeuten. Immer wieder begegnet er Leuten, die quer durch den Wald laufen. „Der Wald muss den Menschen zur Verfügung stehen, Natur muss erlebbar sein, damit vor allem Jugendliche sie zu schätzen wissen“, sagt er. „Aber manche Bereiche müssen ausgespart bleiben – das ist der Deal.“ Wenn mehr Leute im Wald unterwegs seien, gebe es auch mehr, die sich nicht an die Regeln halten.

Schorn setzt sich auf sein Fahrrad und fährt weiter. Als ein Trampelpfad vom Weg abgeht, bleibt er stehen. „Der geht zum Brüser Berg“, sagt Schorn. Früher gab es fünf Pfade. „Wir haben das auf einen kanalisiert“. Ein paar Meter den Pfad entlang hat Schorn junge Eichen gepflanzt. Sie haben tiefere Wurzeln und kommen so an Wasser aus unteren Erdschichten. Damit seien sie besser für die Trockenheit geeignet als die Fichten, die überall im Wald absterben. Wenn Rehe vor Menschen flüchten müssen, verbrennen sie Energie, die sie wieder zuführen müssen. Dann knabbern sie an den jungen Eichen. Aber auch Fußgänger, die auf den Pfaden unterwegs seien, würden schon mal die jungen Pflanzen aus dem Boden reißen.

 Das Schild wurde abgerissen. Lutz Schorn hat es wieder aufgehängt. Nun weist auch ein Schriftzug draufhin, dass der Weg nur für Reiter ist.

Das Schild wurde abgerissen. Lutz Schorn hat es wieder aufgehängt. Nun weist auch ein Schriftzug draufhin, dass der Weg nur für Reiter ist.

Foto: Benjamin Westhoff
 Coronaschäden im Wald

Coronaschäden im Wald

Foto: Benjamin Westhoff
 Coronaschäden im Wald

Coronaschäden im Wald

Foto: Benjamin Westhoff

Spaziergänger seien nicht das einzige Problem für die Tiere. Manchmal werden sie von Hunden, die nicht angeleint sind, durch den Wald gehetzt. Erst kürzlich hat Schorn ein gerissenes Reh gefunden. „Das kotzt einen an“, sagt er. Er sei dafür, dass jeder die Natur genießen kann. „Aber es braucht Sensibilität für Tiere und Pflanzen.“ Es gehe darum, einen Kompromiss zu finden. Direkt neben den neugepflanzten Eichen zeigt Schorn eine Stelle, an der Hunde die Wurzeln eines Baums ausgebuddelt haben.

Schorn führt weiter den Pfad entlang. Dort haben Radfahrer eine Piste für ihre Mountainbikes angelegt. „Hier wächst nichts mehr“, sagt er. Trotzdem drücke er mal ein Auge zu, wenn die Strecken nicht in sensiblen Bereichen liegen.

Es geht weiter. Schorn hält an einer Stelle an, an der er bald einen Baum fällen will. „Dadurch bekommen die umliegenden Bäume dann Licht und können wachsen“, sagt er. „Tod ermöglicht Leben.“ Etwas später kommt ein Spaziergänger vorbei, sein Hund, der etwa so groß ist wie ein Dackel, ist nicht an der Leine. Als der Mann weg ist, sagt Schorn: „Es wäre doch absurd, ihn darauf hinzuweisen, dass er seinen Hund anleinen muss.“ Der Hund werde schon kein Wildschwein fressen. Solange die Hunde auf den Pfaden blieben, sage er oft nichts. „Ich kann mich ja nicht 24 Stunden am Tag hier hinstellen und jedem einen Vortrag halten“. Schorn beobachtet auch, dass es immer wieder vorkommt, dass Leute Äste abschneiden, um die Pfade frei zu machen. „Wenn so ein Pfad einmal da ist, entsteht ein Gewohnheitsrecht“, sagt Schorn.

Regt er sich eigentlich oft über die Leute auf, die sich nicht an die Regeln halten? „In jungen Jahren war ich hitziger“, sagt Schorn. „Aber die Ignoranz mancher Leute geht mir schon auf den Senkel.“ Heute lasse er mehr durchgehen. Die meisten Leute würden sich auch korrekt verhalten. Er habe vom Wald gelernt, gelassener zu sein und in anderen zeitlichen Kategorien zu denken. Die Eichen pflanze er nicht für seinen Sohn, vielleicht nicht mal für seine Enkel, sondern für deren Kinder. Noch heute könne er dasitzen und über den Wald staunen. Lutz Schorn sagt: „Dafür muss man dankbar sein.“

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