Willkommen im Haifischbecken

Das liberale Wunderkind Philipp Rösler übernimmt das Gesundheitsressort

  Will die Menschen  nicht überfordern: Philipp Rösler (Mitte), hier mit seinen Parlamentarischen Staatssekretären Annette Widmann-Mauz, CDU, und Daniel Bahr, FDP.

Will die Menschen nicht überfordern: Philipp Rösler (Mitte), hier mit seinen Parlamentarischen Staatssekretären Annette Widmann-Mauz, CDU, und Daniel Bahr, FDP.

Foto: ap

Bonn. Einen hat sie noch nach fast neun Jahren: "Bleiben Sie gesund. Anders, Sie wissen ja, wär' nämlich schlecht." Mit dem selbstironischen Satz, der die Spannung bricht, beugt Ulla Schmidt den Tränen vor, die ihr wenige Stunden vorher bei der Verabschiedung von ihren Berliner Mitarbeitern in die Augen geschossen waren.

Amtsübergabe im Gesundheitsministerium an seinen Sitzen in der Hauptstadt und in Bonn. Auf die Sozialdemokratin Schmidt, die im "Haifischbecken" Gesundheitspolitik länger an der Oberfläche schwamm als alle Amtsvorgänger, folgt der FDP-Mann Philipp Rösler.

Die rund 150 Mitarbeiter, die sich im Foyer des Ministeriumsbaus an der Villemombler Straße versammelt haben, warten gespannt auf den Auftritt "ihres" neuen Ministers. Der erst 36-jährige Rösler mit dem noch jungenhafteren Gesicht, Shootingstar der Liberalen, übernimmt das Mikrofon. Respekt und Dank für die Vorgängerin, Anerkennung ihrer "Hartnäckigkeit und Stärke" in der Auseinandersetzung mit den Lobbygruppen der Gesundheitswirtschaft.

Bei den Mitarbeitern wirbt er um die gleiche "Treue und Loyalität", die sie Schmidt entgegengebracht haben und sichert im Gegenzug zu, seiner Fürsorgepflicht für sie nachzukommen. "Ein Minister ist immer nur so gut wie die Mitarbeiter, die hinter ihm stehen", sagt er. Bei den anstehenden schwierigen Haushaltsverhandlungen werde er um jeden Euro und Cent für sein Haus kämpfen, verspricht der 1973 in Südvietnam geborene Rösler.

Gemessen am Beifall der Ministerialen hat er damit die richtigen Worte gefunden. Seine beiden parlamentarischen Staatssekretäre, die 43-jährige CDU-Gesundheitsfachfrau Anette Widmann-Mauz und der liberale Parteifreund Daniel Bahr (33), erhalten gleichfalls freundlichen Applaus.

Von kolportierten Vorbehalten gegen den Liberalen an der Spitze des fast neun Jahre lang SPD-geführten Hauses ist nichts zu spüren. Die Befürchtungen, die wegen seiner Parteizugehörigkeit in der Bevölkerung vorhanden sind, versucht Rösler später im Gespräch mit dem GA zu entkräften.

Von Ängsten, dass jetzt eine neoliberale Politik auf Kosten der Schwachen gemacht werde, will der studierte Arzt nichts wissen. "Ich fühle mich gegenüber 80 Millionen Menschen in der Pflicht", versichert er. Und: "Es gibt keine emotionaleren Themen als Gesundheit und Pflege. Ich habe klare Vorstellungen, aber wir dürfen die Menschen nicht überfordern." Vorgängerin Schmidt hatte ihm zuvor ins Stammbuch geschrieben, dass es keine Entwicklung geben dürfe, "bei der die Frage, wie viel Hilfe jemand bekommt, vom Geldbeutel abhängt".

Die Benennung Röslers, der zu diesem Zeitpunkt noch Wirtschaftsminister und stellvertretender Regierungschef in Niedersachsen war, zum Bundesgesundheitsminister war eine der großen Überraschungen bei der Regierungsbildung. Trotz seiner medizinischen Ausbildung war Rösler bis dahin nicht als Gesundheitsexperte öffentlich in Erscheinung getreten.

Als Favoritin für das Amt hatte Ursula von der Leyen gegolten. Doch Rösler hält dagegen, dass er in der entsprechenden Koalitions-Fachrunde zusammen mit von der Leyen die Linie ausgehandelt habe. Parteichef Guido Westerwelle habe ihn dann "überzeugt", als Minister in den kommenden vier Jahren für die Umsetzung zu sorgen. Auf die Frage nach der nötigen Erfahrung an der Spitze eines großen Ministeriums verweist der neue Ressortchef auf sein niedersächsisches Ministeramt.

An der Aufteilung der Aufgaben zwischen dem Hauptstandort Bonn, wo zwei Drittel der 650 Mitarbeiter sitzen, und der Kopfstelle in Berlin will Rösler nicht rütteln. "Das bleibt so, wie es ist", stellt der neue Minister klar. "Der Bonn/Berlin-Vertrag wird nicht in Frage gestellt."

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