Gegen Covid-19 Die zweite Impfstoff-Generation steht in den Startlöchern

Eine Auffrischung der Impfung gegen Covid-19 wird künftig nötig sein, dies gilt unter Fachleuten als sicher. Hersteller arbeiten bereits an neuen Lösungen, die auch mögliche Mutationen im Blick haben. Fragen und Antworten zum Stand der Entwicklung.

 Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer wird aufgezogen (Symbolfoto).

Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer wird aufgezogen (Symbolfoto).

Foto: dpa/Sven Hoppe

Wirken die verfügbaren Impfstoffe gegen die aktuell verbreiteten Mutationen?

Im Prinzip ja. Alle derzeit in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson) können den schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung verhindern – allerdings, bezogen auf die Mutationen, in unterschiedlichem Maße. Denn alle vier zugelassenen Vakzinen wurden gegen den ursprünglichen Wildtyp von Sars-CoV-2 entwickelt. Gegen die mittlerweile in Deutschland dominierende britische Variante B.1.1.7. zeigen alle Präparate eine gute Wirksamkeit. Etwas anders sieht es bei der afrikanischen (B.1.351) und der brasilianischen Mutation (P1) aus. Beide besitzen sogenannte Flucht-Mutationen, die im Verdacht stehen, der menschlichen Immunabwehr ein Stück weit zu entgehen. Da beide Mutationen in Deutschland bisher selten aufgetreten sind, liegen hier laut RKI erst wenige Daten vor. Studien sind zum Teil widersprüchlich. Eine zumindest teilweise verminderte Wirksamkeit wurde aber bereits beobachtet.

Wie ist die Wirksamkeit bei der neuen indischen Mutation?

Zur jüngsten Mutation B.1.617, die zuerst in Indien aufgetreten ist, ist die Datenlage noch dünn. Nach RKI-Angaben deuten aber erste Laborexperimente darauf hin, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe bei dieser Mutante nicht substanziell beeinträchtigt ist. Eine aktuelle Studie der britischen Regierungsbehörde Public Health belegte einen hohen Nutzen der Vakzine von Biontech und Astrazeneca. Eine US-Studie bestätigte dies für den Impfstoff von Biontech/Pfizer und zusätzlich auch für das Präparat von Moderna.

Der Grund ist die Eigenschaft von Viren, sich permanent zu verändern. Viren sind wahre Überlebenskünstler. Wechselnden äußeren Bedingungen können sie sich extrem schnell anpassen. Steigt für das Coronavirus dieser sogenannte Selektionsdruck (zum Beispiel aktuell durch die Impfung), nimmt die Wahrscheinlichkeit für neue Mutationen zu. Deshalb ist auch eine zügige Impfkampagne so wichtig – und zwar in allen Ländern der Welt. Je schneller die Infektionszahlen flächendeckend sinken, je geringer ist die Virus-Vermehrung, und umso schlechter stehen seine Chancen, durch eine neue Mutation der Impfstoff-Wirkung zu entgehen. Umgekehrt wächst das Risiko neuer, für das Virus erfolgreicher Mutationen durch eine schleppende Impfkampagne. Vor allem in den ärmeren Ländern der Welt ist bis heute viel zu wenig und zum Teil noch gar kein Impfstoff angekommen.

Sind die Hersteller auf neue Anforderungen an den Corona-Impfstoff vorbereitet?

Ja. Dass eine Auffrischung des Impfschutzes gegen Sars-CoV-2 nötig sein wird, gilt unter Experten als unstrittig. Der einfachste Weg wäre eine weitere Impfung mit der ursprünglich genutzten Vakzine. Ob dieser gewünschte „Booster“-Effekt sich aber mit Impfstoff der ersten Generation herstellen lässt, ist fraglich. Daher arbeiten Unternehmen bereits an den Impfstoffen der zweiten Generation mit modifizierten mRNA-Bestandteilen von Sars-CoV-2. Nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (VfA) forscht Biontech/Pfizer etwa an einer Auffrischimpfung, die auch mRNA der afrikanischen Mutante enthält. Sie soll der Prototyp für Impfstoffe gegen weitere Mutanten werden. Moderna untersucht aktuell drei verschiedene Booster-Impfungen, die Ende des Jahres auf den Markt kommen könnten, sagte Europachef Dan Staner dem „Handelsblatt“. In einer ersten kleineren Studie des Unternehmens schnitt der auf neue Varianten abgestimmte Wirkstoff besser ab als die ursprünglich für den Ur-Typ von Sars-CoV-2 entwickelte Vakzine. Das Tübinger Unternehmen Curevac, dessen Impfstoff noch nicht auf dem Markt zugelassen ist, arbeitet nach VfA-Angabe an einer Vakzine, die gleich mehrere an Varianten angepasste mRNA in einem Impfstoff vereinigen.

Wann könnte eine Auffrischimpfung nötig werden?

Das hängt maßgeblich von der Dauer des Impfschutzes durch die ersten Impfungen ab und lässt sich heute noch nicht eindeutig beantworten. Hersteller wie Biontech/Pfizer oder Johnson & Johnson testen aber fortlaufend die Wirksamkeit ihrer Produkte bei Mutanten und auch die Dauer des Impfschutzes. Nach ersten Ergebnissen wirken die Impfstoffe nach einem halben Jahr noch einwandfrei. Viele Forscher gehen davon aus, dass künftig eine jährliche Auffrischung gegen Sars-Cov-2 nötig sein könnte, in etwa so wie bei der Grippeimpfung.

Wie lange dauert es, einen Impfstoff anzupassen?

Im Vergleich zu herkömmlich hergestellten Impfstoffen ist die Produktion eines mRNA-Impfstoffes relativ unkompliziert. Das Genom - also die gesamte Erbsubstanz - von Sars-CoV-2 ist komplett entschlüsselt. Es kann im Prinzip also jederzeit ein anderer gewünschter mRNA-Abschnitt in einen neuen Impfstoff eingefügt werden. Biontech-Chef Ugur Sahin nannte etwa sechs Wochen als möglichen Zeitrahmen für die Modifizierung seines Impfstoffs. Bei den Vektorimpfstoffen dauert die Herstellung länger, unter anderem wegen der notwendigen Anzüchtung von Trägerviren als mRNA-Vehikel. Hersteller Astrazeneca plant nach eigenen Angaben sechs bis neun Monate ein bis zur Massenproduktion eines an Mutationen angepassten Corona-Impfstoffs.

Wie lange dauert eine mögliche Zulassung angepasster Corona-Vakzinen?

Die EU ist vorbereitet auf die künftige Zulassung modifizerter Corona-Impfstoffe. Die Kommission hat bereits die Weichen dafür gestellt, damit die Zulassungsbehörde EMA künftig schneller handeln darf. Dafür soll in Zukunft nur ein kleinerer zusätzlicher Datensatz ausreichen, berichtet die Ärztezeitung. Das entspricht der Praxis, die bereits beim Influenza-Impfstoff angewendet wird.

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