Interview mit Bernhard von Grünberg Welche Probleme der Mieterbund in Bonn sieht

Bonn · Seit 100 Jahren ist der Mieterbund in Bonn und Umgebung für die Belange von Mietern aktiv. Viele Themen und Probleme haben sich im Laufe der Jahre kaum verändert. Mit Bernhard von Grünberg, dem Vorsitzenden des Mieterbundes, sprach darüber Rüdiger Franz.

Teures Pflaster: Je zentraler die Lage, desto teurer sind die Mieten im Bonner Stadtgebiet. Der Mieterbund fordert, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Teures Pflaster: Je zentraler die Lage, desto teurer sind die Mieten im Bonner Stadtgebiet. Der Mieterbund fordert, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Foto: Volker Lannert

Herr von Grünberg, der Bonner Mieterbund ist hundert Jahre alt geworden. Wie war das Jubiläumsjahr?

Bernhard von Grünberg: Sehr intensiv. Wir haben eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt, beispielsweise im Pantheon Politik und Kabarett zusammengebracht oder eine wohnungspolitische Konferenz im Frauenmuseum für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis.

War es lehrreich?

Grünberg: Man stellt fest, dass es über all die Jahre um dasselbe ging: Das ewige Auf und Ab in der Wohnbaupolitik im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage und zwischen Hoch- und Niedrigzins. Einschneidend war beispielsweise das Scheitern der „Neuen Heimat“, die in einer Hochzinsphase sehr viel gebaut hatte, was danach aber durch die Mieten nicht refinanzierbar war. In der Folge ist zudem die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft worden – ein gravierender Fehler. Viele Menschen sind nach Tannenbusch oder nach Medinghoven gezogen, weil sie davon ausgingen, dort dauerhaft bei einem sozialen Vermieter wohnen zu können. Nun sind sie mit börsennotierten Unternehmen konfrontiert, die vor allem hohe Ausschüttungen für ihre Anleger anstreben.

Wie beurteilen Sie in diesem Umfeld einen relativ kleinen Akteur wie die Vebowag?

Grünberg: In ihrer Baupolitik hat sich vieles zum Guten verändert, allerdings agiert sie noch immer zu unflexibel. Dass sie zum Beispiel fünf Millionen Euro als Eigenkapitalaufstockung bei der Stadt liegen hat und davon keinen Gebrauch macht, ist unklug. Möglich wäre es ja, jenseits der eigenen Grundstücke zu bauen. Darüber hinaus sagt die Vebowag selbst, allein könne sie die Wohnungsprobleme Bonns nicht lösen. Unterm Strich brauchen wir also mehr Gesellschaften wie die Vebowag und stärkere Anreize für den verantwortungsvollen privaten Markt.

Und Ihre Schlussfolgerung?

Grünberg: Wir müssen sehr viel mehr öffentlich geförderte Wohnungen bauen. Denn schon jetzt hätte die Hälfte der Bonner aufgrund ihrer Einkommenssituation einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Diese Quote wird sich noch erhöhen, weil die zunehmende Zahl der Älteren in diese Gruppe hineinwächst oder häufig junge Menschen mit einem zunächst geringeren Einkommen.

Verstehe ich Sie richtig, dass nur der Anspruch besteht, in Wirklichkeit der Schein aber oft nicht beantragt wird?

Grünberg: Ja. Mehr als 3000 Bürgerinnen und Bürger haben ihn beantragt. Die anderen sparen sich die Gebühren für den Wohnberechtigungsschein, weil sie ohnehin keine Chance auf Vermittlung einer öffentlich geförderten Wohnung haben. Viele scheuen auch einen Umzug, obwohl ihre jetzige Wohnung eigentlich zu teuer, zu klein oder zu groß ist.

In Bonn wird ja durchaus gebaut. Wird also das falsche Segment bedient?

Grünberg: Die Baupolitik sollte jedenfalls der Einkommenssituation der Bevölkerung berücksichtigen. Hinzu kommt das Bevölkerungswachstum, dieses soll bis 2040 um zehn bis 15 Prozent steigen, also mindestens um 32 000 Menschen. Eine Wohnung wird in Bonn im Durchschnitt von zwei Personen bewohnt, also müssten wir in dieser Zeit um die 16.000 Wohnungen bauen. Davon sind wir meilenweit entfernt. Eine Folge ist, dass die Mieten stark steigen und viele aus Bonn wegziehen müssen, weil sie sich hier keine Wohnung leisten können.

Was bedeutet: Es gibt mehr Pendler.

