Interview mit Heiner Monheim Verkehrsexperte spricht über ein Pilotprojekt in Bonn

BONN · Das Bundesministerium für Bildung und Forschung startet am Freitag gemeinsam mit der Stadt Bonn ein Pilotprojekt, das mit 250.000 Euro aus dem Bundesetat unterstützt wird. Es hat den verheißungsvollen Titel: "Betriebe lösen Verkehrsprobleme". Über die Projekthintergründe sprach Koordinator Professor Heiner Monheim.

Heiner Monheim koordiniert das Bonner Pilotprojekt. Selbst ist er mit Bahn und Fahrrad unterwegs.

Heiner Monheim koordiniert das Bonner Pilotprojekt. Selbst ist er mit Bahn und Fahrrad unterwegs.

Foto: GA

Sie sagen, die Hälfte der Autos in Bonn brauche nicht herumzufahren. Was läuft falsch?
Heiner Monheim: Es sind Menschen, die eine gute ÖPNV- oder Fahrradverbindung haben oder nur eine kurze Entfernung und trotzdem mit dem Auto fahren. Oder es sind Betriebe, die ihre Mobilität überwiegend mit Autos machen, obwohl sie gut mit ÖPNV erschlossen sind und mit Jobtickets und eigenen Firmenfahrrädern vieles schneller, preiswerter und gesünder erledigen könnten. Wenn mehr Menschen ihr Verkehrsverhalten ändern würden und mehr Betriebe ihre Mobilität umdisponieren würden, dann wäre viel gewonnen für Bonn.

Und was?
Monheim: Weniger Staus, weniger Lärm, weniger Abgase, weniger Stress, weniger Klimagase, weniger Energieverbrauch und vor allem auch weniger Kosten, für den Einzelnen wie auch für die Stadt.

Aber wie ist das mit Leuten aus kleinen Orten im Umland oder mit Nachtschichtarbeitern?
Monheim: Ich mache die besonders komplizierten Fälle nicht zum Maßstab. Wenn man Personen und Betriebe, bei denen der Umstieg leicht ginge, motiviert, ist schon viel gewonnen. Es geht aber auch um eine sparsame Flottenbeschaffung bei den Fuhrparks, um Fahrerschulung für Eco-Drive, um mehr Car Sharing und um Fahrgemeinschaften. Manchmal kann schon eine andere zeitliche Arbeitsorganisation zur Stauvermeidung beitragen, durch Gleitzeitregelungen.

Wen spricht Ihre Auftaktveranstaltung am Freitag im Rathaus genau an?
Monheim: Unternehmen, Betriebe, Verbände, Gewerkschaften, Personalvertretungen. Wir suchen 200 Betriebe, die sich beteiligen. 20 davon erhalten eine intensive Mobilitätsberatung für Management, innere Verwaltung, Reisekostenstelle, Fuhrparkverwaltung und Personalvertretung. Da werden die Strukturen und Probleme analysiert und konkrete Vorschläge entwickelt. Weitere 180 Betriebe fassen wir zu Gruppen gleicher Problemlage zusammen und entwickeln Lösungen.

Wer ist wir? Können Sie das Projekt kurz charakterisieren?
Monheim: "Wir" ist ein Konsortium von engagierten Partnern. Die Detailberatung macht das Büro für Mobilitätsberatung und Moderation, die empirischen Mobilitätsanalysen das Geographische Institut der Uni Bonn, die Kostenberechnung die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Auf Seiten der Stadt sind die Ämter Planung, Wirtschaftsförderung und der Nachhaltigkeitsbereich beteiligt, natürlich die Stadtwerke und der VRS. Beobachtet wird das Projekt von ICLEI, einem weltweiten Bündnis besonders nachhaltigkeitsorientierter Städte. Ich selbst koordiniere die Arbeit mit meinem Institut für Raumentwicklung und Kommunikation.

Wie können langfristig intelligentere Verkehrsstrategien praktisch aussehen?
Monheim: Die Zeit der großen Infrastrukturprojekte ist vorbei. Jetzt geht es darum, die eigenen Spielräume der Betriebe und Mitarbeiter zu mobilisieren. Betriebliche Leihfahrradsysteme können prima mit dem ÖPNV vernetzt werden, Car Sharing kann viel stärker von Betrieben genutzt werden. Job-Tickets bieten viele Vorteile. Am Ende geht es immer auch ums Kosten sparen, bei den Betrieben wie im Geldbeutel der Verkehrsteilnehmer.

Sie betonen, dass Mobilitätsberatung bei den ab 2013 in Bonn anstehenden großen Baumaßnahmen besonders nötig ist.
Monheim: Natürlich. Die anstehenden Baumaßnahmen an den großen Magistralen führen zu massiven Einschränkungen. Da ist es doch naheliegend, einfach am Stau vorbeizufahren und die betrieblichen Verkehrsroutinen sinnvoll zu verändern. Damit durch intelligente Einzelentscheidungen mehr Bewegung in das Verkehrssystem kommt. Bonns Wirtschaft und Bevölkerung können beweisen, dass sie zu Schwarm-Intelligenz fähig sind.

Sie sind für Ihre Kritik an zu viel Autoverkehr bekannt. Wie erreichen Sie eigentlich Ihre Termine in nah und fern?
Monheim: Immer ohne Auto, weil ich gar keine Zeit dazu habe. Ich habe eine Bahn Card 100, damit kann ich problemlos durch Deutschland fahren und meine Zeit ökonomisch zum Arbeiten nutzen. Und in den meisten Städten fahre ich dann mit den innovativen Leihfahrrädern, bei denen ich ein Abo habe, weiter zum Ziel. Hier in Bonn bin ich Dauerkunde bei der Radstation am Hauptbahnhof.

Zur Person:
Professor Heiner Monheim, 67, ist emeritierter Professor für Raumentwicklung. Er lebt seit 1972 in Bonn und war dort früher Referatsleiter für Infrastruktur in der Forschungseinrichtung des damaligen Städtebauministeriums, seit 1985 war er Referatsleiter für Verkehrsentwicklungsplanung und kommunale Verkehrsinvestitionen im NRW-Verkehrsministerium und seit 1995 Professor an der Universität Trier. Er ist aktiv in vielen Verkehrs- und Umweltverbänden sowie Mitinhaber des Instituts für Raumentwicklung und Kommunikation in Trier mit Zweigstelle in Bonn.

Auftakt-Veranstaltung:
Eine Dialog-Veranstaltung mit Vertretern von Bonner Unternehmen findet am Freitag, 21. September, um 15.30 Uhr im Alten Rathaus statt. Es gibt Vorträge von Professor Heiner Monheim (raumkom Institut), Professor Claus C. Wiegandt (Geographisches Institut der Uni Bonn), Professor Günter Klein (Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) und Maik Scharnweber (Büro für Mobilitätsberatung). Ab 16.30 Uhr gibt es eine Podiumsdiskussion über Chancen und Grenzen nachhaltigen Mobilitätsmanagements.

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