Trotz Wiedereröffnung Mode-Unternehmen Sinn rutscht in die Eigeninsolvenz

Bonn · Nach der behördlich verordneten Schließung der Geschäfte und Umsatzausfällen bekommt das Mode-Unternehmen Sinn keinen Kredit und rutscht in die Eigeninsolvenz. In der Bonner Filiale laufen die Geschäfte nach der Öffnung derweil nur langsam an.

Für das Hagener Unternehmen Sinn ist die Bonner Filiale das Flaggschiff mit dem größten Umsatz.

Für das Hagener Unternehmen Sinn ist die Bonner Filiale das Flaggschiff mit dem größten Umsatz.

Foto: Barbara Frommann/barbara frommann

Der Modefilialist Sinn hat am Dienstag die Bonner Filiale wiedereröffnet, auf die erlaubten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche begrenzt. „Wir haben bundesweit 19 von 23 Geschäften offen“, bestätigte Unternehmenssprecher Friedrich-Wilhelm Göbel dem General-Anzeiger. In einigen Bundesländern ließen die gesetzlichen Auflagen eine Öffnung noch nicht zu. Der Anlauf war verhalten: In der Zeit zwischen 10 und 14.30 Uhr lag der Umsatz in Bonn um 85 Prozent unter dem Durchschnitt. „Es ist niemand in Kauflaune“, sagte Göbel.

Die Öffnung der Filialen ändert auch nichts an der Tatsache, dass die Sinn GmbH Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt hat. Das Schutzschirmverfahren ist ein besonderes Verfahren des deutschen Insolvenzrechts, das die vorläufige Eigenverwaltung mit dem Ziel der schnellen Erarbeitung eines Insolvenzplans verbindet, um die Sanierung zu erleichtern. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hagen beschäftigt 1400 Mitarbeiter und erzielte 2019 einen Umsatz von 208 Millionen Euro. Für dieses Jahr waren 220 Millionen Euro geplant.

Göbel führt die wirtschaftlichen Probleme auf die behördlich angeordnete Schließung in der Corona-Zeit zurück. Dadurch habe das Unternehmen, das zuvor profitabel war, Umsatz in Höhe von 33 Millionen Euro verloren. Doch notwendige Kredite in zweistelliger Millionenhöhe habe das Unternehmen nicht bekommen. Die Sinn GmbH habe mit vier Banken über Mittel aus dem Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Sonderprogramm 2020 gesprochen, jedoch von allen eine Absage erhalten.

Bonn ist die größte und umsatzstärkste Filiale

Keine der Banken sei in der Lage gewesen, einen Kreditantrag bei der KfW zu begleiten, da die Mithaftung der Banken in Höhe von 20 Prozent der beantragten Kreditsumme in dem sehr unsicheren wirtschaftlichen Gesamtumfeld aus Sicht der Banken nicht zu vertreten sei. Die aktuell angebotenen Hilfen des Staates seien für die Sinn GmbH nicht verfügbar.

Der Manager kritisiert die Politik für ihren Beschluss, die Mehrheit der Geschäfte über mehrere Wochen hinweg zu schließen. Es seien unstrukturiert Maßnahmen erlassen worden. Das Unternehmen hat einen offenen Brief an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet geschrieben, der auch als Anzeige in mehreren Tageszeitungen erscheint. Das Unternehmen appelliert an Laschet, sich in den Gesprächen mit den anderen Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin am Donnerstag dafür einzusetzen, dass alle Einzelhändler und auch Gastronomiebetriebe spätestens ab dem 4. Mai wieder vollständig eröffnen können. Dafür spreche der Rückgang an neuen Corona-Infizierten und die sehr große Disziplin der Bevölkerung bei der Einhaltung der Hygienevorschriften. „Der bisher entstandene Schaden für die deutsche Volkswirtschaft ist bereits gravierend und wird unser Land für mehrere Jahre belasten“, so das Unternehmen.

Bonn ist die größte und umsatzstärkste Filiale der Textilhandelskette: „Wir lieben Bonn“, sagte Göbel. Durch den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung hat die Sinn GmbH jetzt drei Monate Zeit, mit Vermietern, Lieferanten und Staat über Maßnahmen zu verhandeln, wie das Unternehmen wieder stabilisiert werden kann. Das sei an manchen Stellen kompliziert, weil es sich in einigen Städten um internationale Vermieter handele, bei denen es lange dauere, bis eine Entscheidung zustande komme. „Wir wollen grundsätzlich alle Häuser weiter betreiben und somit keine Arbeitsplätze abbauen“, sagte Göbel. Die Sinn-Häuser sind zwischen 2000 und 9000 Quadratmeter groß.

Das Unternehmen hat Höhen und Tiefen erlebt. 2001 erwarb die KarstadtQuelle AG die Aktienmehrheit der SinnLeffers AG und verkaufte sie 2005 an die Deutsche Industrie-Holding (DIH). 2008 meldete die Gruppe nach Jahren sinkender Umsätze Planinsolvenz an. Etwa die Hälfte der damals 47 Filialen wurde geschlossen. 2013 kaufte die Familie Gerhard Wöhrl die Anteile von DIH. 2018, ein Jahr nach dem erfolgreichen Abschluss des zweiten Insolvenzverfahrens, wollte das Modehaus sichtbar machen, dass es wirtschaftlich wieder Tritt gefasst hat und nennt sich seitdem nur noch Sinn.

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