200-jähriges Jubiläum Zeitreise durch die Geschichte der Uni Bonn

Bonn · Bonner Wissenschaftler stellen die Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität nach zehnjähriger Arbeit in vier Bänden vor. Der Status der „Prinzenuniversität“ wirkte anfangs als Magnet auf den deutschen Adel.

Diesmal blieb ungebetener Besuch fern. Niemand versuchte, den Festsaal mit einem Rammbock zu stören, nicht einmal ein Zuspätgekommener rüttelte an der barocken Tür. So war am Montagabend die Historiographie darin gefragt, den kleinen Zwischenfall während der 150-Jahrfeier im Sommer 1968 dem drohenden Vergessen zu entreißen. Nun, 50 Jahre später, verlief am selben Ort alles ruhig; auflockernde Intermezzi, jedoch ohne spürbaren revolutionären Impetus, blieben der Jazz Combo Bonn vorbehalten. Genug Muße also für die rund 160 geladenen Gäste, sich auf eine Zeitreise durch 200 Jahre Alma Mater zu begeben. Als Reiseführer stand eine Auswahl all jener Autoren bereit, deren Beiträge sich zur jüngst erschienen vierbändigen Universitätsgeschichte zusammenfügen. Ihre Impulsvorträge waren die Stationen.

Zunächst aber galt es – einmal mehr – zu gratulieren. „Ich habe das Gefühl, die Universität Bonn hört gar nicht mehr auf zu feiern“, brachte Oberbürgermeister Ashok Sridharan den aktuellen „Lauf“ der Uni mit Jubiläum, hohen akademischen Auszeichnungen und der Kür der sechs Exzellenzcluster auf den Punkt. Berechtigten Stolz äußerte Projektleiter Dominik Geppert nicht nur über das Gesamtergebnis der zehnjährigen Arbeit, sondern auch über die punktgenaue Fertigstellung. Die Frage „Wer soll denn das alles lesen“, so der kürzlich nach Potsdam gewechselte Historiker launig, könne das Auditorium von nun an selbst beantworten. Angesprochen gefühlt haben könnten sich auch Bonner ohne Bindung an die Universität mit Gepperts Befund für deren Spezifikum: Sie sei über die vielen Jahrzehnte „von beträchtlichem Beharrungsvermögen in der Form bei gleichzeitig hoher fachlicher Innovation“ gewesen.

Damit war der Reigen für die Referenten eröffnet, die sich am Montag auf ein winziges Exzerpt ihrer aufwendigen Kernbohrungen beschränken mussten. So blätterte Medizinhistoriker Heinz Schott das Familienalbum auf und präsentierte einen jungen Jurastudenten, der als Mitglied des heutigen Corps Palatia unbekümmert den Bonner Karzer kennengelernt hatte: Ein gewisser Karl Marx, und nur einer unter all den Zahllosen, die nach dem Studium in Bonn einen großen Namen trugen.

Uni als Verteidigerin von Werten

Einer, der das bereits im Hörsaal tat, war der spätere deutsche Kaiser Wilhelm II., dessen Urgroßvater die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität (übrigens ohne Glanz und Gloria) gegründet hatte. Der Status der „Prinzenuniversität“ wirkte als Magnet auf den gesamten deutschen Adel, wie Thomas Becker verdeutlichte. Für den Wissenschaftsbetrieb standen die Zeichen auf enorme Expansion, die vielen Institutsgebäude aus damaliger Zeit geben Zeugnis. Auch die enormen Rückschläge durch die Kriege hemmten die Ausdehnung langfristig nicht.

Die Untaten des Nationalsozialismus beschrieb Ralf Forsbach, wobei – so Joachim Scholtysek – der Grad der NS-Belastung an der Uni Bonn vergleichsweise gering gewesen sei. Übrigens, und auch dies ein Rückgriff auf „1968“: Ein Beschweigen der Verstrickungen in die NS-Zeit sei, anders als oft angenommen, für Bonn nicht feststellbar. Sechs Staatsformen und mit ihnen Revolutionen und Kriege sind (bislang) über die Alma Mater hinweggezogen, mancher Zeitgeist kam und ging. Stephan Conermann, Prorektor für Internationales und verantwortliches Rektoratsmitglied, plädierte gleichwohl für „klare Positionen“ der Universität aus der heutigen Warte: Für Toleranz, mit dem Auftrag zur Gestaltung der „liberaldemokratischen Grundordnung“ und als Verteidigerin der Europäischen Union.

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