Masche von Telefonbetrügern Wie falsche Polizisten eine Bonnerin reinlegen wollten

Bonn · Die Bonner Polizei registriert derzeit vermehrt Fälle von Betrügern, die sich als Polizisten ausgeben, rund 100 sind es seit Monatsbeginn. Eine 87-Jährige erzählt, wie sie fast um viel Geld gebracht worden wäre.

 Irene Gerhardt am Telefon: Die Bonnerin wurde fast von Betrügern reingelegt und will mit ihrer Geschichte andere warnen.

Irene Gerhardt am Telefon: Die Bonnerin wurde fast von Betrügern reingelegt und will mit ihrer Geschichte andere warnen.

Foto: Benjamin Westhoff

Erst nach rund drei Stunden war für Irene Gerhardt (Name geändert) der Spuk beendet. Telefonbetrüger hatten es auf die Bonnerin abgesehen, sich als Polizisten ausgegeben und die Seniorin mit einer ausgefeilten Geschichte um ihr Geld bringen wollen. „Es war ein ziemlich aggressiver Akt“, sagte die 87-Jährige. „Ich war froh, dass es vorbei ist.“

Diese Betrugsmasche beschäftigt die Bonner Polizei derzeit wieder häufiger. Rund 100 Fälle haben die Beamten in diesem Monat bereits registriert, teilte Polizeisprecher Simon Rott am Mittwoch mit. Bereits im August und September hatte die Polizei jeweils mehrere hundert Anrufe verzeichnet. Zuvor sei es nach Angaben des Sprechers einige Monate ruhiger gewesen.

Wie typisch für solche Betrugsversuche begann auch der Fall von Irene Gerhardt mit einem Anruf. Es war gegen 12 Uhr Mittags Ende September, als ihr Telefon klingelte. „Hier spricht die Polizei“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Bei einem Einbruch im Nachbarhaus der Dame wurden 32.000 Euro erbeutet. Der Täter sei gefasst worden. Allerdings sei bei ihm ein Zettel mit weiteren Anschriften und somit Einbruchszielen gefunden worden, auf dem sich auch ihre Adresse befinde.

Gerhardt hörte sich die Geschichte an. Dann wurde sie gefragt, ob sie Bargeld oder Schmuck im Haus habe. „Ich wurde misstrauisch und habe gefragt, ob er zu dieser Bande gehört“, erzählte sie. Der Anrufer erwiderte, er könne sich ausweisen, nannte eine Polizeinummer und mit Markus Schober einen Namen. Bei Misstrauen könnte sie ja die 110 anrufen und nach dem Namen fragen.

„Die Anweisungen kamen unglaublich schnell“

Für die Seniorin reichte das jedoch. „Ich habe da mein Misstrauen verloren.“ Und so leitete der Anrufer sie an den Kommissar Steinbach weiter. Der vermeintliche Beamte erklärte ihr, dass die Täter große Geldbeträge stehlen und in die Ukraine transferieren würden. Mit ihrer Hilfe wolle die Polizei den Täter auf frischer Tat schnappen. Gerhardt willigte ein. „Er war sehr freundlich und hatte eine sehr seriöse Männerstimme“, sagte die 87-Jährige über den Anrufer, der ihr zusicherte, Polizeischutz zu bekommen.

Der Anrufer sagte ihr, dass sie nun Geld abheben solle. Der Täter würde das sehen, die Polizei dann zuschlagen. Ihr Handy sollte die Frau immer anlassen und das Gespräch halten. „Ich wäre das Ohr der Polizei“, sagte ihr der Mann. Auf mögliche Bedenken gingen die Betrüger immer direkt ein. Sie beteuerten, dass sie keine Angst haben müsste. „Die Anweisungen kamen unglaublich schnell“, erzählte Gerhardt.

Masche ist nicht neu

Die 87-Jährige ging zur Bank. Geld bekam sie dort aber nicht. „Ich habe viel Glück gehabt“, sagt sie. Unter anderem meinte die Angestellte zu ihr, dass man hohe Beträge am Tag zuvor anmelden müsste. „Irgendwie war ich auch erleichtert“, sagte Gerhardt, die schließlich nach Hause ging. Das Gespräch mit dem Betrüger endete zwischendurch immer wieder, da Gerhardt das Handy in ihrer Tasche hatte. Schließlich hörte sie zu Hause auch nichts mehr, woraufhin sie die richtige Polizei unter der 110 anrief. Die kamen vorbei und nahmen die Anzeige auf.

Die Bonner Polizei bestätigte die Anzeige der Seniorin. „Die Masche, dass eine Mithilfe der Angerufenen notwendig ist, um Einbrecher oder Betrüger zu fassen, ist nicht neu“, sagte Simon Rott über den Fall. Allerdings: Trotz immer ähnlicher Muster stellt die Polizei Veränderungen im Vorgehen fest. „Beispielsweise versuchen die Betrüger aktuell gezielt, sich selbst als ‚richtige Polizei’ zu legitimieren, indem sie die Opfer die 110 oder die Nummer einer Polizeidienststelle wählen lassen“, erklärte der Sprecher. Häufig wählten die Opfer dann die 110 und erhalten akustische Signale am Telefon oder werden weiter verbunden. Allerdings beenden sie das Gespräch vorher nicht und bleiben so in der Leitung der Betrüger.

Die falschen Polizisten hätten ihr am Telefon immer wieder Suggestivfragen gestellt, sagte Gerhardt. „Die haben mich richtig irritiert. Sie setzen einen ständig unter Druck.“ Für die Polizei ein typisches Vorgehen. „Die Telefonbetrüger sind äußerst geschickt in der Gesprächsführung und können sich dabei auch den Reaktionen der Opfer anpassen und ihr Vorgehen ändern.“

Die meisten Anrufe scheitern

Nur selten haben die Betrüger Erfolg. „Rund 99 Prozent der betrügerischen Anrufe scheitern“, sagte Rott. Doch bei Erfolg erbeuten die Gauner häufig hohe Geldbeträge. Allein an einem Wochenende Mitte September haben Betrüger in Bonn mehrere zehntausend Euro ergaunert.

Die Ermittlungen gestalten sich für die Polizei als schwierig. Wenn die Angerufenen schnell auflegen, bleiben als Ermittlungsansätze nur die Angaben zum Gesprächsinhalt und mögliche Verbindungsdaten. „Die Anrufe werden in der Regel aus Callcentern in der Türkei heraus geführt“, erklärte die Polizei. So war es auch bei Irene Gerhardt. Wird die Polizei über mögliche Geldübergaben vorab informiert, konnten die Beamten jedoch wiederholt Verdächtige festnehmen. So auch am vergangenen Donnerstag. Nachdem sich eine 82-Jährige an die Polizei gewandt hatte, diese sich einschaltete und mit den Betrügern eine Geldübergabe vereinbarte, nahmen die Beamten einen 24-jährigen Geldabholer fest.

Mit ihrer Geschichte will Irene Gerhardt andere warnen. Sie selbst sei nun vorsichtiger. Vor allem aber ist sie froh, dass sie Betrüger keinen Erfolg bei ihr hatten. „Ich habe mehr Glück gehabt als Verstand.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort