Landgericht Bonn Zeugen fehlt angeblich die Erinnerung

Bonn · Im Prozess um den Tod von Niklas Pöhler musste sich Roman W. am Freitag wegen Zeugenbedrohung verantworten. Ihm wird vorgeworfen am 11. September 2016 einen 29-jährigen Zeugen zusammengeschlagen zu haben.

Die Angst scheint umzugehen im alten Schwurgerichtssaal, auch auf den Fluren des Bonner Landgerichts: Zeugen treten auf, die sich an nichts mehr erinnern oder behaupten, dass ihre Aussagen bei der Polizei – so wörtlich – eine Lüge gewesen seien.

Ein 22-Jähriger mit Wollmütze zeigte sich gegenüber den Richtern zudem patzig bis unverschämt: „Das ist doch alles irre hier,“ brüllte er, „ich habe damit nichts zu tun.“ Selbst die richterliche Androhung eines Verfahrens wegen Falschaussage, falls er nicht seiner Pflicht nachkomme auszusagen, schien ihn nicht zu beeindrucken. Die Angst jedenfalls scheint größer zu sein. In Handschellen wurde der Zeuge erst mal wieder in die Vorführzelle gebracht, um sich zu beruhigen.

Es ist der dritte Prozesstag um den Tod des Schülers Niklas Pöhler, der am Abend des 7. Mai 2016 am Godesberger Bahnhof nach einem Faustschlag gegen den Kopf ins Koma fiel und sechs Tage später an den Folgen starb. Unter Druck stehen an diesem Verhandlungstag nicht nur die Zeugen. Auch die beiden Angeklagten sind nervös: Walid S., der 21-jährige Hauptangeklagte, der sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten muss, zeigt seine ungeduldige Verachtung; Roman W., ebenfalls 21 Jahre alt, grinst verhohlen, als ein Belastungszeuge sich rauslaviert hat – und den Saal beschwingt verlässt. Auf dem Prozessfahrplan stand gestern eine Zeugenbedrohung, die sich am 11. September 2016 an der Bonner Straße in Godesberg ereignet haben soll. Roman W. ist wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, weil er einen 29-Jährigen Zeugen im Niklas-Fall zusammengeschlagen haben soll.

„Ich war im Bus nach Hause“, erinnerte sich gestern der 29-Jährige. Da habe ihn Roman W. angesprochen und gesagt: „Steig aus, ich muss mit Dir reden.“ Das habe er getan. „Du bist ein Verräter, ein Zinker“, sei er beschimpft worden. „Warum hast meinen Namen bei der Mordkommission genannt?“ sei er gefragt worden. Da sei schon der erste Schlag gekommen. Als er auf dem Boden lag, sei er getreten worden. Fünf bis sechs Mal. Zum Abschied die Warnung des Angeklagten: Nie wieder solle er seinen Namen bei der Polizei nennen. Wegen dieses Vorfalls landete Roman W. erneut in Untersuchungshaft.

An diesem Prozesstag spielte zudem noch eine weiße Jacke eine Rolle, die angeblich in einer Bonner Anwaltskanzlei beiseite geschafft wurde. Mit dieser Geschichte hatte sich ein Zeuge nach dem ersten Prozesstag bei den Ermittlern gemeldet. Der Verteidiger von Roman W. stellte gestern den Antrag, den Zeugen zu hören. Immerhin könne es seinen Mandanten entlasten, der als der „Schläger mit der weißen Jacke“ identifiziert worden war. Möglicherweise, so die Spekulation des Anwalts, gäbe es noch jemanden mit einer weißen Jacke. „Und der Falsche sitzt auf der Anklagebank.“

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