Tannen werden geliefert Weihnachtsbaum kommt mit dem Rad

Endenich/Duisdorf. · Auch im 40. Jahr der Aktion „Crazy Chrismastrees“ bieten Helfer des Vereins Naturschutz und Landschaftsökologie Weihnachtsbäume an. In diesem Jahr liefern sie 260 Tannen mit Lastenrädern aus.

 Klemens Wildt fährt erstmals mit einem Lastenanhänger und ist begeistert vom Elektroantrieb.

Klemens Wildt fährt erstmals mit einem Lastenanhänger und ist begeistert vom Elektroantrieb.

Foto: Stefan Hermes

„In diesen schwierigen Zeiten ist der Weihnachtsbaum für mich etwas ganz besonderes“, sagt Ulrike Heimsath. Soeben hat sie zusammen mit ihrem Mann Thomas eine kleine Kiefer als Weihnachtsbaum entgegengenommen. Während sie sich beim Sprechen über die aktuell belastende Zeit berührt zeigt, gelingt es ihrem Mann in Anbetracht des unregelmäßig gewachsenen Baumes, ein wenig Heiterkeit in die Übergabe zu bringen. Zum Lastenradfahrer Klemens Wildt sagt er: „Jeder Baum hat ein Zuhause verdient, egal wie er aussieht.“

Die Aktion „Crazy Christmastree“ (auf Englisch: verrückter Weihnachtsbaum) des Vereins Naturschutz und Landschaftsökologie (NaLa) sei wunderbar, da sie alle Bäume berücksichtige, egal wie sie gewachsen sind und egal woher sie kommen, fügt Heimsath hinzu. Kurz zuvor hatte Wildt den Baum, der nun das Weihnachtsfest im Duisdorfer Oberdorf bereichern wird, in Endenich auf den motorisierten Lastenanhänger seines Fahrrads geladen. Mit acht weiteren ehrenamtlichen Helfern und ebenso vielen Lastenrädern hat er am Samstag begonnen, die 260 vorbestellten Weihnachtsbäume auszuliefern. Bis Montag sollen sie bei ihren neuen Besitzern sein.

Im 40. Jahr haben die Helfer die Bäume aufgrund der aktuellen Lage nicht wie üblich vor Ort in Poppelsdorf verkaufen können. „Dabei war das Auswählen immer sehr lustig“, sagt Simon Keelan vom NaLa. Seit zehn Jahren ist er einer der Organisatoren der Aktion. Der Agrarwissenschaftler gehört zur Gruppe früherer Studenten, die das Werk ihres emeritierten Professors Wolfgang Schumacher fortsetzen. Schumachers Idee war es, durch die Entnahme der Weihnachtsbäume artenreiche Wiesen mit hohem Naturschutzwert, die nicht genügend gepflegt wurden, zu renaturieren. Wo Nadelhölzer wuchsen, sollten sie entfernt werden, um dort den typischen Wiesenpflanzen wieder Platz zu verschaffen. Kelan: „Das Ziel war, diese Flächen wieder langfristig durch Mähen oder Beweidung in eine angepasste Pflege zu bringen.“

Wenn man die Wiese nicht mäht, kommen Bäume, und langfristig entsteht ein Wald, fasst Keelan zusammen, warum sich mit dem Schlagen der Bäume in den vergangenen Tagen zwei Teams mit jeweils etwa 20 Personen aufgemacht haben, um die „verrückten Weihnachtsbäume“ nach Bonn zu bringen. „Inzwischen fördern wir auch den Waldumbau“, sagt der Naturschützer. Man gehe nun in Flächen, in denen junge Fichten und Kiefern stehen, damit dort wieder Laubmischwälder entstehen können. In diesem Jahr habe man die Kiefern im Rahmen einer Naturschutzaktion aus einem sehr artenreichen Kalksteinbruch bei Bad Münstereifel geholt, die Fichten aus einem Wiesengelände des Eifeler Urfttals.

Während der meistgekaufte Weihnachtsbaum in Deutschland inzwischen die Nordmanntanne ist, die ebenmäßig gewachsen meist aus Plantagen kommt und deren weiche Nadeln sich beim Schmücken des Baumes nicht mehr durch Stiche wehren, sind die „crazy“ Fichten des NaLa pieksend. „Auch die Kiefern sind etwas ganz besonderes“, sagt Keelan. Sie sähen gar nicht aus, wie typische Weihnachtsbäume. „Sie sind eher hellgrün und duften dabei aber herrlich“, sagt Keelan, „und wenn man Glück hat, sind auch noch Zapfen dran, die in der Wärme beginnen, aufzuknacken.“

Während in den vergangenen Jahren immer um die fünf- bis siebenhundert Bäume in Bonn verkauft wurden und damit oft weit mehr als 10 000 Euro an Spenden zusammenkamen, konnten in diesem Jahr die Bäume ausschließlich per Internet bestellt und nicht zuvor in Augenschein genommen werden.

Die komplette CO2-neutrale und coronakonforme Auslieferung der Bäume übernehmen Ehrenamtler des Lastenrad-Arbeitsgemeinschaft Bolle, ein Projekt der Vereine Solidarische Landwirtschaft und Bonn-im-Wandel. „Wir möchten durch unsere Mithilfe dazu beitragen, die Menschen für ein anderes Mobilitätskonzept zu begeistern“, sagt Raffael Holland von Bolle in Bonn. Durch die schon erfolgreichen Schoko- und Weintouren des Vereins, in denen Schokolade aus Amsterdam und Wein von der Ahr per Lastenrädern abgeholt werden, ist Holland davon überzeugt, dass für die Idee von Transporten mit dem umweltfreundlichen Lastenrad, „in Bonn viel Potenzial steckt.“

Die Lastenräder oder -anhänger können kostenlos ausgeliehen werden. Auch beispielsweise beim Selbstbau eines Rades sei man bei Bolle (www.bolle-bonn.de) behilflich. Dort freue man sich, wenn die Räder dann der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, sagt Holland.

Auch der hinter Bolle stehende Verein Bonn-im-Wandel wird zu einem Viertel von den Weihnachtsbaumspenden profitieren. Jeweils 25 Prozent der Einnahmen gehen an die Bonner Tafel, ein Naturschutzprojekt in Rumänien und an die Eifeler Herkunftsorte der Bäume, wo mit den Spenden örtliche Vereine unterstützt werden.

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