Wolfgang Picken und Stephan Eilers: "Statt Gift brauchen wir Engel"

BAD GODESBERG · Seit drei Jahren ist die Bürgerstiftung Rheinviertel aktiv. Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Picken und der Kuratoriumsvorsitzende Stephan Eilers schildern die Entwicklung. Mit den beiden sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

Wolfgang Picken und Stephan Eilers: "Statt Gift brauchen wir Engel"
Foto: Barbara Frommann

General-Anzeiger: Herr Picken, Sie haben die Stiftung 2005 als Reaktion auf den rigorosen Sparkurs des Erzbistums mit 50 000 Euro Startkapital gegründet. Wo stehen Sie jetzt?

Picken: Uns ist es gelungen, das Startkapital zu vervielfältigen und gut anzulegen. Wir haben knapp drei Millionen Euro, brauchen aber das Doppelte. Für unsere laufenden Projekte wie Hospiz, Kindergärten und Jugendarbeit müssen wir jährlich rund 300 000 Euro sammeln.

GA: Herr Eilers, Sie als neuer Kuratoriumsvorsitzender sagen, dass aus den Finanzmitteln weder das Bestehende aufrecht erhalten noch Neues angegangen werden kann?

Eilers: Ja, das ist so. Unser Ziel ist es, einen großen Teil der benötigten Mittel aus Zinsen unseres Stiftungsvermögens zu erwirtschaften, damit die Stiftungsprojekte über Jahre gesichert sind. Da sind wir momentan noch weit von entfernt. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, mit neuen, kreativen Methoden unsere Einnahmen nach vorne zu bringen.

GA: Wann wird die Stiftung an der Kreisauer Straße ihren Kindergarten St. Georg speziell für unter Dreijährige (U3) starten? Die Plätze sind sicher längst belegt?

Picken: Der Kindergarten geht im Februar mit 20 Plätzen über drei Jahren und zwei mal zehn Plätzen unter drei Jahren an den Start. Derzeit interessieren sich 120 Bewerber dafür. Die Plätze sind noch nicht vergeben und werden durch einen Ausschuss gerecht verteilt. Man kann sich also noch bewerben.

GA: Bislang ermöglicht die Stiftung integrierte Hospizarbeit in lokalen Altenheimen. Im November wird auch ein ambulanter Dienst ans Netz gehen?

Picken: Die indische Ordensschwester Lancy aus dem Herz Jesu Kloster beginnt dann mit der Arbeit. Sie wird sich um Sterbebegleitung und Schmerztherapie zu Hause kümmern.

GA: Apropos Sterbehilfe-Diskussion. Sie kritisieren einen "Trend zum Massenselbstmord"?

Picken: Ja, es wächst der Druck auf Kranke und Alte "abzutreten". Doch statt Gift brauchen wir "Engel", Menschen, die sich der Begleitung Sterbender widmen. Die Pflegekassen müssen also endlich die Kosten für qualifizierte Sterbebegleitung übernehmen, um den Trend zu stoppen.

GA: Wie viele Menschen haben schon in dem von der Stiftung restaurierten Mausoleum von Carstanjen ihre letzte Ruhe gefunden?

Picken: Nach den ersten sechs Monaten laufen wir auf die 50 zu, das sind rund die Hälfte aller Sterbefälle in meinem Viertel. Erfreulicherweise haben sich die Anwartschaften toll entwickelt. Die Menschen begreifen, dass sie mit einer Reservierungsgebühr von 1000 Euro für den Platz im Mausoleum Gutes tun und die Kindergärten und Hospize unterstützen.

GA: Herr Eilers, wie viele Ehrenamtliche engagieren sich wie Sie in der Stiftung?

Eilers: Wir haben über 400 Menschen vom Rentner bis zum Vorstandsvorsitzenden vertreten, das macht unseren Charme und unsere Effizienz aus. Wir verbinden Generationen, Geschlechter und Kulturen miteinander.

GA: Es haben sich inzwischen nach Godesberger Vorbild weitere Stiftungen gebildet. Wo kann das klappen, wo nicht?

Eilers: Wir beraten derzeit ungefähr 15 Gemeinden. Die Resonanz ist enorm. Pfarrer Picken hat es geschafft, die Kirche wieder fit, schlank und muskulös zu machen. Dadurch zieht sie auch Leute an, die sich längst abgewandt hatten.

GA: Ihre Stiftung fängt lokal den erzbischöflichen Spardruck auf. Der Bürger zahlt also direkt für soziale Arbeit vor Ort ein. Ist das nicht eine Einladung, sich Kirchensteuern zu sparen?

Picken: Die Kirchensteuer sichert die kirchliche Grundversorgung, unsere Stiftung die zusätzlichen sozialen Aufgaben, die nicht primär katholische Aufgabe sind. Damit hat jede Gemeinde es selbst in der Hand, ihr Leben zu gestalten. Die, die säen, ernten auch entsprechend. Wünschen würde ich mir allerdings eine leistungsorientierte Verteilung der Kirchensteuer. Da, wo viele Messen und Veranstaltungen abgehalten werden, muss auch mehr Kirchensteuer hin fließen, weil die Kosten höher sind als dort, wo das Gemeindeleben einschläft. Mit unserem Generalvikar habe ich über einen Innovationsfonds gesprochen. Ein Topf, aus dem Initiativen Anschubfinanzierung erhalten - das wäre für mich der Priesterhimmel auf Erden.

GA: Es gibt also keine vermehrten Kirchenaustritte bei Ihnen?

Picken: Das Gegenteil ist der Fall. Es finden wieder mehr zur Kirche.

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