Neues Bonner Institut erforscht und lehrt konstruktiven Journalismus Wie Medien dazu beitragen können, die Welt zu verbessern
Bonn · Krieg in der Ukraine, Corona-Pandemie, Klimawandel und Flutkatastrophe an der Ahr: Die Welt ist voll von schlechten Nachrichten. Und die Bedrohungen rücken näher. Was kann der Journalismus dazu beitragen, dass die Menschen nicht resignieren? Das neu gegründete bonn institute will erforschen und lehren, wie konstruktiver Journalismus dazu beitragen kann, die Probleme nicht nur kritisch zu beleuchten, sondern sie mit Hilfe von funktionierenden Beispielen zu beheben.
Für den dänischen Journalisten Ulrik Hagerup, einen der Väter des konstruktiven Journalismus, steht fest, dass „Polarisierung die nächste Pandemie“ ist. Und auch der US-Journalist Jay Rosen, der ebenfalls zur Eröffnungsfeier des neuen Bonner Instituts an der Rabinstraße 1 angereist ist, endet die lösungsorientierte Auseinandersetzung in einer Gesellschaft, wenn nur noch die Empörung regiert und die Menschen angesichts der weltweiten Probleme und Bedrohungen den Kopf in den Sand stecken, weil sie keinen Ausweg mehr sehen.
„Wir müssen den Journalismus weiterentwickeln“, glaubt Ellen Heinrichs, Gründerin und Geschäftsführerin des Instituts. Nach einer Phase, in der sich Medien mit den Herausforderungen Digitalisierung beschäftigt haben, neue Techniken, Produkte und Bezahlmodelle im Netz umgesetzt haben, um zu überleben, müsse es nun in einem zweiten Schritt um die Inhalte gehen. Die Fragestellung dazu lautet: „Was müssen wir tun, um morgen noch relevant zu sein?“ Dabei geht es laut Heinrichs zuallererst darum, die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt des journalistischen Handelns zu stellen und dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Für die Journalistin, die viele Jahre für die Deutsche Welle gearbeitet hat, kann das nur gelingen, wenn statt der Gegensätze auch die Gemeinsamkeiten betont werden, um dem zunehmenden Glauben, dass die Welt unrettbar verloren sei, Schritt für Schritt Lösungen entgegenzusetzen.
An den Erfolgen messen
„Wir müssen es gemeinsam machen“, findet Heinrichs und hat hartnäckig um Partner für ihre Institutsgründung geworben, die von einem bald achtköpfigen Team umgesetzt wird. Eine „Vertrauenskrise in die Institutionen, die gleichermaßen für Politik wie Journalismus gilt“, hat Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei, ausgemacht. Dieser mit nutzerorientiertem Journalismus zu begegnen sei einer der Gründe für das Land, die Anschubfinanzierung für das gemeinnützige bonn institute zu übernehmen. Als Gesellschafter sind Ulrik Hagerups Constructive Insitute im dänischen Aarhus, RTL Deutschland , die Deutsche Welle und die Rheinische Post Mediengruppe und als Kooperationspartner die Bonner Universität mit an Bord.
„Es ist nicht die Theorie, die uns interessiert, sondern die Praxis“, machte Moritz Döbler, Chefredakteur der Rheinischen Post, deutlich. Denn Reichweite und Relevanz zählten für alle Medien, sodass lösungsorientierter Journalismus sich auch an seinen Erfolgen messen lassen müsse. Für Gerda Meuer, Programmdirektorin der Deutschen Welle, kein Gegensatz: „Unsere Nutzer goutieren lösungsorientierten Journalismus“. Er erziele messbare Relevanz.
OB Dörner zählt zu den Fans
Dass auch sie zu den Fans von konstruktiven Ansätzen in den Medien und dem neuen Institut zählt, daraus machte Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner keinen Hehl, auch wenn es weiter darum gehe, „den Finger in die Wunde zu legen“. Vielmehr setze es die Handelnden unter Zugzwang, wenn neben der kritischen Auseinandersetzung mit den Problemen aufgezeigt werde, wo in anderen Städten für Verkehrsprobleme oder Klimawandel bereits erfolgreiche Lösungen praktiziert werden.
Die guten Beispiele anderer als Blaupause anzubieten, wie zum Beispiel in der jüngst erschienenen GA-Serie „Klimawandel in Bonn“ praktiziert, hält auch Jay Rosen für das Mittel der Wahl, um konstruktiven Journalismus in den Nachrichten-Mix der Meiden zu integrieren: „Wir müssen erkennen, dass es für alle unsere Probleme irgendwo auf der Welt bereits eine Lösung gibt.“ Diese aufzuzeigen sei eine der vielfältigen Rollen der Medien. Denn, da waren sich alle einig: Die Welt ist heute zu komplex, um in den alten Mustern zu verharren, in denen Journalisten sich darauf beschränken, Missstände aufzudecken, und Politiker die Probleme zu lösen haben. Oder, wie Gründerin Ellen Heinrichs es sagt: „Der Journalismus der Zukunft muss ein Dienstleistungsberuf sein.“