Tag der Kriminalitätsopfer Wenn Männer Frauen schlagen

BONN · Der Weiße Ring ruft an diesem Samstag zum Tag der Kriminalitätsopfer auf. Im Fokus steht die häusliche Gewalt gegen Frauen. 2013 gab es 55 Fälle in Bonn. Der GA sprach mit Klaus Holtz vom Weißen Ring Bonn.

 Häusliche Gewalt: Fast immer ist es ein Mann, der seine Frau misshandelt.

Häusliche Gewalt: Fast immer ist es ein Mann, der seine Frau misshandelt.

Foto: dpa

Der Weiße Ring konzentriert sich dieses Jahr zum Tag der Kriminalitätsopfer auf das Thema Gewalt gegen Frauen. Warum?
Klaus Holtz: Eine aktuelle EU-Untersuchung hat ergeben, dass besonders Frauen immer wieder unter häuslicher Gewalt leiden.

Aber ist das denn hier ein Thema?
Holtz: Ja, sogar sehr. In Bonn genauso wie überall in Deutschland. Die Arbeit des Weißen Rings in Bonn spiegelt dies eindrucksvoll wider: Dreiviertel aller im Jahr 2013 betreuten Kriminalitätsopfer waren Frauen und Mädchen. "Stalking", sexueller Missbrauch, Vergewaltigung und insbesondere häusliche Gewalt machen fast die Hälfte der Straftaten aus, mit denen wir zu tun hatten.

Um was geht es denn genau bei häuslicher Gewalt?
Holtz: Nicht nur um sexuelle Gewalt, sondern besonders auch um Misshandlung, wenn also Männer ihre Frauen schlagen. Das ist strafrechtlich relevante Körperverletzung, die auch hier bei uns in Bonn am häufigsten vorkommt. Wir haben 2013 in 55 Fällen geholfen.

Der Täter ist bei häuslicher Gewalt immer der Mann?
Holtz: Ja, fast immer. Wir hatten von den 55 Fällen nur drei, in denen die Frau Täterin war.

Schlagen die Männer denn im alkoholisierten Zustand?
Holtz: Da gibt es alles: alkoholisiert, unter Drogen oder nüchtern. Bei muslimischen Männern ist meist kein Alkohol im Spiel, sondern Drogen oder eine geringschätzende Haltung gegenüber Frauen. Das ist unsere Erfahrung.

Wer ruft denn in den 55 Fällen pro Jahr um Hilfe?
Holtz: Die Frauen oder Nachbarn. Die rufen die Polizei an. Der Mann erhält dann in der Regel für zehn Tage ein Hausverbot, die Polizei nimmt ihm den Hausschlüssel ab. Die Frau hat somit nach dem Gewaltschutzgesetz zehn Tage Zeit, etwas gegen ihren Mann zu unternehmen. Aber viele werden dann wieder schwach, wenn der Mann auf Knien ankommt und schwört, er schlage nie wieder zu. Oder sie haben materielle Gründe, ihre Liebe wiederzuentdecken.

Haben Sie da einen bestimmten Fall vor Augen?
Holtz: Da gibt es den krassen Fall eines deutschen Paars, bei dem die Frau nach Schlägen drei Wochen im Koma lag. Sie war nicht zum ersten Mal von ihrem Mann schwer verletzt worden. Wir vom Weißen Ring hatten die Wohnung für sie mit einigem materiellen Aufwand abgesichert, dem Mann also den Zugang unmöglich gemacht. Als es ihr wieder besser ging, hieß es plötzlich, die Partner hätten sich wieder versöhnt. Wir können die Frau nur immer wieder schützen. Entscheiden, sich von ihrem Mann zu trennen, muss sie sich selbst.

Aus welchen gesellschaftlichen Kreisen kommen denn Ihre Fälle?
Holtz: Aus allen. Und wir beraten, wenn Kinder in der Familie sind, über Sorgerechtsfragen, darüber, wie man Schutz im Frauenhaus findet, wie man materielle Hilfen bekommt.

Beobachten Sie in den letzten Jahren Entwicklungen bei Gewalt gegen Frauen?
Holtz: Diese Gewalt gibt es seit Menschengedenken. Hier in Bonn sind es viele Fälle in Migrantenfamilien. Aber das Gute ist dabei, dass die Frauen, die meinetwegen aus Nordafrika gekommen sind, nach einiger Zeit bei uns wach geworden sind, ihre Rechte gegenüber dem Mann einzufordern. Sie trauen sich inzwischen viel mehr, gegen den Willen der Familie Hilfe zu holen und Anzeige zu erstatten.

Was kann denn jedermann tun, um zu helfen?
Holtz: Augen in der Nachbarschaft aufhalten und bei Gewalt die Polizei rufen. Es ist wichtig, häusliche Gewalt nicht totzuschweigen.

Zur Person

Klaus Holtz (71) ist ehemaliger Kriminalbeamter und seit 2007 ehrenamtlicher Außenstellenleiter des Weißen Rings Bonn und Umgebung.

Weißer Ring

Das Bonner Team des Weißen Rings betreut ein Gebiet von rund 560.000 Menschen und besteht aus 15 ausgebildeten ehrenamtlichen Mitarbeitern. Sie sind ein Teil des lokalen Opferhilfe-Netzwerks und Mitglied im Arbeitskreis Opferschutz Bonn-Rhein-Sieg sowie am Runden Tisch gegen häusliche Gewalt im Rhein-Sieg-Kreis.

Kontakt: Weißer Ring, Postfach 32 01 33, 53 204 Bonn, Telefon: 0228/71036097, E-Mail: klaus-holtz@online.de.

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