Urteil in Bonn Zwei Jahre auf Bewährung wegen sexueller Nötigung
Bonn · Auch nach dem Urteil um die mögliche Entführung und Vergewaltigung einer 18-Jährigen aus einem belgischen Flüchtlingsheim bleiben einige Fragen offen.
Am Mittag des 19. Oktober vergangenen Jahres stürmte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Kölner Polizei eine Wohnung in Bad Godesberg. Dem spektakulären Einsatz war der Anruf einer Flüchtlingsfamilie vorausgegangen, die in einem Heim im Nordosten der belgischen Hauptstadt Brüssel lebt: Ihre Tochter sei von ihrem nach islamischem Ritus angeheirateten Ehemann entführt worden und werde gerade in einer Bonner Wohnung vergewaltigt.
Das habe ihnen ihre Tochter in einem Notruf per Handy mitgeteilt. Nach nur vier Verhandlungstagen hat nun die 1. Große Strafkammer am Bonner Landgericht den 37-jährigen Syrer, der in Belgien und Bulgarien lebt, zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Allerdings nicht wegen Vergewaltigung oder Freiheitsberaubung. Einzig der sexuellen Nötigung befand die Kammer unter dem Vorsitz von Jens Rausch den Angeklagten für schuldig. Der Schuldspruch ist das Ergebnis einer Verständigung: Nachdem das Opfer den Vergewaltigungsvorwurf nicht länger aufrechterhalten hatte, stimmten sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft einer Haftstrafe auf Bewährung zu, wenn der Angeklagte im Gegenzug die Nötigung einräume.
Bereits am ersten Verhandlungstag hatte sich herauskristallisiert, dass der Fall nicht einfach aufzuklären sein würde: Nicht zuletzt, weil die Bonner Staatsanwaltschaft bis kurz vor Prozessbeginn mit einer Auslieferung des Mannes nach Belgien gerechnet hatte, musste das Gericht mit diversen Ermittlungslücken kämpfen. Der Angeklagte befand sich bereits ein knappes halbes Jahr in Untersuchungshaft und hätte ohne die Anklageerhebung in letzter Minute möglicherweise ohne ein Gerichtsverfahren auf freien Fuß gesetzt werden müssen.
Die mögliche Entführung war daher von vorneherein in Bonn nicht Gegenstand der Anklage, der 37-Jährige musste sich in Deutschland nur wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verantworten. Aus Belgien liegt allerdings ein internationaler Haftbefehl vor, in dem es neben der Freiheitsberaubung noch um eine weitere mögliche Vergewaltigung in dem Nachbarland geht. Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Köln hatte aber zu Prozessbeginn noch nicht über die Auslieferung entschieden, da zunächst über die möglichen Straftaten in Bonn Klarheit gewonnen werden musste.
Und hier sahen die Richter nach der Anhörung des Opfers und der Auswertung mehrerer Mobiltelefone keinen Anhaltspunkt mehr für eine Vergewaltigung, sondern nur noch für sexuelle Nötigung: Offenbar hatte die junge Frau während ihrer Befragung direkt nach dem SEK-Einsatz die Ereignisse in der Bonner Wohnung deutlich anders dargestellt als nun vor Gericht. In der nicht öffentlichen Vernehmung hatte das Opfer nur davon berichtet, dass der Angeklagte zudringlich geworden sei und sie zum Sex aufgefordert habe.
In einem Fall gelang es ihm wohl auch, sein Opfer teilweise zu entkleiden und intim zu berühren. Das mag in der belgischen Wahlheimat der jungen Frau ganz anders ausgesehen haben: Über eine mögliche Vergewaltigung im Wagen des Angeklagten im vergangenen Juni hatten die Bonner Richter aber, wie gesagt, genau so wenig zu befinden wie über den Entführungsvorwurf. Da aber nun einer Auslieferung nichts mehr im Wege stehen dürfte, wird der Syrer sich möglicherweise demnächst vor einer Brüsseler Strafkammer erneut verantworten müssen. Bis dahin bleibt er in Auslieferungshaft.