Sozialer Wohnungsbau „Wir dürfen die Fehler der 1960er und 70er Jahre nicht wiederholen“

Im Interview befürwortet Sozialdezernentin Carolin Krause im Einzelfall eine 100-prozentige Förderquote. Die Kosten, die die Stadt für Unterkunft jährlich aufbringen muss, liegen bereits bei 120 Millionen Euro. Krause begrüßt deshalb die Einführung der 30-Prozent-Quote für den geförderten Wohnungsbau.

 "Ich bin sehr froh, dass die 30-Prozent-Quote in Bonn gilt": Sozialdezernentin Carolin Krause.

"Ich bin sehr froh, dass die 30-Prozent-Quote in Bonn gilt": Sozialdezernentin Carolin Krause.

Foto: Max Malsch

Wer hat Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS)? Was sind die Kriterien?

Carolin Krause: Einen WBS kriegt jeder, der sich nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhält. Vorgeschrieben ist eine Aufenthaltsgenehmigung von mindestens einem Jahr. Dazu darf er die Einkommensgrenze nicht überschreiten. Wir gehen von den bereinigten Bruttoeinkommen aus, also vom Bruttoeinkommen abzüglich bestimmter Frei- und Abzugsbeträge, etwa Krankenversicherung oder Rentenbeitrag. Die Grenze liegt bei einem Ein-Personen-Haushalt bei 18 430 Euro im Jahr. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt liegt es bei 22 210 Euro. Für jede weitere erwachsene Person kommen 5 100 Euro dazu. Bei Kindern sind es 5 760 Euro zusätzlich. Demnach erhält eine Familie mit zwei Kindern bis zu einem Einkommen von rund 34 000 Euro im Jahr einen WBS, um eine geförderte Wohnung mieten zu können.

Für wie viele Bonner übernimmt die Stadt Bonn die komplette Miete ?

Krause: Es sind zurzeit rund 40 000 Personen, also 12,5 Prozent der Bonner Bevölkerung. Dazu zählen alle Arbeitslosengeld II-Empfänger, Grundsicherungsempfänger sowie Asylbewerber. Die Unterbringungskosten der Stadt Bonn betrugen im vergangenen Jahr 120 558 873 Euro.

Und wie viele Menschen bekommen einen Wohngeldzuschuss?

Krause: Das sind laut dem Statistischen Landesamt NRW in Bonn 2 872 Personen. Das sind Bürger, die keine Transferleistungen beziehen, sondern berufstätig sind, aber mit ihrem Einkommen in etwa auf dem Niveau des Hartz-IV-Satzes oder nur leicht darüber liegen. Im Schnitt sind das etwa 208 Euro pro Person. Macht zusammen rund 600 000 Euro.

Gibt es noch andere Formen der städtischen Unterstützung beim Thema Wohnen?

Krause: Es gibt die städtische Wohnungsvermittlung, die die Menschen vor allem beratend bei der Wohnungssuche zur Seite steht. Dann haben wir die Fachstelle für bedarfsgerechtes Wohnen, die sich insbesondere um Menschen mit Behinderung, Senioren und kinderreiche Familien kümmert. Dazu kommt der Fachbereich Wohnungssicherung, der sich zum Beispiel dann einschaltet, wenn einer Familie mit Kindern die Räumungsklage droht, weil die Miete nicht gezahlt wurde. Es besteht dann die Möglichkeit, dass die Stadt in Vorleistung tritt und die Eltern das Geld in Raten zurückzahlen. In Notfällen hat die Stadt auch das Recht, eine Wohnung zu beschlagnahmen, um den Mieter zu schützen.

Wie hoch schätzt die Stadt die Zahl der Personen ein, die einen Anspruch auf einen WBS haben, ihn aber nicht beantragen?

Krause: Nach Aussage des früheren NRW-Bauministers Michael Groschek hat jeder zweite Bürger in NRW einen Anspruch. In Bonn sind es vielleicht etwas weniger, aber ich denke, wir liegen schon nahe an 50 Prozent. Viele Menschen beantragen ihn allerdings nicht, weil sie aufgrund des Mangels ja kaum Aussicht haben, in Bonn eine geförderte Wohnung zu finden.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein? Werden die geplanten Bauvorhaben ausreichen?

Krause: Zum einen bin ich sehr froh, dass sich jetzt etwas bewegt und die 30-Prozent-Quote in Bonn gilt. Wenn das alles, was jetzt geplant ist, zeitnah umgesetzt wird, bessert sich die Lage sicherlich, aber reichen wird es trotzdem nicht, weil wir gar nicht die Bauflächen haben, um dem tatsächlichen Bedarf gerecht werden zu können.

Auf dem Gelände der ehemaligen Poliklinik soll 100 Prozent geförderter Wohnungsbau entstehen. Halten sie das noch für verträglich?

Krause: Grundsätzlich ist es sicher sinnvoll, kleinteilig zu bauen und die Wohngebiete gut zu mischen. Im Einzelfall kann aber eine 100-Prozent-Quote durchaus auch sinnvoll sein, um nennenswerte Zahlen zu erzielen.

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund, dass sich viele Bürger gegen geförderten Wohnungsbau in ihrer Nachbarschaft wehren?

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