Grünberg: Ja. Bereits jetzt pendeln etwa 50 Prozent der Beschäftigten nach Bonn hinein. Mehr pendeln bedeutet größere Klimabelastungen in dem „Klimakessel“ Bonn, größere als bei den meisten geplanten Bauprojekten.

An welchem der vielen Parameter soll man denn Ihrer Ansicht nach den Hebel ansetzen?

Grünberg: Sicher, die verfügbaren Grundstücke in Bonn sind minimal. Deshalb sollte endlich die geplante Grundstücksentwicklungsgesellschaft mit ihrer Arbeit beginnen, die genau dieser Aufgabe nachkommen soll. Auch das Planungsamt war viele Jahre lang unterbesetzt, weil lange Zeit nicht mit Zuzug und Bevölkerungswachstum gerechnet wurde.

Wo wären Neubauten in signifikanter Größe überhaupt realistisch?

Grünberg: Eines meiner Lieblingsbeispiele sind die Flächen zwischen Meßdorf und der Grenze zu Alfter, die sich schnell erschließen ließen. Auch die ehemalige Stadtgärtnerei am Meßdorfer Feld ist bereits versiegelt und wäre eine Option. Man kann auch darüber nachdenken, bestehende Kleingärten – zum Beispiel aufs Meßdorfer Feld – umzusiedeln und die frei werdenden Flächen zu bebauen. Auch auf Friedhöfen haben wir bei zunehmender Zahl von Urnenbestattungen Platz, den man für Kleingärten nutzen könnte. Wir brauchen da insgesamt mehr Phantasie. Ganz zu schweigen vom Stillstand bei vielen brach liegenden Objekten – von der alten Poliklinik über die Diplomatenschule bis hin zum Landesbehördenhaus oder dem ehemaligen Schlachthofgelände.

Der Widerspruch der Verfechter von Frischluftschneisen wird Ihnen sicher sein. Derweil geht es mit der Rahmenplanung für das Bundesviertel hingegen voran. Was sagen Sie dazu?

Grünberg: Ich halte es für eine überkommene Vorstellung von Stadt, dass dort einseitig ein Bürostandort geplant wird und das Thema Wohnen nahezu außen vor bleiben soll – dies nicht zuletzt angesichts der bereits bestehenden Verkehrsprobleme. Es gibt viele Stadtteile in Bonn, in denen Büros errichtet werden können oder schon bestehen. Auch eine Kooperation mit dem Rhein-Sieg-Kreis sollte möglich sein, um entstehende Bürostandorte auch in das Bonner Umland zu verteilen. Wer noch mehr Verkehrsprobleme vermeiden will, muss Wohnen und Arbeiten möglichst zusammenbringen. Schon jetzt ist Bonn „Staustadt Nummer eins“.

Demgegenüber stehen auch in den zentralen Bonner Stadtteilen viele Wohnungen sichtbar leer. Was tun?

Grünberg: Das ist in der Regel ein Verstoß gegen die Zweckentfremdungsverordnung, der Bußgelder nach sich zieht. Leider ist das Amt für Soziales und Wohnen personell nicht ausreichend aufgestellt und es fehlt an Konfliktbereitschaft. Ein besonderes Problem sind die Kurzzeitvermietungen durch Internetportale wie Airbnb. Auch diese sind verboten. Deswegen fordern wir, aber auch die Stadt, eine Registrierungspflicht für die einzelnen Wohnungen. Das geht nur durch Nachschärfung des Wohnungsaufsichtsgesetzes durch das Land NRW. Hier sind wir möglicherweise auf gutem Weg. Airbnb hat uns vor etwa zwei Jahren mitgeteilt, dass sie alleine in Bonn die Kurzzeitvermietung von rund 1200 Wohnungen vermitteln. Diese Zahlen sind mit Sicherheit gestiegen. Wir können gar nicht so viele Mietwohnungen bauen, wie etwa Airbnb dem normalen Mietermarkt wieder entzieht.

Was sagen Sie zur Mietpreisbremse?

Grünberg: Ich halte sie grundsätzlich für richtig. Allerdings plädiere ich dafür, die bestehenden Instrumente der Mietpreisdeckelung anzuwenden, damit die Stadt mehr Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen kann. Die Mittel sind da: Wer 20 Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt, muss mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro rechnen. Wenn die Stadt davon konsequent Gebrauch machte, würde das die massiven Mietsteigerungen beeinflussen. Ohnehin schöpft die Stadt ihren Spielraum in vielerlei Hinsicht nicht aus, sei es bei Milieuschutzsatzungen, sei es zum Beispiel bei der Möglichkeit des Vorkaufsrechts.

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