Interreligiöser Dialog Wie junge Bonner im Café Abraham gegen Vorurteile angehen

Bonn · Statt Cappuccino und Schokokuchen stehen im Café Abraham tiefe Gespräche auf der Karte. Hier diskutieren junge Bonner verschiedener Religionen über ihren Glauben. Sie räumen damit Vorurteile aus – eine Mammutaufgabe in der immer pluraler werdenden Stadtgesellschaft.

Organisieren des Café Abraham: Carina Simon, Sorit Achmed Ali, Désirée Ardelt, Margarita Gerl, Sofia Ullah und ESG-Hochschulpfarrer Michael Pues (v.l.).

Organisieren des Café Abraham: Carina Simon, Sorit Achmed Ali, Désirée Ardelt, Margarita Gerl, Sofia Ullah und ESG-Hochschulpfarrer Michael Pues (v.l.).

Foto: Julia Rosner

Wer im Café Abraham eine große Auswahl an Heißgetränken und Kuchenteilchen erwartet, wird überrascht sein. Statt Cappuccino und Schokoladenkuchen stehen hier tiefe Gespräche auf der Karte. Junge Bonner verschiedener Religionen treffen sich, um über ihren Glauben zu diskutieren.

Sofia Ullah ist Muslima und eine der Gründerinnen des Cafés in Bonn, das auf eine bundesweite Uni-Initiative zurückgeht. Um ein Kaffeelokal im klassischen Sinne handele es sich jedoch nicht, räumt die Lehrerin ein. „Die Idee ist, dass sich Menschen verschiedener Glaubensrichtungen in angenehmer Kaffeehausatmosphäre – wie früher in Österreich zum Beispiel – austauschen können.“ Für jedes Treffen werde deshalb ein gemütliches Setting in der Stadt ausgewählt. Das könne tatsächlich ein Café sein, muss es aber nicht, erklärt die 27-Jährige.

Jeder ist willkommen

So fand das jüngste Treffen der Initiative im Kirchenpavillon am Kaiserplatz statt. Der Name Abraham weist auf die Zielgruppe hin. Das sind, sagt Ullah, junge Gläubige der abrahamitischen Religionen, das heißt des Christentums, des Judentums und des Islam. Zwischen ihnen soll ein Trialog geschaffen werden. Doch die Teilnehmer sind längst nicht alle religiös. „Jeder ist willkommen, auch Interessierte, die atheistisch sind oder einer anderen Religion angehören“, sagt sie. Zu den Organisatoren gehören neben Ullah, die für die IHV, die Islamische Hochschulvereinigung, dabei ist, auch Vertreter der christlichen Unigemeinden, der ESG (Evangelische Hochschulgemeinde) und der KHG (Katholische Hochschulgemeinde). Aufgrund der geringen Anzahl an Gläubigen pausiert die Jüdische Hochschulgruppe momentan. Rund viermal im Jahr finden Treffen dieser Art statt.

Den Beginn des Abends markiert meist ein kurzer Impuls. Bei der jüngsten Veranstaltung zum Thema „Festkleben im Namen Gottes. Religion und Klimakrise“ waren das drei Videos. Darin haben Papst Franziskus, ein Iman und ein Pastor ihre Sichtweise auf die Schöpfung beziehungsweise den Umweltschutz erläutert. Eingeführt wurden die Videos durch die Organisatoren selbst. Sie sind es auch, die die Themen für die Abende in Absprache mit den Gästen heraussuchen. Meist sind es Fragestellungen zu aktuellen Themen aus den Nachrichten, aber auch unbequeme Themen wie Machtstrukturen in Religionen oder Geschlechterrollen kommen auf die Agenda.

Nach dem Input geht es in die Diskussion. Dafür werden die Teilnehmer in Kleingruppen aufgeteilt. „Unser Ziel ist, dass wir einen Austausch auf Augenhöhe erreichen“, so Ullah. Damit das gelingt, gibt es Regeln, die zu Beginn eines jeden Treffs vorgestellt werden. „Diese Leitlinien sollen einen respektvollen Austausch ermöglichen“, erklärt Margarita Gerl, die für die katholischer Seite im Orgateam vertreten ist. Ein respektvoller Umgang sei nicht immer selbstverständlich, wenn Menschen mit so verschiedenen Glaubensrichtungen aufeinandertreffen, sagt Gerl.

Mit dem Projekt wollen die Organisatoren auch gegen Ausgrenzung und Diskriminierung vorgehen. „Je mehr die Menschen verstehen, desto weniger Vorurteile haben sie“, sagt Gerl. Dennoch wisse auch sie, dass es nicht unbedingt die sind, die ausgrenzen, die sich für Projekte wie das Café Abraham interessieren. „Vor allem wir als Muslime sehen immer noch viele Vorurteile über unsere Religion in der Gesellschaft“, so Ullah. Projekte wie ihres seien eine gute Gelegenheit, dagegen gemeinsam anzukämpfen. Einig sind sich die beiden auch, dass es bislang noch zu wenige Projekte dieser Art gebe. Ullah: „Wenn, dann sind es eher ältere Leute, die sich für den interreligiösen Dialog interessieren. Das ist schade.“

Religion im Alltag

Das bestätigt auch Coletta Manemann, Leiterin des Amts für Integration und Vielfalt der Stadt Bonn. Sie hebt hervor: „Das Miteinander der Religionen wird in der Stadtgesellschaft wieder relevanter.“ Der Alltag vieler Bonner sei heute zwar nicht mehr so stark wie früher von Religion geprägt, durch Einwanderung und Flucht habe sich das jedoch verändert. „Auch auf die, die bislang wenig im Alltag mit Religion in Berührung gekommen waren, hat das einen Einfluss“, so Manemann. Als Beispiel nennt sie die städtischen Schulen, wo Kinder und Jugendliche mit den verschiedensten religiösen Hintergründen, Einstellungen und Wissensständen aufeinandertreffen. „Religion spielt hier eine große Rolle und wird viel diskutiert“, weiß sie. Demnach sei es besonders wichtig, dass Wissen vermittelt wird.

Auf städtischer Ebene sei der Arbeitsbereich „Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften“ beim Amt für Integration und Vielfalt angesiedelt. Zudem wurde 2011 ein „Rat der Religionen“ gegründet (siehe Infobox). Auch unabhängig organisierte Initiativen wie das Café Abraham seien wichtig, lobt Manemann. „Das Wichtigste ist, dass in den Dialog getreten wird und man sich respektiert. Nur so kann ein friedliches Miteinander nachhaltig funktionieren.“

Dass das Café Abraham nachhaltig fernab des Dialogs zwischen den Religionen wirkt, dafür stehen die Organisatoren selbst. Ullah: „Wir im Orgateam arbeiten schon so lange zusammen, dass ich sagen kann, da sind echte Freundschaften entstanden – über die Grenzen der Religionen hinaus.

Zeit und Ort des nächsten Cafés Abraham geben die Initiatoren in wenigen Wochen auf www.facebook.com/cafeabrahambonn bekannt.