Bonner Wohnungsmarkt Zu wenig neue Sozialwohnungen

BONN · Stadt sieht für NRW-Projekt für sozialen Wohnungsbau wegen fehlender Fläche keine Chance. Sie könne ihre Grundstücke nicht unter dem marktüblichen Verkehrswert "verschleudern".

Fast zwei Jahre ist es her, dass die Bonner Sozialverbände ihre Wohnungsmarktanalyse veröffentlichten, in der sie unter anderem das Fehlen Tausender Sozialwohnungen kritisierten. "Seitdem hat sich nichts Wesentliches geändert. Und ich habe nicht den Eindruck, dass jemand daran arbeitet", sagt Ulrich Hamacher, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes und einer der Mitverfasser der Analyse. "Wir brauchen parteiübergreifenden Konsens, es hapert in Bonn aber an Entschlossenheit", diagnostiziert Caritas-Direktor Jean-Pierre Schneider, für den die Schaffung von ausreichendem und bezahlbaren Wohnraum eine der "Hauptaufgaben" für eine kommende Koalition ist. Während es in anderen Städten "interessante Projekte gibt, haben wir hier keine vergleichbare Initiative", meint Schneider.

Und zielt mit dieser Bemerkung unter anderem auf ein Pilotprojekt ab, das jetzt in Köln und Münster anläuft. Beide Städte haben sich bereit erklärt, bis zum Jahr 2017 insgesamt 1.300 sozial geförderte Wohnungen zu bauen und bei Neubauten einen Anteil von mindestens 30 Prozent für den geförderten Wohnungsbau umzusetzen. Im Gegenzug gibt es vom Land Globalzuweisungen über mehr als 100 Millionen Euro. Mit diesem Geld könne die jeweilige Kommune nach Angaben des Landes Nordrhein-Westfalen "wesentlich flexibler" den wohnungspolitischen Aufgaben gerecht werden als über die bisher üblichen Einzelbudgets.

Ein Modell auch für Bonn? "Bonn bekommt solche Globalbudgets schon", teilt Maik Grimmeck, Vize-Pressesprecher des NRW-Bauministeriums, mit. Und das bereits seit dem Jahr 2001. Grund für die Globalbudgets sei in diesem Fall aber nicht die Umsetzung einer 30-Prozent-Quote für sozialen Wohnungsbau, sondern "die Honorierung der ersten interkommunalen Zusammenarbeit aller Städte der Region".

Konkret meint Grimmeck die Zusammenarbeit der Stadt Bonn mit allen Städten des Rhein-Sieg-Kreises sowie Ahrweiler. Demnach habe es 2013 und 2014 jeweils 44 Millionen Euro und 2011 sowie 2012 50 Millionen Euro Globalbudgets für die Region Bonn/Rhein-Sieg gegeben. Zwar gebe es dieses Globalbudgets, bestätigt die Stadt Bonn. Aber eine 30-Prozent-Regelung, so wie sie jetzt für Köln und Münster abgemacht wurde, ließe sich in Bonn nicht durchsetzen.

"In Bonn besteht die Lage, dass zu wenig städtische Grundstücke, bei denen eine vergleichbare Regelung auf mehrere Jahre dauerhaft und quantitativ signifikant wirken könnte, zur Verfügung stehen", so das Baudezernat der Stadt. Hinzu komme, dass der Stadt die zur "Umsetzung entsprechender Handlungskonzepte erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen" fehlten. Derzeit gebe es lediglich einen Auftrag an die Verwaltung, bei Wohnbauprojekten zu prüfen, ob eine 30-Prozent-Quote umgesetzt werden kann. Die Politik entscheide dann aber im Einzelfall.

Das Sozialdezernat verweist unter anderem erneut auf die Niedrigzinsphase, die das Problem verschärfe. Dies führe dazu, dass Investoren ihre Bauprojekte lieber frei finanzieren. Mit den Preisen, die sie in Bonn erzielen können, machen sie schneller ihren Schnitt.

Doch dieses Desinteresse von Investoren birgt laut Detlef Eckert, Prokurist der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Vebowag, auch eine Chance. Die Vebowag als derzeitiger "Marktführer" beim Thema geförderter Wohnungsbau in Bonn, könne so eigentlich weitestgehend ungestört agieren. Wenn, ja wenn sie denn die entsprechenden Grundstücke hätte. "Wir wären froh, wenn die zur Verfügung stehen würden", sagt Eckert.

Dass das nicht der Fall ist, sei auch der Grund dafür, warum die Vebowag noch nicht das Geld abgerufen habe, das ihr nach der beschlossenen Kapitalerhöhung über fünf Millionen Euro als Reaktion auf den Mangel an Sozialwohnungen zusätzlich zur Verfügung steht. "Das Geld wollen wir erst abrufen, wenn wir auch die Grundstücke haben", sagt Eckert. Abgesehen davon, dass es davon nicht viele gebe, seien auch die wenigen städtischen, die es gebe, für öffentlich geförderten Wohnungsbau zu teuer.

Die Stadt steht jedoch auf dem Standpunkt, dass sie ihre Grundstücke nicht unter dem marktüblichen Verkehrswert verschleudern kann. "Das ist eine Vorschrift aus der Gemeindeordnung und in der derzeitigen Haushaltssituation noch mal doppelt sinnvoll", teilte das Presseamt dem GA mit.

Sozialer Wohnungsbau in Bonn

Nach Angaben der Stadt Bonn sind 3928 Haushalte der Stadt im Besitz eines Wohnberechtigungsscheines mit dem innerhalb eines Jahres eine geförderte Wohnung in Nordrhein-Westfalen bezogen werden kann (Stand 31. März 2014). Ausgehend von einem notwendigen Anteil von 13 Prozent geförderter Wohnungen ergäbe sich laut Stadt ein Gesamtbedarf von 8500 geförderten Wohnungen zusätzlich. "Da sich diese Anzahl von Wohnungen weder kurz- noch mittelfristig realisieren lässt, wird das Erreichen der Zielmarke von 12 bis 14 Prozent als

langfristiges Ziel des Fachbereichs angesehen", so die Stadt. Um dieses Ziel bis zum Jahr 2020 zu erreichen, müssten unter Berücksichtigung der Ausläufe jährlich 1850 geförderte Wohnungen neu gebaut oder auslaufende Bindungen verlängert werden, was laut Stadt angesichts kaum vorhandener Flächen in Bonn "unrealistisch" sei. Um zumindest den aktuellen Stand von rund acht Prozent geförderter Wohnungen zu halten, wären rund 600 Wohnungen pro Jahr erforderlich.

Runder Tisch

Die Bonner SPD fordert angesichts der Situation auf dem Bonner Wohnungsmarkt und der Tatsache, dass 3.000 Bürger auf der Warteliste für geförderten Wohnungsbau stehen, einen "Runden Tisch Wohnungsbau". Bund und Land hätten längst Bündnisse für Wohnungsbau geschlossen. "Wir brauchen ein solches auch in unserer Stadt", sagt Peter Kox, Vorsitzender des Sozialausschuss. Gute Wohnverhältnisse und bezahlbare Mieten seien wesentliche Voraussetzungen für sozialen Frieden.

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