Handel und Wandel in der Innenstadt Wie Bonner Händler Kunden locken

Bonn · Rund hunderttausend Menschen passieren täglich das Areal um den Hauptbahnhof. Wie Bonns Einzelhändler um die Gunst der Kunden werben.

Durch die großen gläsernen Eingangstüren blitzt hinter Birkenästen polierter Chrom hervor. Einen Jaguar aus den 1950er Jahren hat Sinn-Geschäftsführer Erich Beyersdorff in das Kaufhaus am Münsterplatz fahren lassen. Auch wenn niemand den teuren Oldtimer anfassen darf, bleibt fast jeder Kunde, der über die Schwelle tritt, davor stehen. „Es geht darum, eine sympathische Atmosphäre zu kreieren“, sagt Beyersdorff. Und dafür seien nicht Rabatte entscheidend.

Der Einzelhandel hat es angesichts des wachsenden Onlinegeschäfts immer schwieriger. „Obwohl Bonn ein guter Standort ist, weil die Wirtschaftskraft gut ist“, sagt Beyersdorff. Bis Samstag hat er im Kaufhaus, das das größte der Sinn-Kette ist, ein Maifest ausgerufen. „Wir werfen aber nicht mit günstigen Preisen um uns.“ Stattdessen gibt es Maibowle, kleine Aufmerksamkeiten für die Kunden und Live-Musik. Es solle ein Fest sein, das auch die Mitarbeiter begeistere. „Denn vieles hängt von ihnen ab“, sagt Beyersdorff.

Beratung wird geschätzt

Er steht gerade vor dem silbernen Jaguar und unterhält sich mit zwei älteren Herren. Gerhard Schneider kommt häufig vorbei und schätzt die Beratung. „Wenn ich erst eine Viertelstunde einen Mitarbeiter suchen muss, der dann auch noch keine Ahnung hat und mir etwas vom Zettel vorliest, brauche ich nicht ins Geschäft gehen“, sagt er. Einen guten Service mache auch aus, dass von Dingen abgeraten werde. „Ich will ja nicht mit etwas nach Hause gehen, was mir nicht steht.“ Wer zufrieden sei, komme gerne wieder.

Etwa die Hälfte aller Kunden, die das Kaufhaus beträten, wisse noch nicht, was sie später mitnehme. „Jeder hat schon eine Hose an, wir müssen sie also dazu bringen, noch eine zu kaufen“, sagt Beyersdorff. Modische Aktualität sei dabei genauso wichtig wie Qualität – gerade bei teurer Kleidung. „Letztlich ist neben dem Service natürlich auch die Ware entscheidend.“

Während sich die Kunden bei Sinn Zeit lassen, geht es in der neuen Einkaufspassage unter dem Maximilian-Center hektisch zu. Rund hunderttausend Menschen passieren täglich das Areal um den Hauptbahnhof. Ein Hauptgrund, warum der Drogeriemarkt dm dort am Donnerstag seine fünfte Bonner Filiale eröffnet hat.

„Wir haben uns auf die Laufkundschaft im Bahnhof eingestellt“, sagt Filialleiter Theo Funke. So gibt es beispielsweise ein größeres Angebot an Getränken. Sonst entsprächen die Waren auf 580 Quadratmetern Ladenfläche denen in anderen Märkten. Trotz völlig anderer Artikel ist Funkes Ansatz dergleiche wie im Kaufhaus: „Wir heben uns mit Beratung von der Konkurrenz ab.“ Ganz auf Lockangebote will er aber nicht verzichten: In der ersten Wochen gibt es zehn Prozent Rabatt – das sorgte am Donnerstag für großen Andrang.

Kaiserstraße ist wesentlich ruhiger

Zwar liegt die Kaiserstraße in der Nähe des Hofgartens noch in der Innenstadt, spätestens seit der Kappung des Cityrings ist es dort aber wesentlich ruhiger. Das Hifi-Fachgeschäft FME von Klaus Anders und Sohn Jörg hält sich trotzdem. Als Spezialisten besetzen sie mit ihrem kleinen Geschäft eine Nische – seit mehr als 40 Jahren.

„Wir verkaufen nichts, was wir nicht auch selbst kaufen würden – und testen es ausgiebig“, sagt Jörg Anders. Der Kunde könne sich deshalb auf die Ware verlassen, anders als es häufig beim Online-Einkauf sei. „Und falls etwas nicht funktioniert, helfen wir auch nach dem Kauf weiter.“ Zudem versuchen sich die Anders an Alleinstellungsmerkmalen. Ihre neueste Errungenschaft ist eine Waschmaschine für Schallplatten. „Alte Platten sind wieder der Renner, darauf stellen wir uns ein.“

Der Vorsitzende des Bonner Einzelhandelsverbands, Jannis Vassiliou, sieht den Servicegedanken als richtige Strategie. „Man hat mit der Bequemlichkeit des Kunden zu kämpfen, aber das ist nichts Neues.“ Deshalb bedauert er wie viele seiner Händlerkollegen, dass die Deutsche Post das Onlineportal Allyouneed eingestellt hat, auf dem lokale Geschäftsleute ihre Waren vermarkten konnten. „Wir hätten uns gewünscht, dass man zur Einführung länger durchhält.“

Der Einzelhandelsverband will nun einen neuen Partner finden. „Wir sind in Verhandlungen mit mehreren Anbietern von Plattformen“, so Vassiliou. Man versuche das Projekt bis zum Weihnachtsgeschäft umzusetzen, wolle aber nichts überstürzen. „Es darf keine zweite Enttäuschung geben.“

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