Therapeutische Hit-Maschine Tears for Fears eröffnen die KunstRasen-Saison 2019

Bonn · Die britische Kultband Tears for Fears hat zusammen mit der Popsängerin Kim Wilde den KunstRasen in Bonn eröffnet. Die 80er Jahre klingen dabei so schmerzlich schön, dass keiner der 5500 Besucher unberührt blieb.

Was für ein Drama. Was für ein Genuss. Und was für ein Paradoxon: Da stehen zwei mittlerweile gesetzte Herren auf der Bühne, singen von traumatischen Kindheitserlebnissen, von schönen Träumen übers Sterben und höllischem Hass auf die Eltern und werden dafür bejubelt wie die Superstars, die sie einst waren und in gewisser Weise immer noch sind.

Nur wenige Bands haben jemals tiefer in der eigenen Psyche gegraben als Tears for Fears, jenem legendären New-Wave-Duo, das an diesem Freitag die KunstRasen-Saison 2019 überaus eindringlich eröffnet hat. Und auch wenn Roland Orzabal und Curt Smith ihre Jugendsorgen längst überwunden haben, wirken die meisten Zeugnisse von damals noch genau so intensiv wie in den 80er Jahren, eingepackt in einen dicken Synthi-Teppich und doch so schmerzlich schön, dass keiner der rund 5500 Besucher in der Gronau unberührt bleibt.

Tears for Fears sind die ersten internationalen Künstler, die Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz in diesem Jahr im Rahmen des KunstRasens nach Bonn holt; Stars wie Walk off the Earth, Ex-CCR-Frontmann John Fogerty, Jethro Tull und natürlich Sting werden noch folgen. Die Stimmung, die an diesem Abend herrscht, müssen diese aber erst einmal toppen können. Die Menge ist ausgelassen, genießt das Konzert, wahrscheinlich mehr als Orzabal und Smith selbst, die sich längst auseinandergelebt haben, zwischenzeitlich sogar eigene Wege gegangen sind und inzwischen nur noch eine Art Zweckgemeinschaft bilden.

Nur wenige Meter trennen ihre beiden Mikrofone, doch es könnten auch mehrere Kilometer sein. Die Musik leidet darunter allerdings kaum. Einen Hit nach dem anderen spielen Tears for Fears, angefangen mit „Everybody Wants To Rule The World“. Durchhänger gibt es nur wenige: Ausgerechnet „Mad World“ klingt ein wenig fahrig, was aber vielleicht auch daran liegen mag, dass die deutlich melancholischere Coverversion von Michael Andrews und Gary Jules weitaus präsenter ist als das Original. Und auch Radioheads „Creep“, den Orzabal anstimmt, fällt seltsamerweise ein wenig ab. Dafür gibt es aber eine fantastische Darbietung von „Woman in Chains“ mit Background-Sängerin Carina Round – und natürlich „Shout“ als einzige Zugabe nach 90 Minuten.

Schon im Vorfeld hat übrigens eine andere Ikone der 80er für Begeisterung gesorgt: Niemand geringeres als Kim Wilde spielte auf und schmetterte mit erstaunlich rockigem Impetus (samt dazu passendem Doro-Pesch-Outfit) „Cambodia“ oder auch den Klassiker „Kids in America“. Das kam an, während die neueren Songs mit ihrer mitunter bemüht wirkenden Härte und der ein oder anderen esoterischen Note manchmal irritierten. Dennoch war der Auftritt der Britin für viele langjährige Fans ein Erlebnis, das Tears for Fears dann perfektionierten.

Einen besseren Start hätte sich der KunstRasen somit kaum wünschen können. Und heute geht es sogleich mit einem ganz anderen Sound weiter, wenn Blech-Crossover und kölsche Gute-Laune-Musik von Druckluft über Cat Ballou bis hin zu LaBrassBanda den ganzen Tag über die Wiese zur Disco machen.

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