WCCB Wie funktioniert der Paragraf 153a?

BONN · Eine Formel frustrierter Fahnder und Staatsanwälte lautet: "Vor dem Gesetz sind alle gleich - und die Reichen gleicher." Dahinter steckt meist der Paragraf 153a.

Nach dieser Vorschrift der Strafprozessordnung können Verfahren eingestellt werden, wenn die "Schwere der Schuld" dem nicht entgegensteht. Die Vorschrift war einst ergangen, um die von Strafverfahren überfluteten Gerichte zu entlasten. Insbesondere Massendelikte wie Ladendiebstähle und Verkehrsvergehen sollten so - meist gegen Zahlung eines Geldbetrags - zügig vom Richtertisch verschwinden.

1997 hatte der 4. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) Regeln für die "Verständigung im Strafprozess" aufgestellt, die der Große Senat des BGH 2005 bestätigte: Urteilsabsprachen sind zulässig, wenn sie öffentlich gemacht werden. Dabei bezog sich der BGH auf die Justizministerkonferenz ein Jahr zuvor, die erklärt hatte, Deutschlands Justiz arbeite an der Grenze ihrer Belastbarkeit.

Längst verkürzt der Ökonomie-Paragraf 153a jedoch nicht nur Ladendiebstahl-Verfahren, sondern häufig auch solche um komplexe Delikte der Wirtschaftskriminalität. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung wurden 2005 bei 11 705 Wirtschaftsstraftaten in Nordrhein-Westfalen nur in 844 Fällen Anklage erhoben und davon wiederum 721 Verfahren nach 153a gegen Geldauflagen eingestellt. Hunderttausende Fälle sollen es bundesweit sein, die gar nicht erst vor Gericht landen.

Zu den vielen Kritikern solcher Deals gehört Heribert Prantl, Journalist und ehemals Staatsanwalt. Er schrieb einmal: "Ich gebe Ihnen ein Geständnis, Sie geben mir dafür eine milde Strafe - dieser neue Strafprozess ist ein klassischer Tauschprozess. Das Geständnis erleichtert dem Richter die Arbeit; die milde Strafe erleichtert dem Angeklagten das Leben. So hat, wenn es so läuft, jeder etwas vom Deal. Nur die Gerechtigkeit steht womöglich etwas dumm da, aber die ist eh nicht Verfahrensbeteiligte." Prantl sieht in der Legalisierung des Deals "einen Kulminationspunkt in der noch kurzen Geschichte der Ökonomisierung des Strafverfahrens". Das Strafgesetzbuch werde so zum "Handelsgesetzbuch".

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