Kommunalwahl 2020 in Bonn Werner Hümmrich: „Bei Baugenehmigungen schneller werden“

Bonn · Die GA-Redaktion hat mit den aussichtsreichsten sechs Bonner Oberbürgermeisterkandidaten Interviews nach ganz besonderen Spielregeln geführt - sie saßen auf dem „Heißen Stuhl“. Den Anfang macht Werner Hümmrich von der FDP.

„Sehr unglücklich mit der Situation im Dienstleistungszentrum“: FDP-Oberbürgermeisterkandidat Werner Hümmrich im Interview mit Rüdiger Franz.

„Sehr unglücklich mit der Situation im Dienstleistungszentrum“: FDP-Oberbürgermeisterkandidat Werner Hümmrich im Interview mit Rüdiger Franz.

Foto: Benjamin Westhoff

Am 13. September wählen die Bonner den neuen Stadtrat, die Bezirksvertretungen – und das neue Stadtoberhaupt. Die Redaktion hat mit den aussichtsreichsten sechs Oberbürgermeisterkandidaten Interviews nach ganz besonderen Spielregeln geführt, bei denen es auf Faktenkenntnis, Klarheit und rhetorisches Geschick ankam – sie saßen auf dem „Heißen Stuhl“. Die Fragen an Werner Hümmrich von der FDP stellten Rüdiger Franz, Jutta Specht und Andreas Dyck.

Herr Hümmrich, Bonn will klimaneutral werden und den Autoverkehr reduzieren: Sind Sie für Umweltspuren nur für Bus und Radler auf den großen Ausfallstraßen? Auf welchen?

Werner Hümmrich: In Bonn ist das Problem ja immer die Breite des Straßenraums. Wir sind schon sicher, wir müssen den Verkehr neu aufteilen. Aber konkret, welche Straßen wir dafür benennen, das muss über die Verwaltung jetzt evaluiert werden. Die Kölnstraße zum Beispiel ist aus meiner Sicht zu klein, die Königswinterer Straße könnte sich anbieten.

Wie oft nutzen Sie selbst Bus, Bahn oder das Rad?

Hümmrich: Etwa bei 20 Prozent liegt insgesamt mein Nutzungsanteil, was den Nahverkehr betrifft. Ich bin jemand, der seit der Jugend gern mit der Bahn fährt. Jetzt ist es meist eine Ergänzung: Ich starte mit dem Auto und werde die letzten Meter mit der Bahn fahren oder mit dem Rad.

Eine Seilbahn auf den Venusberg: gute Investition?

Hümmrich: Also, man muss sie durchrechnen. Ich finde sie eine gute Alternative, um Verkehrsprobleme zu lösen. Aber ob sie wirklich die großen Probleme lösen kann, das muss evaluiert werden. Und vor allem müssen wir auch gucken: Welche Kosten bedeutet das eigentlich?

Zankapfel Cityring: Was halten Sie für die beste Lösung?

Hümmrich: Ich hätte mir gewünscht, wir würden einen erweiterten Cityring machen, das heißt die Rathausgasse vom Autoverkehr zu befreien, dort also nur die Busse durchlaufen zu lassen und den Restverkehr, der von dort zum Bahnhof muss, über die Fritz-Tillmann-Straße laufen zu lassen. Für den übrigen Verkehr hat sich der Linksabbieger am Belderberg bewährt, für den sich die FDP auch massiv eingesetzt hat. Also: Der erweiterte Cityring wäre unsere Wunschvorstellung.

Deutsche Städte bekommen die Möglichkeit, das Anwohnerparken teurer zu machen. Wären Sie dafür?

Hümmrich: Ich weiß nicht, ob das die Probleme löst. So teuer kann man es gar nicht machen, denn auch das ist ja begrenzt. Ich würde davon eher absehen wollen.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Wohnen in Bonn für jeden bezahlbar bleibt?

Hümmrich: Auf jeden Fall mehr Wohnflächen ausweisen. Bonn hat zu wenige Wohnflächen ausgewiesen. Wir müssen auch etwas schneller bei den Baugenehmigungen werden. Wir müssen privaten Investoren Anreize schaffen, dass sie überhaupt in Bonn bauen, denn der größte Teil des Wohnungsmarktes wird ja über die Privatwirtschaft zur Verfügung gestellt und weniger über die Wohnungsbaugesellschaften. Und wir müssen und wollen das Tempo bei der Vebowag, unserer eigenen Wohnungsbaugesellschaft, erhöhen, sodass wir da auch deutlich mehr Wohnungen pro Jahr erschaffen.

Bei vielen Wohnbauprojekten kommt sofort Gegenwind von Bürgerinitiativen aus der Nachbarschaft. Was sagen Sie denen?

Hümmrich: Na ja, auch sie wohnen ja in Bonn und wollen in Bonn wohnen bleiben. Ich habe Verständnis dafür, wenn sie sagen, in Bonn wird zu stark verdichtet. Das muss man auch ernst nehmen. Man muss auch die Verkehrsinfrastruktur und deren Probleme ernst nehmen. Keiner möchte massiven Verkehr vor seiner Straße und vor seinem Haus haben. Aber man muss auch bedenken: Sie wollten selber in Bonn wohnen, andere möchten auch in Bonn wohnen. Insofern muss man da schon einen Ausgleich schaffen.

Erst Bürgerbegehren, dann Bürgerwerkstatt, jetzt Stillstand: Was soll aus dem Viktoriakarree werden?

