Bönnsch-Kolumne Wie der Ich-Laut sich verändert hat

Bonn · Georg Cornelissen ist Sprachforscher beim LVR. Für den GA schreibt er über das Bönnsch, das man zu Beethovens Zeiten sprach – passend zum 250. Geburtstag des Komponisten. Damals waren die Laute „ch“ und „sch“ noch ganz verschieden.

 LVR-Sprachforscher Georg Cornelissen.

LVR-Sprachforscher Georg Cornelissen.

Foto: LVR

Die Erzählung „Dä Hond on dat Eechhohn“ haben Sie schon kennengelernt. Geschrieben wurde sie von Johanna Kinkel, der Text erschien 1849 im Bonner Verlag von W. Sulzbach. Der Textanfang lautet: „Dat Drückche wor eckersch esu gruß, dat it met dä Ooge üver dä Desch luure konnt, wa Weck‘ e Milch drob stond; it hatt‘ Höörcher wie Siggeflahs on Öögelscher wie Wachelderköönscher.“

Die kleine Gertrud („Drückche“) war also nur („eckersch“) so groß, dass sie gerade über den Tisch gucken konnte. Sie hatte Haare wie Seidenflachs und Äugelchen wie Wacholderkörnchen. „Drückche“ – „eckersch“ – „Desch“ – „Milch“ – „Höörcher“ – „Öögelscher“ – „Wachelderköönscher“: Was hier „ch“ und „sch“ geschrieben wurde, klingt im Bönnschen des Jahres 2019 identisch (oder fast identisch): „sch“, also „Drücksche“, „Desch“, „Milsch“ usw. Das liegt daran, dass der „ich-Laut“ im Dialekt inzwischen „koronalisiert“ wird, sich also zum „sch“ gewandelt hat. Zu Johanna Kinkels Zeiten waren diese beiden Laute noch ganz verschieden. Die Koronalisierung ist ein vergleichsweise junges Phänomen und hat den Raum Köln/Bonn erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfasst.

Über die Verkleinerungsformen wird ein andermal ausführlich zu reden sein, auch über deren auffällige Mehrzahlbildung: „Höörcher“, „Öögelscher“, „Wachelderköönscher“ – mit er! Hier hat sich viel getan, heute enden Ein- und Mehrzahl unisono auf „e“! Wer gegenwärtig des Bönnschen mächtig ist, nimmt sein koronalisiertes „ch“ (= „sch“) oft mit ins Hochdeutsche: Dann sind „isch“ und „misch“, „fresch“ und „mäschtisch“ zu hören. Will jemand solche Lautungen vermeiden, tut er oder sie des Guten manchmal zu viel. Dann wird jeder ich-Laut mit Sorgfalt artikuliert, aber das „echte“ „sch“ muss daran glauben: „Tich“ und „frich“ klingen durchaus wie das hochdeutsche „ich“ und „mich“. Zu Beethovens Zeiten aber waren die im Rhein oder im Godesbach lebenden Kiementiere noch echte „Fische“, keine „Fiche“.

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