Interview mit Ralf Becker "Zentrenkonzept muss überarbeitet werden"

BEUEL · Das Gewerbegebiet Beuel-Ost, das größte seiner Art in der Bundesstadt Bonn, steht am Scheideweg - zumindest was die Verkehrsentwicklung anbelangt. Der Vorsitzende der Beueler Wirtschafts- und Interessengemeinschaft, Ralf Becker, im Interview mit GA-Redakteur Holger Wilcke.

 Ein Schandfleck in Beuel: Die Fußgänger-Unterführung von der Oberen Wilhelmstraße zur Siegburger Straße. Die Stadt und die Deutsche Bahn beabsichtigen dort eine moderne Unterquerung der Bahngleise zu bauen.

Ein Schandfleck in Beuel: Die Fußgänger-Unterführung von der Oberen Wilhelmstraße zur Siegburger Straße. Die Stadt und die Deutsche Bahn beabsichtigen dort eine moderne Unterquerung der Bahngleise zu bauen.

Foto: Max Malsch

Der Schwerlastverkehr, der die fast 100 Firmen an der Maarstraße, Röhfeldstraße, der Broichstraße und der Königswinterer Straße anfährt, quält sich täglich durch die südlichen und östlichen Ortsteile Beuels. Mehrere Bürgervereine und die Beueler Wirtschafts- und Interessengemeinschaft (BWI) fordern seit Jahren einen eigenen Autobahnanschluss für das Gewerbegebiet. Über die aktuelle Situation und über die Anforderungen, die die Unternehmen an die Zukunftsentwicklung Beuels stellen, sprach Holger Willcke mit dem BWI-Vorsitzenden Ralf Becker.

Über den sogenannten Maarstraßenanschluss wird seit 40 Jahren diskutiert. Jetzt leitet der Landesbetrieb Straßen NRW das Planfeststellungsverfahren für den Anschluss der Maarstraße an die Autobahn 59 ein. Haben Sie an das Projekt noch geglaubt?
Ralf Becker: Natürlich haben wir daran geglaubt. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Ein Gewerbegebiet ohne eigenen Autobahnanschluss ist heutzutage kein lebensfähiges Gewerbegebiet mehr. Das beste Beispiel ist das Gewerbegebiet in Bornheim. Als der Anschluss an die Autobahn 555 gebaut worden ist, boomte dort die Entwicklung. Das versprechen wir uns auch vom Maarstraßenanschluss für unser Gewerbegebiet.

Es gibt aber mittlerweile genug Stimmen, die den Planungsentwurf des Landesbetriebs ändern wollen. Vor allem die Sperrung der Maarstraße ab Autobahn in Richtung Osten und die Sperrung des provisorischen Autobahnanschlusses Pützchen werden kritisiert. Wie steht die BWI dazu?
Becker: Persönlich halte ich beide Sperrungen auch für falsch, aber als BWI-Vorsitzender muss ich sagen, dass eine Abänderung des Entwurfs das gesamte Projekt gefährden könnte. Jedenfalls haben mir das alle Fachleute so erklärt. Wir haben jahrelang um diesen Anschluss gerungen, jetzt soll er kommen, und dann müssen wir ihn auch so nehmen, wie er über Jahrzehnte gefordert worden ist. Es wird keinen Entwurf geben, der alle Betroffenen zufriedenstellen wird. Bei einem Verkehrsinfrastrukturprojekt dieser Größenordnung wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Die Anlieger, die seit Jahrzehnten den Lärm und die Abgase des Schwerlastverkehrs ertragen müssen, hat vorher auch niemand gefragt. Sie werden auf jeden Fall zu den Gewinnern zählen. Das einzige, was jetzt wichtig ist, ist, dass der Anschluss so schnell wie möglich gebaut wird, ansonsten droht dem Gewerbegebiet eine weitere Verödung.

Die Verkehrsgutachter haben prognostiziert, dass der Maarstraßenanschluss Auswirkungen auf fast den gesamten Verkehr in Beuel haben wird. Glauben Sie daran?
Becker: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der neue Autobahnanschluss die Infrastruktur des gesamten Stadtbezirks verbessern kann. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass der Verkehr sich seine Wege suchen und sich auch verteilen wird. Prognosen und Statistiken von Verkehrsexperten sind das eine, das Praxis-Verhalten der Autofahrer das andere.

Die Stadt Bonn nimmt jetzt die konkrete Planungsphase für den Maarstraßenanschluss zum Anlass, um auch das sich anknüpfende Verkehrsnetz zu ertüchtigen. So sollen die Kreuzungen Königswinterer/Siegburger Straße und Königswinterer/Maarstraße ausgebaut werden. Was halten Sie davon?
Becker: Das macht Sinn, damit die neuen Verkehrsströme besser weitergeleitet werden können. Kreisverkehre und bessere Abbiegebeziehungen helfen, lange Rückstaus zu vermeiden. Was uns nicht hilft, ist Tempo 30 auf der Königswinterer Straße.

