Kreis Ahrweiler Bürger und Seelsorger ziehen Bilanz ihrer persönlichen Fastenzeit

KREIS AHRWEILER · Der Computer blieb aus oder das Auto stehen, das Handy kam weg, und Genussmittel sind sowieso tabu gewesen: Was für manchen nur nach Entbehrungen klingt, ist für andere Bereicherung. Denn in der Fastenzeit geht es für sie um mehr als nur um weniger essen oder Selbstkasteiung.

 Austeilung des Aschekreuzes vor 40 Tagen in der Ahrweiler Laurentiuskirche zum Start der Fastenzeit an die Kinder der Aloisiusschule.

Austeilung des Aschekreuzes vor 40 Tagen in der Ahrweiler Laurentiuskirche zum Start der Fastenzeit an die Kinder der Aloisiusschule.

Foto: Gausmann

Deshalb hat sich auch Gerhard Hensel verziehen, dass er sich in diesem Jahr einen Fauxpas in der Fastenzeit geleistet hat. Zwischen Aschermittwoch und Ostern übt sich der frühere Pastor von Sinzig schon seit Jahrzehnten im Verzicht. Dafür hat er mehr meditiert sich sportlich betätigt. Alkohol gehörte zu den Dingen, die in den vergangenen 40 Tagen auf seiner persönlichen "roten Liste" standen, insbesondere das allabendliche Bier.

Aber dieses Jahr hat ihm beim Besuch bei Freunden in Prag das kalte Wetter und die Umgebung auf einem vorösterlichen Markt derart in Winter- und Weihnachtsmarktstimmung gebracht, dass er das Fasten aus Versehen brach: "Ich habe Glühwein getrunken."

Alkoholverzicht ist auch für einen Bad Neuenahrer, der gar nicht katholisch ist, "eine gute Gelegenheit, sich in der Wohlstandsgesellschaft selbst zu fordern. Und es schadet nicht, sich zwischendurch mal zu etwas zu zwingen". Als "zweiten Anlauf" sieht eine Grafschafterin in diesem Jahr die Fastenzeit für sich, weil sie gute Neujahrsvorsätze gefasst hat und dann doch nicht "schokoladenabstinent" blieb.

Möglichst gar nichts Süßes im Haus zu haben, ist die beste Strategie für diejenigen, die Süßigkeiten entsagt haben, so wie Annelore Arenz. "Nur für den Besuch von Kindern und Enkelkindern", habe sie eine Notration da gehabt, sagt die Sekretärin des Dekanats Remagen-Brohltal. Wenn diese dann vor den eigenen Augen mit Genuss vertilgt worden sei, "schmachtet man schon, aber ein bisschen muss es ja weh tun". Nicht mehr als ein schöner Nebeneffekt sei eine mögliche Gewichtsreduktion, viel wichtiger ist ihr jedoch das Innehalten und immer wieder die Erkenntnis: "Es gibt so viele Leute, die wenig haben. Wir haben alles in Hülle und Fülle."

Etwas für die Armen in dieser Welt zu tun, ist ein Anliegen der Studenten im Studienhaus Sankt Lambert in Lantershofen. Deshalb gibt es dort nicht jeden Tag Nachtisch. Das Geld dafür wird gespendet und kommt ebenso wie der Erlös des Missionscafés des Hauses einem guten Zweck zu. Magenknurren erinnere an die Hungerleidenden in dieser Welt, und auch er persönlich esse in der Fastenzeit abends weniger, sagt Regens Michael Bollig, aber Fasten habe längst nicht nur etwas mit Essen zu tun.

Für ihn sind drei Aspekte bedeutend: "Gott näher zu kommen, den Mitmenschen näher zu kommen, und über das eigene Leben zu reflektieren." Da helfe auch der Verzicht aufs Handy. Die Abhängigkeit davon sei das ganze Jahr über Thema unter den Studenten, und er selber nehme sein Handy bei seelsorgerischen Kontakten oder bei Verabredungen mit Freunden gar nicht erst mit. Sich unabhängiger von Konsum und anderen Bedürfnissen zu machen, stehe zugleich für mehr Lebensqualität.

Einen ganzheitlichen und sozial orientierten Ansatz verfolgt die Sinzigerin Brigitte Karpstein. Sie verzichtet soweit möglich aufs Auto und geht zu Fuß oder fährt Fahrrad. "Ich mache mir klar, dass mein Leben eng damit verbunden ist, was in der Welt los ist", konstatiert sie. Gerade erst hat sie viertägige Schweigeexerzitien hinter sich. Immer wieder überprüft sie ihren Lebensstil.

Dazu gehören unnötige Fahrten ebenso wie unnötige Einkäufe von Lebensmitteln bis zu Kleidung. Sie greift nicht nur zur Fastenzeit zu fair gehandelten Produkten und Second-Hand-Ware und versucht energiesparend zu handeln: Jedes Jahr will sie in ihrem Tun und Denken "eine Stufe weiter kommen und nicht immer wieder bei Null anfangen".

Alle, die die Fastenzeit für sich als besondere Zeit erleben, sprechen von dem Willen, bewusster zu leben. Dieses Bewusstsein schließt auch den bewussteren Genuss nach der Fastenzeit ein. "Wer verzichtet, hat wieder Spannung uns Sehnsüchte im Leben. Wenn man mal hungert schmeckt es einem danach auch wieder", sagt Pastor Hensel. Annelore Arenz freut sich jetzt schon auf die Ostertorte, und Brigitte Karpstein weiß, dass sie Schokolade und Eis an der Festtafel wieder ganz anders zu schätzen weiß.

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