Ehemaliger Oberbürgermeister Wilhelm Spiritus wollte Eisbahnverkehr in Bonn hochlegen

Bonn · Wilhelm Spiritus war fast 30 Jahre Oberbürgermeister der Stadt Bonn und hätte es sich damals fast mit Kaiser Wilhelm II. verscherzt. Das Stadtmuseum blickte auf sein Leben zurück.

 Kai-Ingo Weule schlüpfte in die Rolle von Wilhelm Spiritus aus dem Jahr 1915.

Kai-Ingo Weule schlüpfte in die Rolle von Wilhelm Spiritus aus dem Jahr 1915.

Foto: Niklas Schröder

Er veränderte Bonn hin zu einer modernen Stadt: Fast 30 Jahre, und zwar von 1891 bis 1919, war Wilhelm Spiritus Oberbürgermeister. Bei einer Führung im Stadtmuseum erfuhren Besucher interessante Anekdoten über die Bonner Persönlichkeit. Kai-Ingo Weule schlüpfte dafür in die Rolle von Spiritus aus dem Jahr 1915. „Das mache ich, um den Menschen die Geschichte besonders nahbar zu machen“, erklärte der Museumspädagoge. Im dunklen Frack erzählte Weule aus der Ich-Perspektive und brachte die Besucher zum Schmunzeln.

Thematisiert wurden die Person Wilhelm Spiritus, das Leben, was er führte, und Einblicke in seine Politik. In seiner Amtszeit war er maßgeblich für die Umgestaltung Bonns zu einer damals hochmodernen Stadt mit Gas- und elektrischer Stromversorgung, unterirdischer Kanalisation und der ersten festen Rheinbrücke verantwortlich. Hinzu kam eine innovative Stadtverwaltung, die die neuesten technischen Errungenschaften ihrer Zeit nutzte wie Telefone, Schreibmaschinen und erste Vervielfältigungsgeräte.

„Sein Kernwirken war, Bonn zu einer modernen Stadt umzugestalten mit Elektrifizierung und Kanalisation sowie eine moderne Verwaltung zu schaffen.“ Die Besucher konnten einen originalen Soennecken-Schreibtisch anschauen und standen im großbürgerlichen Speisezimmer um 1900. In seiner Amtszeit sollen Spiritus drei große Fehler unterlaufen sein, erzählte Weule. Etwa der Abriss des Sterntores, das im Nachhinein wieder aufgebaut wurde. Aber auch den Eröffnungstag der Rheinbrücke auf den 17. Dezember zu legen, sei keine gute Entscheidung gewesen, so der Geschichtspädagoge. Denn „zum Fortschritt einweihen“ käme der Kaiser eben nur bei „Kaiserwetter“. Da die Brückeneröffnung aber nicht im Sommer erfolgte, habe sie nicht die nationale Bedeutung erfahren.

Auch der dritte Fehler habe etwas mit Wilhelm II. zu tun gehabt: „Seit der Eingemeindung Endenichs und Dottendorfs im Jahre 1904 wird Bonn durch eine Eisenbahnstrecke geteilt.“ Im Rat sei daher überlegt worden, die Leitungen tieferzulegen – die Überlegungen scheiterten damals aber am finanziellen Spielraum, erzählte Weule. „Das Geld war in die Rheinbrücke gesteckt worden.“ Der Rat habe anschließend beschlossen, die Bahnstrecke in die Hochlage zu legen, sodass der Verkehr von Endenich und Dottendorf durch Unterführungen in das Zentrum geleitet werden könnte. Warum die Bonner aber noch heute vor geschlossenen Schranken stehen, habe mit dem Veto des Kaisers zu tun, führt Weule aus. Der Kaiser habe den Ratsbeschluss kassiert mit dem Argument, dass er dann nicht mehr nach Bonn kommen werde. Mit der Hochlage der Eisenbahn verschandeln die Bonner den freien Blick auf das Siebengebirge, soll sich der Kaiser empört haben. Der Ratsbeschluss wurde unmittelbar zurückgezogen. Übrigens: Wilhelm II. war häufig in Bonn zu Besuch. Allein siebenmal besuchte der Kaiser die Beethovenstadt in der Amtszeit von Spiritus.

Eine Reise in die Bonner Vergangenheit gibt es auch am Sonntag, 24. Oktober. Dann findet im Stadtmuseum von 14.30 bis 17 Uhr ein Familientag unter dem Motto „Bonn in der Steinzeit“ statt. Unter anderen werden Feuersteinabschläge hergestellt, steinzeitliche Amulette aus Speckstein gebastelt sowie mit Natur- und Steinfarben gemalt. Der Eintritt kostet für Erwachsene sechs Euro, für Kinder vier Euro. Infos gibt es unter www.bonn.de/stadtmuseum.

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