Und was halten Sie von einem Busbahnhof auf dem Gelände des Güterbahnhofs?
Becker: Grundsätzlich ist das ein guter Gedanke, der aber dadurch aufgewertet werden würde, wenn die Stadt eine neue Fußgängerunterführung von der Siegburger Straße zur Oberen Wilhelmstraße bauen würde. Der heutige Durchgang ist schmutzig, unansehnlich und abstoßend. Eine neue Unterführung würde sicherlich auch die Geschäftswelt in der Oberen Wilhelmstraße beleben.

Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, ein Teilstück der Friedrich-Breuer-Straße in eine Fußgängerzone umzuwandeln?
Becker: Davon halte ich nichts. Vor rund 30 Jahren hat die Stadt Bonn so einen Versuch schon einmal in der Oberen Wilhelmstraße gestartet. Ergebnis war, dass viele Geschäfte mangels Laufkundschaft aufgeben mussten. Danach wurde die Fußgängerzone in eine Einbahnstraße umgewandelt. Die Obere Wilhelmstraße leidet noch heute unter dieser Entscheidung. Die Geschäfte in Beuel leben auch von der Möglichkeit, dass Kunden in Ladennähe parken und mal schnell einkaufen gehen können. Eine Fußgängerzone in der Friedrich-Breuer-Straße würde mittelfristig den Tod der Beueler Innenstadt bedeuten.

Was wünscht sich die BWI für die Zukunft?
Becker: Eine Überarbeitung des Zentrenkonzepts. Die Stadt muss bezüglich der Vermarktung von Flächen neu definieren, welche Branchen wo Sinn haben. Nach meiner Einschätzung ist das Zentrenkonzept eher hinderlich als förderlich. Bestes Beispiel ist der Teil der Königswinterer Straße zwischen Siegburger und Maarstraße. Dort existieren unbebaute Grundstücke und leerstehende Gebäudeflächen, die vermarktet werden könnten. Das Zentrenkonzept schnürt die Nutzungsmöglichkeiten aber derart ein, dass viele Nutzungen erst gar nicht in Betracht kommen.

Im Frühjahr vergangenen Jahres hat die BWI öffentlich die Zustände im Gewerbegebiet angeprangert. Es drehte sich um wildes Parken, Verschmutzungen, unansehnliche Grundstücke und Einbrüche. Nach einem Krisengipfel mit Stadt und Polizei sollte alles besser werden. Wie sieht die Situation heute aus?
Becker: Die Zahl der Einbrüche ist deutlich zurückgegangen. Die gefühlte Unsicherheit ist somit gewichen. Die Parksituation und das Umweltverhalten einiger Firmen haben sich nach meiner Einschätzung nicht verbessert. Was aber wirklich lobenswert ist, ist der Einsatz des Ordnungsamts. Wenn wir die städtische Notfallnummer 0228/77 33 33 anrufen, kommt sofort jemand raus und kümmert sich um das Problem. Das klappt wirklich gut.

Wie schätzen Sie die Ereignisse rund um das Facharztzentrum am Beueler Rathaus ein?
Becker: Zu den Bauzeitenverzögerungen ist schon genug gesagt worden, und über die optische Wirkung der Außenfassade lässt sich streiten. Was aber meines Erachtens verpasst worden ist, ist, dem Rathausvorplatz ein ansehnliches Äußeres zukommen zu lassen. Da fehlen jegliche städtebaulichen Akzente. Die Anmutung der Fläche kommt schon fast einem Parkplatz gleich. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass der neue Eigentümer die Gestaltung noch einmal überdenkt. Es wäre ein Leichtes, durch eine ansprechende Möblierung des Platzes eine ähnliche Atmosphäre und Verweilqualität wie auf dem Bonner Marktplatz zu installieren.

Im nächsten Vorbericht geht es um den Verkehr in der Beueler City.

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Zur Person

Ralf Becker ist Geschäftsführer der Firma Heinrich Becker Söhne. Das Bauzentrum liegt an der Paulusstraße. Der 53-Jährige hat im Jahr 2008 mit anderen Unternehmern aus dem Gewerbegebiet Beuel-Ost die Beueler Wirtschafts- und Interessengemeinschaft (BWI) gegründet. Mittlerweile zählt die BWI 42 Mitgliedsfirmen.

Im Gewerbegebiet Beuel-Ost existieren nach Einschätzung Beckers ungefähr 1900 Arbeitsplätze.

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