Immobilienkredite Widerrufsmöglichkeit soll zeitlich begrenzt werden

BONN · Noch bis zum 21. Juni können Verbraucher gegen fehlerhafte Belehrungen in bestimmten alten Immobilienkreditverträgen vorgehen.

 Viele Immobilienbesitzer versuchen jetzt noch, ihre alte Finanzierung gegen ein günstigeres Darlehen einzutauschen. Dabei können sie zunächst das Gespräch mit ihrem Geldinstitut suchen.

Viele Immobilienbesitzer versuchen jetzt noch, ihre alte Finanzierung gegen ein günstigeres Darlehen einzutauschen. Dabei können sie zunächst das Gespräch mit ihrem Geldinstitut suchen.

Foto: picture alliance / dpa-tmn

Axel Vogel

Die Zeit drängt: Viele Immobilienkreditverträge enthalten eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung, und Kreditnehmer konnten bislang diese auch Jahre nach Vertragsschluss noch widerrufen. Verlockend ist dabei: Eine neuer Kreditvertrag könnte derzeit zu einem wesentlich günstigeren Zinssatz abgeschlossen werden, was Immobilienbesitzern hohe Kosten ersparen dürfte.

Viel Zeit zum Widerruf haben Verbraucher allerdings nicht mehr: Der Bundestag hat unlängst beschlossen, das „ewige Widerrufsrecht“ für ältere Verträge aus den Jahren 2002 bis 2010 auslaufen zu lassen, womit die europäische Wohnimmobilienkredit-Richtlinie umsetzt wird. Daher haben Verbraucher nur noch bis zum 21. Juni 2016 Zeit, um von einem möglichen Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Ob sich eine Prüfung seines Vertrages lohnt, erklären Experten.

Für wen die Prüfung seines Immobilienkreditvertrages grundsätzlich in Frage kommt, erklärt Kai Solmecke, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht: „Dies betrifft Verbraucherdarlehensverträge, die ab November 2002 geschlossen wurden“, sagt Solmecke, der dieses Fachgebiet auch im Bonner Anwaltverein betreut. „Vor diesem Zeitpunkt gab es bereits ein Widerrufsrecht, jedoch mussten die Banken über das Widerrufsrecht noch nicht in Textform belehren.“

Generell gilt nach Angaben des Juristen: „Bei älteren Darlehensverträgen ist die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung höher als bei jüngeren Verträgen.“ Dies liege daran, dass die Banken und Sparkassen ihre Belehrungen entsprechend der aktuellen Rechtsprechung teilweise nachgebessert haben. Dennoch seien sehr viele Verträge von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen betroffen. Konkrete Fallzahlen kann der Deutsche Sparkassen- und Giroverband in Berlin zwar nicht nennen, sagt Sprecherin Gabriele Teller. Es sei aber in der Tat so, „dass sowohl Banken als auch Sparkassen sich mit Wünschen verschiedener Kunden nach Auflösung ihres Immobilienkreditvertrages auseinandersetzen müssen“.

Eine Auswertung der Verbraucherzentrale NRW im Jahr 2014 ergab eine Fehlerquote von fast 70 Prozent sagt Markus Feck, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Typische Fehler in Widerrufsbelehrungen seien unter anderem ein unklarer Fristbeginn, eine unklare Fristdauer oder die Form des Widerrufs. Die Konsequenz einer falschen Widerrufsbelehrung ist laut Fachanwalt Feck grundsätzlich der noch mögliche Widerruf, „selbst wenn der Vertrag vor Jahren abgeschlossen wurde“.

Der Kreditnehmer kann den sogenannten Widerrufs-Joker ziehen und die „alte Finanzierung rückabwickeln, ein neues Darlehen für die Restschuld aufnehmen und vom aktuellen Rekordtief der Bauzinsen profitieren“.

