"Wir opfern die Oper nicht fürs Festspielhaus"

Nach Postbank-Rückzieher: FDP und Linkspartei geben Bekenntnisse ab - und sind sich darin mit Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel einig.

Bonn. So richtig wahrhaben will er es wohl nicht. Überrascht vom Ausstieg der Postbank aus dem Festspielhaus-Projekt, telefonierte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch am Dienstag mit Vorstandschef Stefan Jütte. "Er hat mir erläutert, dass es für die Postbank derzeit keine Klarheit gibt, weil kein Konfür eine geschlossene Gesamtmaßnahme vorliegt", erklärte Nimptsch.

"Mit Post und Postbank ist ein weiteres Gespräch terminiert, dessen Ergebnis offen ist", setzte er hinzu - ganz so, als habe die Bank nicht in aller Deutlichkeit den Rückzug erklärt.

Was bisher geschah##ULIST##

2001: Der Bonner Kulturrat bringt mit Blick auf Beethovens 250. Geburtstag 2020 die Idee eines Festspielhauses auf den Tisch.

  • 13. Juni 2007: Der Bonner Rat fasst den Grundsatzbeschluss für ein neues Festspielhaus. Deutsche Post, Telekom und Postbank hatten die Bereitschaft zur Finanzierung des Baus erklärt.
  • November 2007: Der Bundestag sagt 39 Millionen Euro für die Betreiberstiftung zu.
  • Sommer 2009: Ein Expertengremium einigt sich auf Hermann & Valentinys "Welle" und Zaha Hadids "Diamant". Beide Entwürfe beinhalten den Abriss der Beethovenhalle.
  • 20. Oktober 2009: Der neue OB Jürgen Nimptsch kündigt eine Bürgerbefragung zu Beethovenhalle und Festspielhaus an.
  • 23. Oktober 2009: Festspielhaus-Initiatorin Karin Hempel-Soos stirbt.
  • November 2009: Postchef Appel verkündet, über den Siegerentwurf erst nach der Bürgerbefragung zu entscheiden.
  • 12. Dezember 2009: Ex-Stadtdirektor Volker Kregel nennt das Areal des Landesbehördenhauses als Standort, zieht die Idee später zurück.
  • Januar 2010: OB Nimptsch bekennt sich zum Bau des Festspielhauses am Standort der Beethovenhalle und spricht sich für deren Abriss aus.
  • März 2010: Nimptsch kündigt ein Gespräch mit den Sponsoren an, in dem alle offenen Fragen geklärt werden sollen.
  • April 2010: Nimptsch hat sich mit der Deutschen Post, Telekom und Postbank darauf verständigt, das Projekt "vorerst nicht weiter zu verfolgen".
  • September 2010: Die Telekom steigt als Sponsor aus.
  • 5. September 2011: Die Postbank teilt mit, nicht mehr als Investor für das Festspielhaus zur Verfügung zu stehen. (lis)

Damit klafft eine Lücke von 40 bis 50 Millionen Euro in der Baufinanzierung. Eigentlich wollte Nimptsch am Freitag der Festspielhaus-Idee mit einer Rede zur Eröffnung des Beethovenfestes neuen Schwung verleihen und als Standortvarianten die Beethovenhalle, die Oper sowie die Rheinaue benennen.

Viele Ratspolitiker erwarten zudem einen Vorstoß des Oberbürgermeisters, auf die eigene Oper zu verzichten, um ein Festspielhaus zu finanzieren.

Der GA-Bericht über den Postbank-Rückzieher schlug am Dienstag in Bonn wie eine Bombe ein. Monika Wulf-Mathies, die Vorsitzende des Vereins Fest.Spiel.Haus.Freunde, ließ sich trotzdem nicht entmutigen. "Ich bin überzeugt, dass das Festspielhaus eine Chance hat", betonte sie.

"Allerdings zeigt der Rückzug der Postbank, dass sich Oberbürgermeister und Rat jetzt klar hinter das Projekt stellen müssen. Die Stadt muss einen verbindlichen Zeitplan für weitere Schritte vorlegen." Nur dann könnten erfolgreich weitere Sponsoren gewonnen werden.

