Neue Stadtquartiere in Bonn Wo es bei der Einführung einer Gesellschaft für Stadtentwicklung hakt

Bonn · In Köln führt eine eigene Stadtentwicklungsgesellschaft Regie, wenn es um neue Stadtquartiere geht. In Bonn ist so ein Instrument, das die städtische Planung unabhängiger von Investoren macht, längst beschlossen. Es hakt aber bei der Umsetzung.

Ein großes Baubauprojekt entsteht zurzeit auf dem ehemaligen Zurich-Areal an der Poppelsorfer Allee. Die Stadt hat mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag geschlossen.

Ein großes Baubauprojekt entsteht zurzeit auf dem ehemaligen Zurich-Areal an der Poppelsorfer Allee. Die Stadt hat mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag geschlossen.

Foto: Benjamin Westhoff

„Bei zentralen Stadtentwicklungsaufgaben ist es gut, wenn man den kommunalen Einfluss auf Dauer sichert“, sagt Andreas Röhrig, Geschäftsführer von Moderne Stadt, der Stadtentwicklungsgesellschaft der Stadtwerke Köln GmbH und der Stadt Köln. Die Moderne Stadt sei „Instrument und Werkzeug“, um öffentliche und private Interessen in Balance zu bringen, wie aktuell bei der Entwicklung des Deutzer Hafens zu einem neuen Stadtquartier für rund 7000 Menschen und 6000 neue Arbeitsplätze. Die Stadt Bonn ist noch auf der Suche nach einem solchen Werkzeug.

Im Februar 2019 hatte der Rat die Verwaltung beauftragt, ein Konzept zur Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft zu erstellen. Dreieinhalb Jahre später teilt die Stadt der Politik mit, dass sie die offenen Fragen zur Klärung an externe Berater abgegeben habe. Aktuell hakt der Bürger Bund Bonn (BBB) mit einer Großen Anfrage nach, die am Donnerstag auf der Tagesordnung des Hauptausschusses steht.

Berater sollen im ersten Quartal 2023 erste Ergebnisse liefern

„Um ein Geschäftsmodell und eine passende Struktur für die Stadtentwicklungsgesellschaft zu entwickeln und der Politik zur Beratung vorzuschlagen, sind eine Vielzahl rechtlicher und wirtschaftlicher Fragen zu klären“, so die Verwaltung, die im Juli die Kanzlei Hogan Lovells International LLP in Kooperation mit der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PKF Fasselt Partnerschaft mbH beauftragt hatte. „Ein Vorliegen von Ergebnissen ist für das erste Quartal 2023 angestrebt“, teilt die Stadt zur Anfrage des BBB mit.

Marcel Schmitt, Fraktionschef des BBB kritisiert dieses Vorgehen: „Das Verschleppen des drei Jahre alten Ratsbeschlusses muss endlich ein Ende haben.“ Oberbürgermeisterin Katja Dörner habe ihren Vorgänger Ashok Sridharan wegen mangelnder Fortschritte bei der Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft scharf kritisiert und das Thema ganz oben auf ihre To-do-Liste gesetzt. „Außer der Beauftragung von externen Gutachtern zu rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen ist es bei den vollmundigen Ankündigungen der OB bis heute geblieben“, findet Schmitt.

Zurück nach Köln: Am Deutzer Hafen leuchtet ein Kunstwerk, das dazu auffordert, die Dinge von einer anderen Seite zu betrachten, und das an die Industrievergangenheit erinnert. Bereits 2016 kaufte die Stadtentwicklungsgesellschaft die ehemaligen Aurora-Mühlen und die Hafenflächen, um sich einen wichtigen Baustein für eine Gesamtentwicklung zu sichern. Dass Köln bis 2035 klimaneutral werden soll, stand da ebenso wenig fest wie die aktuelle Entwicklung der Energie- und Baupreise. „Bei lange laufenden Quartiersentwicklungen können wir Dinge steuern, die man in einem städtebaulichen Vertrag mit einem Investor nicht regeln könnte“, erklärt Röhrig.

 Die Dinge von einer anderen Seite sehen: Das Kunstwerk von Tim Etchells im Deutzer Hafen gehört zum Projekt der Kölner Stadtentwicklungsgesellschaft "Moderne Stadt".

Die Dinge von einer anderen Seite sehen: Das Kunstwerk von Tim Etchells im Deutzer Hafen gehört zum Projekt der Kölner Stadtentwicklungsgesellschaft "Moderne Stadt".

Foto: Moderne Stadt

Solch einen städtebaulichen Vertrag hat die Stadt Bonn mit der Swiss Life AM abgeschlossen, die auf dem ehemaligen Zurich-Areal an der Poppelsdorfer Allee einen neuen Wohnkomplex baut. Beim Fassadenwettbewerb sicherte sich die Stadt ein Mitspracherecht. Veränderungen, zum Beispiel bei der Begrünung oder für mehr günstigen Wohnraum, sind nach Abschluss des Vertrags nicht mehr möglich.

