Wo Kohl und Gorbatschow spazieren gingen

Kanzleramtschef Thomas de Maizière spricht bei der Eröffnung des restaurierten Kanzlerbungalows

Wo Kohl und Gorbatschow spazieren gingen
Foto: dpa

Bonn. Am kleinen Schwimmbassin im Atrium des Kanzlerbungalows tauschten gleich drei ehemalige Kanzleramtschefs ihre Erinnerungen aus, während ihr amtierender Nachfolger Thomas de Maizière interessiert zuhörte. Waldemar Schreckenberger, Rudolf Seiters und Manfred Schüler gehörten am Donnerstag ebenso wie der Bundesminister für besondere Aufgaben zu den zahlreichen Gästen der offiziellen Eröffnung.

Die private Wüstenrot Stiftung übergab das sanierte Wohn- und Empfangsgebäude der Bundeskanzler zurück an den Hausherrn, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Und damit zugleich an alle, die sich für diesen Teil der Geschichte der Bundesrepublik interessieren: Erstmals in seiner Geschichte ist der Kanzlerbungalow jetzt bei Führungen und Veranstaltungen für Publikum geöffnet.

Dass Bauherr Ludwig Erhard seinerzeit Prunksucht vorgeworfen wurde, kann der Kanzleramtschef heute nicht verstehen. "Es ist wirklich ein sehr kleiner Pool und die Dimensionen des Baus gerade im privaten Teil sind sehr bescheiden", sagte Thomas de Maizière.

Das moderne Gebäude von Architekt Sep Ruf sei zugleich ein "Symbolbau unserer Demokratie" und ermögliche einen Blick in die äußerst lebendige Vergangenheit.

Hans Walter Hütter, Präsident des Hauses der Geschichte, gab dafür ein Beispiel: "Hier wurden erste Weichen für die Wiedervereinigung gestellt." Bei ihrem Treffen am 14. Juni 1989 seien Michail Gorbatschow und Helmut Kohl gegen Mitternacht durch den Park des Kanzlerbungalows spaziert, nur begleitet von einem Dolmetscher. An der Mauer zum Rhein seien sie auch der deutschen Frage näher gekommen.

Ein ganz anderer war laut Hütter 20 Jahre zuvor zu Gast. Sänger Udo Jürgens saß am Flügel und spielte das Lied, mit dem er den Eurovision Song Contest gewonnen hatte. Statt des vertraulichen "Merci Chérie" änderte er den Text für Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger in "Merci Merci". Solche Anekdoten werden die Besucher künftig bei den Führungen hören, die das Haus der Geschichte im Kanzlerbungalow anbietet.

Für die Wüstenrot Stiftung ist das Engagement in Bonn noch nicht beendet. Sie hat für die kommenden drei Jahre noch finanzielle Unterstützung für die Veranstaltungen zugesagt. "Es ist ein Glücksfall, dass das Haus der Geschichte den Kanzlerbungalow in seine Obhut nimmt", sagte Wolfgang Bollacher, Vorstandsvorsitzender der Stiftung.

Auch die Familie Ruf, Sep Rufs Tochter Notburga und Enkeltochter Elisabeth, war am Donnerstag angetan: "Es ist wirklich herrlich geworden."

Der Architekt Sep RufSep Ruf (1908-1982) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts. Viele Bauten des Bayern stehen in München, er entwarf aber auch die - inzwischen leerstehende - bayrische Landesvertretung in der Welckerstraße in Bonn. Gemeinsam mit Egon Eiermann baute Ruf den Deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1958 in Brüssel. Der Architekt war nicht nur Nachbar der Erhards am Tegernsee, er hatte 1954/55 auch deren Privathaus geplant.

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