Langzeitarbeitslos in Bonn Wie ein 53-Jähriger mit seiner sechsköpfigen Familie lebt
BONN · Peter K. (Name geändert) ist 53-Jahre. Und er ist Langzeitarbeitslos. Seit 15 Jahren. Der ehemalige Gerüstbauer berichtet, wie er und seine sechsköpfige Familie in Bonn leben.
Die Nacht war für Peter K. (Name geändert) wieder sehr kurz. Sein jüngster Sohn, 21 Monate alt, war sehr unruhig. Hinzu kommt, dass der 53-Jährige und seine Frau auf dem ausziehbaren Sofa im Wohnzimmer neben dem Zimmer des Kleinen schlafen müssen. "Das ist natürlich nichts für meinen kaputten Rücken", sagt er. Doch das Ehepaar hat keine andere Wahl: Im Elternschlafzimmer haben die drei Töchter - 10, 13 und 15 Jahre alt - ihr Reich. Drei Zimmer für sechs Personen.
Die sechsköpfige Familie lebt von Sozialgeld. Um die 1000 Euro bleibt ihr im Monat nach Abzug der Miete, Nebenkosten, Telefon und sonstiges. "Das ist ja eigentlich nicht wenig Geld", meint der Familienvater, "aber es reicht trotzdem nie aus." Gerade erst ist die Waschmaschine kaputt gegangen. Die Neue ist auf Raten gekauft. Die belasten das Budget zusätzlich. Der Kühlschrank funktioniert auch nicht mehr richtig.
Wer sich in der Wohnung umschaut, sieht: Es fehlt an allem. Im Mädchenzimmer steht nur ein Bett, in dem die mittlere Tochter schläft. Die Älteste nächtigt auf einer Couch, die Jüngste auf einer Matratze. Kleiderschrank und Schreibtische gibt es nicht. Und wie in allen Familien mit schulpflichtigen Kindern waren jetzt auch noch zusätzliche Ausgaben für die Klassenkasse, die Bustickets und das Kopiergeld fällig. "Wir haben jetzt noch 50 Euro für den Rest des Monats", sagt der 53-Jährige und zuckt mit den Schultern. Eigentlich hätte die Familie Anspruch auf eine größere Wohnung. "Aber dann wissen wir nicht, wo wir landen. Hier stimmt wenigstens das Umfeld."
15 Jahre ist der Bonner, der aus erster Ehe vier erwachsene Kinder hat, schon arbeitslos. Vorher hat der einstige Gerüstbauer viele Jahre immer wieder im Gefängnis gesessen. "Wegen Schlägereien und Diebstahls", erzählt er freimütig. Arbeit wird er nicht mehr finden, ist er überzeugt. Da ist einmal sein Lebenslauf. Und die Krankheit: Vor einigen Jahren hatte er zu allem Unglück auch noch einen Herzinfarkt. "Ich würde mich ja selbst nicht einstellen", sagt er und lacht. Der Humor ist ihm trotz seiner schwierigen Lebenslage nicht abhanden gekommen.
Im Moment sind er und seine Frau ganz zufrieden. Die Stadt Bonn hat über das Bildungs- und Teilhabepaket die Kosten für die beiden älteren Töchter für eine Herbstferienfreizeit übernommen. "Dann kommen die wenigstens mal hier raus", freut sich der Vater. Von der Möglichkeit der Kostenübernahme hat er nur dank eines Mitarbeiters des Jugendzentrums erfahren, das seine Kinder regelmäßig besuchen. "Ich hasse Betteln. Das mache ich nicht."
Einmal hat er von einer Gemeinde Weihnachtspakete für die Mädchen bekommen. "Da war nur gebrauchtes Spielzeug drin. In den Büchern fehlten Seiten, und eine Puppe war bemalt. Ich habe mich so vor meinen Kindern geschämt", sagt er. Viel Hilfe habe seine Familie bisher vom Stadteilbüro der Diakonie erhalten. "Als der Kleine geboren wurde, hatten wir ja nichts mehr. Keinen Kinderwagen und keine Babysachen", sagt die Ehefrau. Das habe das Stadtteilbüro organisiert.
Um den beiden Töchtern ein wenig Taschengeld mit auf die Reise geben zu können, nimmt er Ärger mit dem Stromlieferanten in Kauf. "Die Rechnung kann ich im Moment nicht bezahlen. Das muss warten, bis wieder was auf dem Konto ist", sagt Peter K. und hofft, dass ihm nicht wie schon einmal der Saft abgedreht wird.
"Natürlich meckern die Mädchen, weil sie vieles nicht haben, was andere kriegen", sagt seine Frau. Auch sie ist, obwohl erst 35, nur eingeschränkt arbeitsfähig. Nach der Geburt der jüngsten Tochter hat sie einen Schlaganfall erlitten. Davon hat sie sich bis heute nicht erholt. Eine auswegslose Situation. Das wissen beide.