Auch im Clouth-Quartier auf dem Gelände einer ehemaligen Gummiwarenfabrik in Nippes wäre der Anteil von Eigentumswohnung höher, hätte die Moderne Stadt hier nicht ein gemischtes Quartier geplant, meint Geschäftsführer Röhrig. Seine Gesellschaft hatte 30 Prozent geförderten Wohnraum und 20 Prozent preisgedämpften Wohnraum festgesetzt. Investoren, die Eigentumswohnungen bauten, kamen auf dem Areal ebenso zum Zug wie Wohnungsgenossenschaften und Baugruppen.

Vorbildhafte Projekte für Wohnungsbau und Klimaschutz

Reimar Molitor, Geschäftsführer des Vereins Region Köln/Bonn, beobachtet einen Trend, dass Kommunen vermehrt auf eigene Gesellschaften setzen, „um bei stadtentwicklungspolitischen Zielen Handlungsfähigkeit zu haben“. Eine Stadtentwicklungsgesellschaft kann laut Molitor nicht nur vorbildhafte Projekte in den Bereichen Wohnungsbau, Mobilität und Klimaschutz umsetzen, sondern auch Flächen und Gebäude übernehmen und entwickeln.

In Bonn ging das beim Poliklinik-Areal an der Wilhelmstraße anders aus. Die Stadt hatte sich zwar ein Vorkaufsrecht für die städtische Wohnungsbaugesellschaft Vebowag gesichert. Weil die Vebowag den vom Land angesetzten Kaufpreis aber nicht zahlen konnte, plant jetzt ein Investor verschiedene Wohnformen auf dem Innenstadtareal.

Unverständnis für die Hängepartie in der Politik

2018 gab ein Antrag der damaligen Ratsmehrheit aus CDU, Grünen und FDP den Anstoß für die Gründung einer Bonner Stadtentwicklungsgesellschaft. „Es ist für mich unverständlich, dass die Stadt Bonn das Thema so lange hinauszögert“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende im Rat, Werner Hümmrich, auf Anfrage des GA. Er sieht bei dem Thema eine regionale Dimension: „Am langen Ende muss geprüft werden, ob sich für eine Stadt mit einer begrenzten Anzahl freier Flächen eine eigene Stadtentwicklungsgesellschaft trägt, oder hier nicht eine gemeinsame Lösung mit dem Rhein-Sieg-Kreis angestrebt werden sollte. Wir sind der Meinung, dass wir in den Bereichen Verkehr, Planung und Wirtschaft viel stärker regional denken müssen.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Déus findet, dass die Gründe für eine Stadtentwicklungsgesellschaft „heute im Hinblick auf die Entwicklung von Flächen für Gewerbe und insbesondere auch für den geförderten Wohnungsbau noch drängender geworden sind“. Umso mehr lasse es ihn „beinahe fassungslos zurück“, dass die Verwaltung den Beschluss schlicht nicht umgesetzt habe.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Angelika Esch sagt mit Blick auf die wachsende Einwohnerzahl und den begrenzten Platz in der Stadt: „Investoren bauen lieber Büros auf freien Flächen, der Interessenausgleich zwischen Wohnen und Arbeiten kann nur erreicht werden, wenn die Stadt selbst Flächen planvoll entwickelt und erschließt. Deshalb brauchen wir kreative und nachhaltige Lösungsansätze. Die Stadtentwicklungsgesellschaft ist dafür ein zentrales Instrument.“

Esch findet den Einsatz externer Berater richtig, ebenso wie Hartwig Lohmeyer, Stadtverordneter von Rheingrün. „Sehr ärgerlich ist allerdings, dass inzwischen mehrere Jahre ins Land gezogen sind, bevor Schritte unternommen wurden, den Ratsbeschluss von 2018 umzusetzen. Damit sind viele Chancen für eine gesunde Stadtentwicklung vergeben worden“, so Lohmeyer. Michael Faber, Fraktionsvorsitzender der Linken, sagte: „Um bei der Stadtentwicklung souveräner und von Investoreninteressen unabhängiger zu werden, ist eine Stadtentwicklungsgesellschaft lange überfällig." Man müsse auch sicherstellen, dass die neue Gesellschaft langfristig lebensfähig sei und genug Flächen bekomme, gab Daniel Rutte, Fraktionssprecher der Grünen zu bedenken. Große Industriebrachen und Konversionsgelände wie in anderen Städten gebe es in Bonn nicht.

Frank Fremerey, planungspolitischer Sprecher von Volt, sagt: „Aus Sicht der Volt-Fraktion wären Gebiete wie die Poliklinik, das Landesbehördenhaus, das Viktoriaviertel und das Rosenfeld geeignet (gewesen), um von einer Stadtentwicklungsgesellschaft bearbeitet zu werden.“ Weil es diese noch nicht gebe, „haben wir hier teils nicht die optimalen Ergebnisse erzielen können“. Er findet die Entscheidung, „für bestimmtes, hoch spezialisiertes Fachwissen“ Berater ins Boot zu holen, richtig.

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