Opferschutz in Bonn Wenn die Wohnung für zehn Tage tabu ist

Bonn · Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Übergriffe durch den eigenen Partner oder die Partnerin um zehn Prozent auf 965 Fälle. Mehr als 80 Prozent der Täter sind Männer. Das neue Polizeigesetz bietet mehr Möglichkeiten.

Was kann die Polizei tun?

Nach einer Gewaltanwendung kann die Polizei den Täter der Wohnung verweisen und ein Rückkehrverbot für zehn Tage aussprechen, wenn die Gefahr weiterer Gewalthandlungen besteht. Dem Opfer wird eine Dokumentation des Einsatzes ausgehändigt. Diese ist wichtig, falls beim Familiengericht weiteren Schutz beantragt werden soll. Das ist in der Regel erforderlich, um den Gewaltkreislauf zu durchbrechen.

Die Polizei wird die Einhaltung des Rückkehrverbots während der Zehn-Tage-Frist unangemeldet überprüfen. Ein Verstoß kann mit Ordnungsgeld oder mit Ordnungshaft verfolgt werden. Sollte der Täter versuchen, während des Rückkehrverbots in die Wohnung zu kommen, sollte die Polizei auf jeden Fall informiert werden.

Die Zehn-Tage-Frist der Wohnungsverweisung gibt den Opfern die Möglichkeit, sich in Ruhe Beratung und bei einer Hilfeeinrichtung Unterstützung zu holen. Mit Einverständnis des Opfers vermitteln die eingesetzten Polizisten vor Ort einen Kontakt in der Nähe.

Was bedeutet zivilrechtlicher Schutz?

Mit dem Gewaltschutzgesetz werden Opfer häuslicher Gewalt deutlich gestärkt und die Täter stärker zur Verantwortung gezogen. Es ermöglicht dem Familiengericht, dem Täter langfristig ein Betreten der gemeinsamen Wohnung zu verbieten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um eine Eskalation der Gewalt in der Familie oder Beziehung zu unterbrechen. Außerdem können gegenüber dem gewalttätigen Partner Näherungsverbote und die Untersagung von Kontakten (Anrufe, Nachrichten per SMS, Fax, E-Mail, soziale Netzwerke) sowie anderer Formen der Belästigung ausgesprochen werden. Darüber hinaus kann das Gericht den Täter dazu verpflichten, der gefährdeten Person die gemeinsam genutzte Wohnung zumindest befristet (grundsätzlich für sechs Monate mit der Möglichkeit der Verlängerung um höchstens sechs weitere Monate) zu überlassen – unabhängig von der Frage, wer Allein- oder Miteigentümer oder Mieter der Wohnung ist.

Wie lässt sich zivilrechtlicher Schutz beantragen?

Opfer können sich an das Familiengericht wenden und eine Schutzanordnung beantragen, indem sie dort persönlich und/oder unter Hinzuziehung eines Anwalts vorstellig werden. Der Familienrichter kann bestimmen, dass der Täter oder die Täterin sich an Schutzanordnungen halten muss, zum Beispiel: Die gemeinsame Wohnung auch längerfristig oder dauerhaft zu verlassen, eine bestimmte Entfernung zum Opfer oder dessen Kindern einzuhalten oder jeglichen Kontakt zu meiden. Ein Verstoß gegen gerichtliche Schutzanordnungen ist eine Straftat gemäß Paragraf 4 Gewaltschutzgesetz und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Missachtet der Täter die Schutzanordnungen, ruft die Polizei dazu auf, sie unverzüglich zu informieren. Denn sie hat vom Gericht Kenntnis von der Schutzanordnung und kann weitere notwendige Maßnahmen zum Opferschutz treffen. Zu beachten ist, dass der Antrag auf zivilrechtlichen Schutz kostenpflichtig sein kann.

Hilfe und Unterstützung

Opfer häuslicher Gewalt empfinden ihre Situation oftmals als ausweglos. Professionelle Hilfe bietet einerseits die Polizei unter dem Notruf 110; im Internet sind auf www.frauennrw.de/gewalt/ index.php zahlreiche Frauenberatungsstellen verzeichnet. Ferner gibt es das kostenlose Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter 0 80 00 11 60 16. Mit Hilfe von Dolmetscherinnen ist eine Beratung in vielen Sprachen möglich, Anrufe werden streng vertraulich behandelt. Nach einer Erstberatung werden die von Gewalt betroffenen Frauen an eine Einrichtung vor Ort weitervermittelt (www.hilfetelefon.de). Weitere Anlaufstellen sind örtliche Frauenhäuser und Ehe- und Familienberatungsstellen.

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