Corona in England England macht wieder dicht

London · Die Lage in England spitzt sich dramatisch zu. Premier Boris Johnson muss reagieren. Ein erneuter Lockdown kommt.

 Kündigt harte Maßnahmen an: Premier Boris Johnson.

Kündigt harte Maßnahmen an: Premier Boris Johnson.

Foto: dpa/Alberto Pezzali

Es war die Horrornachricht, auf die die Engländer an Halloween lieber verzichtet hätten: Premierminister Boris Johnson verkündete am Samstag einen zweiten Lockdown. Lange hatte sich der Premier vor diesem Schritt gesträubt, aber die Warnungen der Experten vor einer Explosion der Covid-Seuche ließen ihm keine Wahl. Ab Donnerstag macht England wieder dicht. Der Unterschied zum ersten Lockdown im März ist diesmal, dass Kindergärten, Schulen und Universitäten offen bleiben dürfen. Zudem ist der Lockdown zeitlich begrenzt und soll vier Wochen bis zum 2. Dezember gelten. In den anderen britischen Landesteilen Schottland, Nordirland und Wales gelten schon jetzt verschärfte Bedingungen. 

Johnson warnte die Nation vor einem „medizinischen und moralischen Desaster“ und malte ein düsteres Bild: „Doktoren und Krankenschwestern wären gezwungen auszusuchen, welche Patienten sie behandeln können, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht, wer leben und wer sterben wird.“

Die Situation in England hat sich seit Ende des Sommers stetig verschlechtert. In Teilen des Landes, besonders im Nordwesten und Nordosten, liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei mehr als 400 Fällen pro 100 000 Einwohner. Rekordhalter ist Blackburn mit 760 Fällen. Die wissenschaftlichen Chefberater der Regierung hatten Johnson Datenmaterial präsentiert, das nahelegte, dass der staatliche Gesundheitsdienst binnen weniger Wochen überwältigt würde und man in der ersten Dezemberwoche mit bis zu 4000 Corona-Toten täglich rechnen müsse. Johnson musste handeln.

„Circuitbreaker“ dringend empfohlen

Schon am 21. September hatten Wissenschaftler von der „Scientific Advisory Group for Emergencies“ (SAGE) der Regierung einen sogenannten „Circuitbreaker“, also einen befristeten und landesweiten Lockdown, empfohlen. Johnson wollte davon nichts wissen. Als der Oppositionsführer Keir Starmer den politischen Burgfrieden über Corona brach und öffentlich einen Circuitbreaker verlangte, warf ihm Johnson im Unterhaus vor, „die Lichter im Land ausschalten zu wollen.“ Jetzt muss sich der Premierminister vorhalten lassen, wieder einmal zu spät reagiert zu haben. „Die beste Zeit zu handeln“, sagte Sir Jeremy Farrar, Direktor des „Wellcome Trust“ und ausgewiesener Epidemiologe, „war vor einem Monat. Die zweitbeste ist jetzt.“

Im Gegensatz zu Deutschland, wo etwa Fußpflegebetriebe und Friseure weiterhin ihre Dienste anbieten können, wird der Lockdown 2.0 in England schärfer ausfallen. Sämtliche Geschäfte außer denen, die als systemrelevant gelten, müssen schließen. Auslandsreisen werden verboten. Gottesdienste finden nicht mehr statt. Getrennt lebende Pärchen dürfen sich nur noch draußen treffen. Wie schon beim Lockdown im März lautet wieder einmal die Botschaft: Bleibt zu Hause. Ein Lichtblick in der Misere ist, dass Kindergärten, Schulen und andere Bildungseinrichtungen weiter geöffnet bleiben dürfen, denn das Risiko hier ist überschaubar. Eine Studie, die letzte Woche in der Fachzeitschrift „Nature“ erschien, befand: „Schulen sind keine Hotspots für Infektionen mit dem Coronoavirus. Wenn es Ausbrüche gibt, resultieren sie meistens darin, dass nur wenige Betroffene krank werden.“

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