Die FDP-Ratsfraktion sieht das genau umgekehrt. Jetzt müssten mit der Post erst die Finanzen besprochen werden, sagte Fraktionschef Werner Hümmrich: "Eine Phantomdiskussion bei ungeklärter Finanzperspektive könnte die Stimmung in der Bevölkerung zum Kippen bringen."

Die FDP halte die Rheinaue als Standort für geeignet, so Hümmrich. Eine Absage erteile seine Fraktion den Überlegungen, die eigene Oper aufzugeben. Hümmrich: "Wir werden sie nicht dem Festspielhaus opfern!"

Damit liegt die FDP auf der Linie von Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel (siehe Kurzinterview unten). Elisabeth Einecke-Klövekorn, Vorsitzende der Theatergemeinde, formulierte schärfer: "Nachdem die Finanzierung eines Festspielhaus-Baus noch unsicherer geworden ist, erscheint es widersinnig, durch Abrissfantasien den guten Ruf der Oper zu beschädigen." Ähnlich äußerte sich die Linkspartei im Rat. "Schauspiel und Oper sind für uns unantastbar", so Jürgen Repschläger.

Der Bürger Bund Bonn steht zum Festspielhaus und fordert eine Sitzung des Projektbeirates, der seit einem Jahr nicht mehr getagt habe. BBB-Chef Bernhard Wimmer kritisiert, dass die Stadt zu viel Zeit verloren habe. "Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte das Projekt nicht auf Eis gelegt werden dürfen", so Wimmer. "Aber die anderen Fraktionen haben den Oberbürgermeister in seiner ängstlichen Haltung unterstützt. Das Projekt hätte damals engagiert befördert werden müssen."

Die SPD griff die schwarz-grüne Ratsmehrheit heftig an. CDU und Grüne verspielten mit ihrer skeptischen Haltung die "letzte Chance für die Realisierung" des Festspielhauses, wetterte Fraktionschef Wilfried Klein. Die Koalitionsspitze hatte auf ungeklärte Fragen des Projektes hingewiesen.

Bedauern äußerte Manfred Harnischfeger, der Leiter des Beethovenhauses. "Wir geraten wieder in eine unglückliche Situation, die wir schon einmal hatten und die zur 'Denkpause' führte: Es ist unklar, was die Stadt will und kann. Dies erzeugt erneut Verdruss bei Bund, Land, Unternehmen und anderen potenziellen Sponsoren."

Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel:
Ich bin erschüttert über das AusstiegsszenarioÜber die aktuelle Entwicklung in Sachen Bonner Festspielhaus sprach Bernhard Hartmann mit Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel.

General-Anzeiger: Was halten Sie von dem Standort Oper als Gelände für ein neues Festspielhaus, wie es OB Nimptsch unter anderem vorschlägt?

Ilona Schmiel: Bei der Frage der Standorte bin ich sehr klar für die Beethovenhalle oder Rheinaue. Ich meine, dass sich eine Bundesstadt Bonn sehr genau überlegen muss, zu diesem Zeitpunkt ein neues Festspielhaus auszuschlagen. Sie muss im Hinblick auf 2020 dieses Thema weiter vorantreiben. Ich finde, sie darf keine bestehende Kulturinstitution zerstören. Und damit spreche ich mich gegen den Standort Oper aus.

GA: Wie ist Ihre Reaktion auf den Ausstieg der Postbank als Sponsor?

Schmiel: Ich bin erschüttert, dass es zu diesem Zeitpunkt zu diesem Ausstiegsszenario gekommen ist. Ich denke aber dennoch, dass man gerade unter diesen Vorzeichen jetzt alle Protagonisten noch einmal an einen Tisch holen und die verschiedenen Szenarien bis zum Ende deklinieren muss. Mit allen Fakten, mit allen offenen Fragen. Es muss ja letztlich eine Lösung gefunden werden, wie man mit der Gesamtthematik Beethoven im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 2020 umgehen will. An der Grundsituation verändert die Absage der Postbank nichts. Es ist noch lange kein Grund aufzugeben. Ich fände es zu diesem Zeitpunkt wichtig, konstruktiv mit der Situation umzugehen. Ich habe immer gesagt, dass bis Frühjahr 2012 alles entschieden sein muss. Und der Druck erhöht sich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort