Wirbel um die Vergangenheit des Generals

Lothar von Trotha ist für den Tod tausender Herero-Krieger verantwortlich - Bonner Historiker kritisiert die Stadt wegen des Ehrengrabes - Die Verwaltung will jetzt den Namen von der Ehrenliste streichen

Wirbel um die Vergangenheit des Generals
Foto: Max Malsch

Poppelsdorf. Der Hauch der Geschichte ist auf dem Poppelsdorfer Friedhof allgegenwärtig. Die altehrwürdige Anlage am Hang des Kreuzberges zählt zu den schönsten ihrer Art in Bonn. Der Friedhof ist die Ruhestätte vieler verdienter Bonner Bürger.

Eine Tafel am Haupteingang des Friedhofs weist den Weg zu 80 Ehrengräbern, etwa dem des Nobelpreisträgers Wolfgang Paul. Unter Nummer 59 ist zu lesen: "Lothar von Trotha, General der Infanterie, 1848-1920". Weitere Informationen sucht man vergebens.

Dieser Eintrag ärgert Rainer Selmann jedes Mal aufs Neue. Der Historiker veranstaltet im Rahmen seiner "Bonner Stadtspaziergänge" einmal pro Monat eine Führung über den Poppelsdorfer Friedhof. "Wenn ich den Teilnehmern meiner Führungen erst einmal vom Wirken Lothar von Trothas erzählt habe, sind die meisten erschüttert, dass er in dieser Liste geehrt wird."

Der kaiserliche General ist nämlich die Hauptfigur in einem der dunkelsten Kapitel deutscher Kolonialgeschichte: der Niederschlagung des Herero-Aufstands in Deutsch-Südwest-Afrika 1904, dem heutigen Namibia. Als die Aufständigen nach der verlorenen Schlacht am Waterberg am 11. August 1904 mitsamt ihrer Familien in die angrenzende Omaheke-Wüste flohen, ließ von Trotha als Oberkommandierender der deutschen Truppen einen Sperrgürtel um den kargen Landstrich errichten und die wenigen Wasserstellen besetzen.

Das führte dazu, dass Tausende von Hereros verdursteten, verhungerten und an Entkräftung starben. Diese Strategie war zusammen mit von Trothas Befehl, jeden aufgegriffenen Herero zu erschießen, nach Meinung vieler Historiker auf die Vernichtung des Herero-Volks ausgerichtet. Insgesamt starben bis zum Kriegsende 1907 je nach Schätzung zwischen einem und zwei Drittel der Hereros

Von Trotha war ein Kind seiner Zeit: Während des Zeitalters des Imperialismus gingen auch andere europäische Länder mit rück-sichtslosen Mitteln gegen Aufstände in ihren Kolonien vor. Historiker wie der Experte für deutschen Kolonialismus, Joachim Zeller, vermuten, dass sich von Trotha nach heutigen Maßstäben wegen seiner Vergehen vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Völkermords verantworten müsste. Trotzdem gibt es in Bonn ein Ehrengrab für ihn.

"Nein", sagt Ulf Rüffer vom zuständigen Amt für Stadtgrün der Stadt Bonn. "Lothar von Trothas Grab ist nie vom Rat der Stadt Bonn zu einem Ehrengrab erklärt worden. Und nur der Rat kann diese Würde verleihen" Wie das Grab aber genau auf die Tafel gekommen ist, kann Rüffer auch nach Durchsicht der Akten nicht mehr genau sagen.

Erhalten werde es nur noch aus Gründen des Denkmalschutzes, der für weite Teile des Poppelsdorfer Friedhofs gilt. Rüffer räumt jedoch ein, dass die Bezeichnung Ehrengräber auf dem Schild am Friedhofseingang "unglücklich" gewählt ist: Denn auch weitere aufgeführte Gräber sind keine richtigen Ehrengräber. "Die Tafel ist lediglich als Wegweiser zu den historisch bedeutendsten Grabstätten des Friedhofs gedacht."

Der Familienverband der von Trothas wollte sich gegenüber dem General-Anzeiger nicht zur konkreten Statusfrage des Grabes äußern. Doch an ihrer generellen Haltung zu den Ereignissen rund um den Herero-Aufstand lässt der Vorsitzende des Familienverbandes, Wolf-Thilo von Trotha, keinen Zweifel: "Wir sind über die schrecklichen Ereignisse am Waterberg vor hundert Jahren beschämt und bedauern zutiefst den grausamen, sinnlosen Tod zehntausender Hereros." Vertreter der Familie waren deshalb 2007 zu Besuch bei den Ovahereros in Namibia.

Die Stadt hat reagiert: Derzeit wird eine Liste mit allen Ehrengräbern erstellt. Danach soll die Hinweistafel in Poppelsdorf erneuert und der Name des Generals gestrichen werden, so Rüffer.

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