Hümmrich: Nun, wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, dass es wie früher mit Anton Dahm ein Einzelhandelsstandort wird und dass er weiterentwickelt wird. Dadurch dass Benko offenbar leider selbst keine weiteren Ideen hat, müssen wir erst einmal schauen, dass wir versuchen, es zurückzuerwerben, sodass wir Eigentümer des Objektes werden und dann entwickeln – weiter zu einem Einzelhandelsstandort, vielleicht zusammen mit der Universität und Kleinstbetrieben.

Hümmrich: Man muss sich sicherlich alle Kosten anschauen. Im Detail wird es schwierig, weil wir schon seit sechs Jahren den Haushalt konsolidieren. Das heißt, wir haben im Grunde schon versucht, ziemlich viel an Kosten herauszuquetschen. Aber ich denke, es wird immer noch Punkte geben, bei denen wir sehen: Hier gibt es vielleicht eine Doppelarbeit, wo wir Kosten sparen können. Wir werden uns Großprojekte angucken müssen, ob wir die in dieser Form so überhaupt noch umsetzen wollen.

Schließen Sie eine Erhöhung von Grund- oder Gewerbesteuer aus, wenn Sie OB sind?

Hümmrich: Ja. Ich möchte weder die Gewerbesteuer erhöhen, weil wir unsere Gewerbetreibenden ja eh schon hoch belasten, die ja schon mit 40 Prozent am Steueraufkommen beteiligt sind; wir können auch die Grundsteuer nicht weiter erhöhen, denn das betrifft auch die Mieten und würde die Attraktivität von Wohnraum schwächen. Insofern würde ich in meiner Oberbürgermeisterzeit an diese beiden Positionen nicht rangehen wollen.

Ist die Integration von Flüchtlingen seit 2015 gelungen?

Hümmrich: Weitestgehend ja. Ich finde, die Gesellschaft in Bonn war da sehr aktiv beteiligt, neben den Kirchen auch viele Private, die städtischen Einrichtungen haben einen guten Job gemacht, das hat Hand in Hand gut funktioniert. Es gibt sicherlich Dinge, die man verbessern kann, aber ich glaube, Bonn ist da sehr gut aufgestellt.

Die Corona-Krise zeigt, wie rückständig die Digital-Ausstattung der städtischen Schulen ist. Was wollen Sie tun?

Hümmrich: Mit Unterstützung des Landes – weil die Kommune gar nicht das große Geld hat – müssen wir da auch einen Investitionsschub machen in Richtung Digitalisierung. Das heißt also auch Ausstattung der Schulen mit Laptops oder iPads, denn nicht jeder Schüler hat so ein Gerät zu Hause, er braucht es aber heute. Das können Leihgeräte sein oder Ähnliches. Da müssen wir jetzt dringend ran, da haben wir großen Handlungsbedarf, und das sollte die Stadt auch unterstützen.

Auf Termine im Dienstleistungszentrum müssen die Bonner immer noch wochenlang warten, wenn sie Pech haben. Was läuft da seit Jahren falsch?

Hümmrich: Ich bin auch sehr unglücklich über die Situation. Man hätte es aus meiner Sicht in einem kleineren Rahmen evaluieren und sehen sollen, wie es testweise klappt, anstatt es über die ganze Stadt hinwegzustülpen. Auch hätte man differenzieren müssen: Welche Leistung kann ich zentral anbieten und welche dezentral. Ich glaube, da hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Man wollte eigentlich alles zentral anbieten, das war ein großer Fehler. Ich finde, die Stadt und ihre Angestellten sind für die Bürger da, insofern muss ein Dienstleistungszentrum dezentral vor Ort angeboten werden.

Nicht nur bei der Sanierung der Beethovenhalle wirkt das Städtische Gebäudemanagement überfordert: Soll die Stadt auf öffentlich-private Partnerschaft setzen, also Generalunternehmer, die schlüsselfertig bauen, oder sogar ganz auf Investoren?

Hümmrich: Ich glaube, in der Kombination liegt nachher die Wahrheit. Großprojekte wie die Beethovenhalle, das zeigt sich jetzt, hätte man besser mit einem Generalunternehmer gemacht. Da fehlen einfach teilweise die Kompetenzen, die Erfahrungen. Auch die Haftungsfragen sind über einen Generalunternehmer deutlich besser geregelt. So einen Schulneubau kriegt die Verwaltung ganz gut hin, auch wenn er wie bei der Bertolt-Brecht-Gesamtschule 20 Millionen Euro kostet. Aber die großen Sonderprojekte wie Beethovenhalle, Stadthalle Bad Godesberg oder Stadthaus und Oper würde ich immer mit einem Generalunternehmer machen aber durchaus auch mit Privaten.

Wie bewerten Sie das optische Erscheinungsbild von Straßen und Plätzen der Stadt?

Hümmrich: Ich glaube, Bonn hat da auch einen großen Vorschub nach vorne geleistet. Bonnorange hat sich ja umgestellt und reinigt jetzt viel öfter, das sieht man. Zurzeit hinkt es ein bisschen hinterher, ich weiß nicht, woran es liegt. Man sieht aktuell überfüllte Mülleimer. Aber durch die Erhöhung der Reinigungsintervalle hat sich das Bild schon verbessert. Aber es gibt leider immer noch einige Flecken, wo wir nachbessern müssen.

Befürworten Sie mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen? Wenn ja, wo?

Hümmrich: Gezielte Videoüberwachung an neuralgischen Plätzen würde ich unterstützen. Dies allerdings nicht nach Bauchgefühl, sondern dort, wo tatsächlich auch eine Gefährdung möglich ist. Ob die Sicherheit dann wirklich verbessert wird, weiß ich auch nicht, das Sicherheitsgefühl der Menschen ist immer sehr subjektiv. Partiell würde ich das schon unterstützen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Mehr Service
Kommentar zum Servicetelefon in Bonn Mehr Service
Aus dem Ressort