260 Jahre Glocken im Bonner Münster Zum Jubiläum gab es volles Geläut

Bonn · Wer auf dem Bonner Weihnachtsmarkt unterwegs war, erlebte am Donnerstag ein besonderes Glockenkonzert. Dass die barocken Stücke noch vollständig erhalten sind, grenzt an ein Wunder.

 Die Glocken im Bonner Münster.

Die Glocken im Bonner Münster.

Foto: Benjamin Westhoff

Zuerst vibriert es leise im Gebälk, als sich das Antriebsseil in Bewegung setzen, dann schlägt der Klöppel zum ersten Mal an die Donatusglocke im Turm des Bonner Münsters. Sie ist Donatus und Agatha, den Patrone gegen Blitz und Feuer, geweiht, und die haben bisher ganze Arbeit geleistet. Der Glockenturm und sein barocker Inhalt wurden vor Krieg und Bränden so weit bewahrt, dass dort heute das einzige zusammenhängende Geläut des berühmten Glockengießers Martin Legros erklingt.

In den metallischen Klang der ersten Glocke mischt sich am Donnerstagmorgen das tiefe „Dong“ der Stadtpatroneglocke. Ganz oben im Glockenstuhl schwingen die Gegenpendel hin und her. Hinter den unregelmäßigen Tonwechseln, die das Geläut so interessant machen, liegt ein permanentes Sirren. „Es hat schon etwas Magisches und Mystisches“, sagt Münstersprecher Reinhard Sentis. Am Donnerstagabend erklangen zum Glockenfest anlässlich des 260-jährigen Bestehens zunächst alle acht einzelnen Töne, dann alle acht Glocken gemeinsam. Das große Geläut gibt es sonst nur zu großen Festen wie Weihnachten – und wenn eine neuer Papst gewählt ist. „Insgesamt hängen im Münsterturm fast zehn Tonnen“, berichtet Sentis.

Initiative des Kurfürsten: Die ersten drei Glocken wurden im Auftrag von Kurfürst Clemens August 1756 für das Münster gegossen. Die größte trägt seinen Namen und sein Staatswappen, ist 3400 Kilogramm schwer und hat einen Durchmesser von 1,78 Metern. Das Kupfer für die Glocken stammt aus dem Bergwerk des Kurfürsten in Rheinbreitbach. Die Glockenweihe am 8. Dezember 1756 war eigentlich eine Glockentaufe. „Sie wurden gewaschen und außen und innen mit Öl gezeichnet“, berichtet Kunsthistoriker Gisbert Knopp. Es war ein großes Fest. Salutschüsse begleiteten die Ankunft des Kurfürsten.

Der Glockengießer: Martin Legros war der bedeutendste barocke Glockengießer. In Bonn fertigte er das bis dato größte Geläut – ein Auftrag mit Signalwirkung. Der Mann aus Malmedy war ein Außenstehender, keiner der etablierten Glockengießer aus der Kölner Zunft. Das Bonner Meisterstück öffnete ihm auch die Türen zu den großen Kölner Stiften. Ingesamt hat er im Rheinland rund 200 Glocken gegossen, die letzte 1779 für die Bonner Schlosskirche

Grube auf dem Münsterplatz: Seine Werkstatt errichtete Legros 1756 auf dem Münsterplatz. Das ersparte einen schwierigen Transport der Glocken mit Pferd und Wagen. Für den Guss wurde eine Grube ausgehoben, die beim Bau der Tiefgarage unter dem Münsterplatz wiederentdeckt wurde. Die verwendete Bronze besteht laut Knopp aus 80 Prozent Kupfer und 20 Prozent Zinn, das aus England stammte. Das auf 1200 Grad erhitzte Material brauchte nach dem Guss vier Wochen zum Ausglühen, erst dann konnte der Mantel abgenommen werden. Im Vierungsturm des Münsters sind noch die hölzernen Luken sichtbar, durch die die Glocken nach der Weihe hinauf in den Turm gezogen wurden. Bei geöffneter Luke kann man hinunter bis in den Altarraum schauen.

Gefahren für die Glocken: Dass alle wertvollen Stücke noch erhalten sind, grenzt laut Gisbert Knopp an ein Wunder. „Fast alle Glocken von Martin Legros sind vernichtet“, weiß der Honorarprofessor für christliche Kunstgeschichte und Denkmalpflege an der Universität Bonn. Auch die Vorgänger der heutigen Glocken wurden zerstört. 1590 setzt ein Blitz den Turm des Münsters in Brand. Nicht nur die Glocken, sondern auch ein Teil der Innenausstattung und die Orgel wurden zerstört. 1689 brannten während des Pfälzischen Krieges die Dächer des Münsters nieder. Die acht Glocken stürzten glühend in die Tiefe.

Das barocke Geläut hatte gleich mehrfach Unterstützung von Donatus und Agatha: 1802 schlug ein Blitz in den Turm des Münsters ein. Vier beherzte Bonner konnten jedoch den Brand löschen, berichtet Knopp. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs endeten viele Kirchenglocken als Materialspenden für die Rüstungsindustrie. Die Bonner nicht.

Als die 1944 abgehängten aber verschonten Münsterglocken zum Weihnachtsfest 1945 wieder hoch in den Turm gezogen wurden, stürzte die fast 50 Zentner schwere Stadtpatroneglocke 20 Meter in die Tiefe. Bis auf abgeplatzte Stellen am Rand blieb sie heile. Materialermüdung gibt es bei den Klöppeln. Einer brach 2014 kurz vor Weihnachten ab.

Tonangebend in der Stadt: „Solche Glocken verkünden traurige und fröhliche Ereignisse und haben viel mit dem Leben der Menschen in der Stadt zu tun“, sagt Sentis. Vor Großbränden und anderen Katastrophen müssen die Münsterglocken heute nicht mehr warnen, dafür gibt es Sirenen. Während der zweijährigen Bauarbeiten im Münster werden sie ganz schweigen. Dachstuhl und Elektrik müssen saniert werden.

Für die bevorstehende Generalsanierung hat der Münsterbauverein eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Mehr Informationen gibt es auf www.mein-bonner-muenster.de.

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