50 Jahre deutsch-französische Freundschaft Westerwelle und Fabius zu Gast in Bonn

Bonn · Es ist der erste Schultag nach den Sommerferien 1970. Mehr als 40 Fünftklässler - diese Klassenstärke war damals durchaus üblich - stehen an dem Septembermorgen umringt von deutschen und französischen Kamerateams und Journalisten in einem mit dunklem Holz ausgekleideten Sprachlabor des gerade eingeweihten Neubaus des Bonner Hardtberg-Gymnasiums.

Grund für den Medienrummel: Die Schule ist eines der ersten Gymnasien in NRW, die 1970 als Folge des Elysée-Vertrages einen bilingualen deutsch-französischen Zweig eingerichtet haben. Doch von diesem Ereignis wissen die meisten der Zehnjährigen, darunter auch die Autorin dieses Artikels, nichts.

Sie waren bei der Vertragsunterzeichnung gerade einmal zwei Jahre und freuen sich nun darauf, in den Kabinen des Sprachlabors, über das die heutige Computer-Generation wohl nur müde lächeln würde, Platz zu nehmen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist noch nicht einmal ein Jahr alt, als am 5. September 1962 der französische Präsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung in Bonn auf der Treppe des Alten Rathauses einer jubelnden Menschenmenge zuwinken und de Gaulle mit viel Pathos in der Stimme den berühmten Satz ausruft: "Es lebe Bonn, es lebe Deutschland, es lebe die deutsch-französische Freundschaft!"

Gestern, auf den Tag genau 50 Jahre später, steht der Außenminister neben seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius und Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch am selben Ort. Mit einem Bürgerfest und einer Podiumsdiskussion mit Schülern von Gymnasien aus Bonn und der Region wollen sie den Auftakt zum Jubiläumsjahr 50 Jahre Elysée-Vertrag feiern.

Schließlich, so Westerwelle und Fabius später im Rathaus in ihren Reden, haben de Gaulle und Adenauer nach vielen Jahrzehnten der erbitterten Feindschaft den Grundstein für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland gelegt. Daran erinnert ab sofort eine Gedenktafel vor dem Rathaus, die Westerwelle und Fabius mit Nimptsch und den beiden Schülern der Mehlemer Grundschule École de Gaulle-Adenauer, Thibaut (9) und Estelle (8), feierlich enthüllen.

"Das habt ihr prima gemacht", lobt Westerwelle die Kinder und Fabius streichelt ihnen anerkennend über den Kopf. Die beiden Außenminister geben sich ganz entspannt. Vor ihrem Besuch in Bonn haben sie im Adenauer-Haus in Rhöndorf gemeinsam zu Mittag gegessen.

Auf dem Markt winken und klatschen den Staatsmännern zwar nicht ganz so viele Menschen wie damals bei de Gaulle und Adenauer zu. Die Atmosphäre ist aber nicht weniger herzlich. Viele wollen Westerwelle und Fabius die Hand drücken, und dieser Bitte kommen sie gern nach. Sie baden regelrecht in der Menge, was aber nur die Bodyguards ins Schwitzen bringt. "Bon jour, bon jour" ruft ein älterer Herr Fabius zu und lacht.

Als junger Mann hat der 71-Jährige den denkwürdigen Auftritt de Gaulles in Bonn live miterlebt. "Das war unglaublich, als er sich so offen als Freund der Deutschen zu erkennen gab und dazu noch alles auf Deutsch sagte", erinnert sich der Mann, der selbst noch in einem Klima aufgewachsen ist, in dem Frankreich als Erzfeind der Deutschen galt.

Fabius spricht kein Deutsch. Noch nicht einmal "die drei Zeilen, die man mir auf Deutsch aufgeschrieben hat, kann ich auf verständliche Weise aussprechen", bedauert er bei der simultan übersetzten Diskussion im Gobelinsaal des Rathauses mit rund 100 Schülern und vielen Gästen aus Politik und Gesellschaft.

Zuvor haben sich die beiden Außenminister ins Goldene Buch der Stadt Bonn eingetragen. "Danke, es lebe Bonn, es lebe die deutsch-französische Freundschaft", zitiert er de Gaulle in seiner Muttersprache. Dann lobt er die Jugendlichen im Publikum. "Wie ich sehe, habt ihr keine Kopfhörer auf."

Die Lacher auf seiner Seite hat er, als er von einer Jugendfreundin erzählt. Die habe unbedingt Deutsch lernen wollen und sei deshalb ins Goethe-Institut zum Unterricht gegangen. Einmal begleitete er sie und lernte in nur einer Stunde doch ein wenig Deutsch: "Ich möchte ein Brot und fünf Brötchen." Fabius legt seinen jungen Zuhörern eindringlich ans Herz: Sie sollen die deutsch-französische Freundschaft nicht für selbstverständlich nehmen, sondern sie weiter aktiv mit Leben füllen.

Vor allem angesichts der Weltwirtschaftskrise und den großen Schwierigkeiten in der Eurozone sei es wichtig, "Europa wieder auf den Weg der Zukunft" zu bringen. Dabei spiele die deutsch-französische Freundschaft eine tragende Rolle. "Deutschland braucht Europa, Frankreich braucht Europa, Deutschland und Frankreich brauchen sich gegenseitig und beide brauchen Europa", sagt er.

Wie gern hätte Westerwelle als Kind Französisch gelernt. Der in Bonn aufgewachsene Minister besuchte aber zunächst die Freiherr-vom-Stein-Realschule, erzählt er, und damals lernte man dort nur eine Sprache. Englisch. Trotzdem liest er seine "aufgeschriebenen Zeilen" in leidlichem Französisch ab. Die Freundschaft mit Frankreich, die immerhin fast so alt ist wie er selbst, sei nach wie vor von beiderseitigem Vertrauen geprägt, betont Westerwelle.

"Das Besondere an der Freundschaft ist, dass es eine Freundschaft der Völker ist", sagt der FDP-Politiker und schlägt ebenfalls den Bogen zu Europa. Frankreich sei für Deutschland ein unverzichtbarer Partner beim Bau des europäischen Hauses von morgen, sagt der Bundesaußenminister.

Für Fragen bleiben den Schülern nur noch wenige Minuten. Draußen auf dem Markt, wo sich Vereine, Schulen und deutsch-französische Institutionen präsentieren, singt bereits auf der Bühne der Chor des Hardtberg-Gymnasiums. Doch Fabius und Westerwelle müssen weiter. Der Flieger wartet. Denn die Welt ruft.

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