"Vielleicht haben sie sogar Angst"

Bonner Polizei ist beim G-8-Gipfel im Einsatz - Entsetzen über die Bilder aus Rostock

"Vielleicht haben sie sogar Angst"
Foto: dpa

Bonn/Heiligendamm. Im Hintergrund rauscht es. Fahrzeuglärm von der Autobahn 20 in Mecklenburg-Vorpommern dringt durchs Handy. Klaus Kapellner ist auf dem Weg von Rostock nach Schloss Hohen Luckow. Mit dem Ersten Polizeihauptkommissar sind 69 Kollegen der Bonner Einsatzhundertschaft (EHU) unterwegs.

Sie sind im Team der insgesamt 16 000 Polizisten, die den G-8-Gipfel in Heiligendamm und die Demonstrationen schützen sollen. Einige der hiesigen Beamten sind bereits seit dem 20. Mai im G 8-Einsatz - der längste, den eine Bonner EHU jemals am Stück geleistet hat, sagt Kapellners Chef, Polizeioberrat Andreas Piastowski.

Objektschutz in Heiligendamm, auskundschaften der Landschaft drumherum, Demo in Hamburg, Dienst in der Gefangenensammelstelle in Schwerin ("Meine Beamten haben dort mit dem Ergebnis der Rostocker Krawallen zu tun gehabt", sagt Piastowski), Demo in Rostock - das war der Auftrag der Bonner bisher.

Am Dienstag waren sie zum Schutz des 25 Kilometer südlich von Heiligendamm gelegenen Gutes Hohen Luckow abgeordnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Staats- und Regierungschefs der G-8-Länder dort zum Abendessen eingeladen. Kapellner und seine Kollegen stehen unter der Führung der Kölner Hundertschaftsabteilung. Die Gesamteinsatzleitung hat die Polizei Mecklenburg-Vorpommern.

Glück hatten die Bonner am Samstag vergangener Woche. Sie waren nicht in Rostock, sahen die Ausschreitungen nur im Fernsehen. "Ich war entsetzt", sagt Kapellner. "Wir sind eine gut ausgebildete Einheit, aber der hohe Gewaltpegel und die Härte der Demonstranten, die ich auch nach zehn Jahren als Hundertschaftsführer so noch nicht erlebt habe, machen mich betroffen, vor allem, dass Kollegen gezielt verletzt werden sollten und wurden."

Polizeipräsident Wolfgang Albers ist nach den Worten seines Sprechers Harry Kolbe erleichtert, dass die Bonner Beamten bisher nicht in schlimme Zwischenfälle verwickelt waren. Und Piastowski telefoniert so oft wie möglich mit Kapellner: "Ich muss doch wissen, wie es ihnen geht." Zumal die Belastung in den vergangenen drei Jahren "ungeheuer groß" gewesen sei.

2005 habe der Confederations-Cup stattgefunden, 2006 die Fußball-Weltmeisterschaft plus Bush-Besuch in Stralsund und jetzt der Gipfel in Heiligendamm. Dazu kämen Bundesligaspiele und diverse Veranstaltungen in Bonn wie Rhein in Flammen, listet Piastowski auf. "Wenn der Rest der Welt feiert oder Fußball schaut, ist die Einsatzhundertschaft im Dienst. Sie hat eine Fülle von Aufgaben, ständig und gerade an Wochenenden."

Anlässlich der Krawalle von Rostock ist Piastowski besorgt. "Wir müssen mit solchen Szenarien rechnen", glaubt der Oberrat für die Tage des Gipfel-Treffens. Auch, dass die Beamten jetzt vorsichtiger sein werden. "Deeskalation muss unsere Aufgabe sein, aber das bedeutet trotzdem nicht, dass wir tatenlos zusehen, wenn Steine fliegen." Ein Polizist der Bonner Einheit sagt: "Eigentlich hätte ich mitfahren sollen, aber wenn man jetzt die Bilder sieht, ist es besser, dass es nicht geklappt hat."

Kapellner fährt unterdessen weiter über die A 20 Richtung Schloss Hohen Luckow. Mit gemischten Gefühlen. Seine Kollegen, gerade die, die nicht über eine so lange Erfahrung verfügen wie er selbst, haben schon Sorgen, glaubt Kapellner, "vielleicht haben sie sogar Angst." Am Donnerstag heißt der nächste Einsatzort Heiligendamm.

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