Tür zur Freiheit ist 20 Zentimeter breiter

50 Menschen mit Behinderung leben in der Hans-Aengenendt-Wohnanlage, einem der ersten Häuser auf dem Brüser Berg

Tür zur Freiheit ist 20 Zentimeter breiter
Foto: Barbara Frommann

Bonn-Brüser Berg. Die Hans-Aengenendt-Wohnanlage an der Newtonstraße ist ein besonderes Haus. Vieles in dem hellen Backsteinbau ist ein bisschen anders als in normalen Häusern.

Das fängt schon bei den Eingangstüren an: Fast geräuschlos schwingen sie automatisch auf und bleiben sperrangelweit offen stehen. Genug Zeit, um problemlos mit dem Rollstuhl hinein zu fahren. Stufen im Innern? Fehlanzeige.

Die Anlage ist ein Paradebeispiel eines barrierefreien Hauses: Alle 24 Wohnungen sind genau an die Bedürfnisse von Körperbehinderten angepasst. Als das Gebäude 1984 gebaut wurde, war es eines der ersten seiner Art in Bonn und eines der ersten Häuser überhaupt in dem neuen Wohngebiet Brüser Berg. In der Anlage wohnen heute knapp 50 Menschen, die meisten sind Rollstuhlfahrer.

"Unser Ziel war es, körperbehinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen", erklärt Helmtrud Kolling, Vorsitzende des Vereins "Selbsthilfe Körperbehinderter Bonn", der damals den Bau angestoßen hat. Auch heute noch unterhält der Verein ein Büro im Haus, hilft bei Behördenangelegenheiten und vermittelt freistehende Wohnungen. Außerdem betreibt er die Caféteria und ein Therapiebad im Keller.

Ein Leben in eigener Verantwortung, ohne dauernd auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, alleine einzukaufen, zu kochen oder auch nur auf die Toilette zu gehen - für Dodo Bostel war all das undenkbar, bevor er vor vier Jahren in das Hans-Aengenendt-Haus zog. Der 55-Jährige leidet seit einem Sportunfall an einem hypoxischen Hirnschaden.

Er hat seinen Gleichgewichtssinn verloren und kann sich deshalb nicht allein auf den Beinen halten, außerdem wird der Körper des Rollstuhlfahrers alle paar Sekunden von unkontrollierten Zuckungen durchgeschüttelt.

"Früher wohnte ich bei meiner Mutter in einem Altbau, da lagen nur zwischen dem Hauseingang und unserer Wohnungstür zehn Stufen", sagt er. Ein unüberwindbares Hindernis. "Wenn ich raus wollte, mussten mich immer zwei Leute beim Runtergehen stützen." Das Gleiche beim Bad: "Das war viel zu eng, mehr als Händewaschen war da allein nicht drin."

In der neuen Wohnung ist das kein Problem, das Bad ist geräumig genug, um darin mit dem Rollstuhl zu manövrieren, an der Toilette sind spezielle Haltegriffe befestigt, die Spülbecken sind unterfahrbar.

Die vielen kleinen Anpassungen in der Hans-Aengenendt-Wohnanlage sind für ihre Bewohner ungemein wichtig. Für sie macht eine 20 Zentimeter breitere Tür den Unterschied zwischen Unmündigkeit und Freiheit aus. Durch die eine passt der Rollstuhl, durch die andere nicht.

Die Barrierefreiheit tut auch den sozialen Kontakten der Menschen im Haus gut. Viele Freundschaften wurden geknüpft, jeden zweiten Donnerstag findet ein Stammtisch in der Caféteria statt, Freitagmittags wird Bingo gespielt.

Eine angenehme Atmosphäre, die auch Menschen von außerhalb anzieht. Elvira Bender ist eine von ihnen. Die Körperbehinderte kommt ab und zu vorbei, um ihre Freundin Erna Rogaliski zu besuchen, eine halbe Stunde braucht sie von ihrem Zuhause in Röttgen aus mit ihrem roten Elektromobil, das sie liebevoll "meinen roten Ferrari" nennt.

"Bei Erna kann ich einfach so vorbeischauen", sagt sie, "bei anderen Freunden komme ich wegen der Stufen noch nicht einmal an die Klingel."

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