Wie Verbraucher angesichts des Faktors Zeit vorgehen sollten, erklärt der Bonner Fachanwalt Kai Solmecke so: „Wir empfehlen, sich schnellstmöglich an einen Anwalt zu wenden. Spezialisierte Kanzleien können die Widerrufsbelehrung in der Regel innerhalb von einem Tag überprüfen.“ Um eine schnelle Bearbeitung zu ermöglichen, sollten Immobilienbesitzer vorab alle relevanten Unterlagen per Mail an den Rechtsanwalt senden.

„Dies sind insbesondere der Darlehensvertrag nebst Widerrufsbelehrung sowie der aktuelle Auszug des Darlehenskontos“, sagt Solmecke. Sofern das Darlehen bereits zurückgezahlt wurde, sollte auch dies mitgeteilt werden, denn auch die können widerrufen werden. „Der Widerruf muss dann spätestens bis zum 21. Juni erklärt werden“, betont er.

Dabei kostet auch die juristische Unterstützung Geld: „Grundsätzlich berechnet der Rechtsanwalt für die Prüfung der Widerrufsbelehrung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) eine Erstberatungsgebühr in Höhe von bis zu 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Auslagenpauschale“, sagt Kai Solmecke. Für die außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit entstünden weitere Kosten.

„In vielen Fällen übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten, wenn der Verbraucher bereits den Widerruf gegenüber der Bank erklärt, diese ihn zurückgewiesen hat und mit dem Darlehen kein Neubau oder eine genehmigungspflichtige bauliche Veränderung finanziert wurde“, ergänzt er. Auch wenn keine Rechtsschutzversicherung greife, lohnt sich seiner Meinung nach die Überprüfung der Widerrufsbelehrung und gegebenenfalls die Durchsetzung des Widerrufs: „Im Falle des erfolgreichen Widerrufs kann der Darlehensnehmer bezüglich der noch offenen Valuta bei einer anderen Bank zu marktüblichen Konditionen ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung an die alte Bank umschulden.“ Ob sich der Aufwand unterm Strich lohnt? „Die wirtschaftlichen Vorteile des Widerrufs liegen oft bei mehr als 10 000 Euro“, sagt Kai Solmecke.

Markus Feck, Finanzrechtsexperte der Verbraucherzentrale in Düsseldorf, sieht die unbedingte Durchsetzung kritischer: „In einem laufenden Darlehensverhältnis hat der Verbraucher nicht nur das Kostenrisiko, sondern zusätzlich das Problem, dass er sich um eine Alternativfinanzierung kümmern muss.“ Zudem sei der Widerruf kein Selbstläufer. Daher könnten Verbraucher nach Fecks Erfahrungen auch Erfolg haben, „wenn sie direkt das Gespräch mit der Bank suchen, ohne gleich mittels anwaltlicher Hilfe zu widerrufen“.

Ob ein klärendes Gespräch mit der Bank hilft, glaubt der Bonner Anwalt Solmecke eher nicht: „Nach unserer Erfahrung lassen sich die Banken nicht auf Gespräche bezüglich einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ein.“ Erst ein anwaltliches Schreiben führe unter Umständen zu einem Vergleichsangebot der Bank. „Meistens muss jedoch ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden“, sagt er.

Differenzierter sieht dies Gabriele Teller vom Deutscher Sparkassen- und Giroverband: „Neben der Frage der Wirksamkeit beziehungsweise Unwirksamkeit von Widerrufsbelehrungen, die in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird, haben Gerichte in vielen Fällen Klagen von Darlehensnehmern unter Hinweis darauf abgewiesen, dass es sich bei dem Widerruf um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten handele“. Instanzgerichte würden mittlerweile den sogenannten Widerrufsjoker laut Teller „zunehmend kritisch sehen, wie etwa die BGH-Terminankündigung für den 12. Juni 2016 zeigt“. Sie warnt: „Man sollte sich der Risiken eines Rechtsstreites also jederzeit bewusst sein.“

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