Volkskundler Alois Döring aus Oedekoven "Das Lamm ist das eigentliche Ostersymbol"

ALFTER-OEDEKOVEN · Für die mündliche Abiturprüfung hatte Alois Döring vorsorglich den Osterspaziergang aus Goethes Faust auswendig gelernt. Seine Fleißarbeit brauchte er dann doch nicht.

 Ein echter Hingucker im Nest: Alois Döring zeigt sein Lieblingsosterei - ein mit Perlen verziertes Exemplar aus der Ukraine.

Ein echter Hingucker im Nest: Alois Döring zeigt sein Lieblingsosterei - ein mit Perlen verziertes Exemplar aus der Ukraine.

Foto: Roland Kohls

Heute bekäme er den Text wohl nicht mehr auswendig zusammen, doch wenn er auf Osterbräuche angesprochen wird, sprudelt es nur so aus ihm heraus.

Und stolz zeigt der promovierte Volkskundler aus Oedekoven sein kostbarstes Osterei, ein aufwendig mit Perlen beklebtes Exemplar aus der Ukraine.

Ostereier und Eiersuchen gehören für den Autor des Standardwerkes "Rheinische Bräuche durch das Jahr" zum Osterfest, und freimütig bekennt der 65-Jährige, dass er eine besondere Schwäche für die Varianten aus Schokolade und Marzipan hat. Die Eiersuche pflegt der Junggeselle mit der Familie in seiner unterfränkischen Heimat. Ansonsten genießt er dort vor allem den Ostergottesdienst am frühen Morgen, wo auf dem Weg zur Kirche das Osterfeuer prasselt.

Mit Erstaunen hat er festgestellt, dass die Ostereiersuche von hiesigen Pfarrgemeinden und Vereinen auch als Gemeinschaftserlebnis organisiert wird. "Das ist eigentlich ganz nett", sagt er. "Mir wäre es allerdings sympathischer, wenn man nach der Auferstehungsfeier zum gemeinsamen Frühstück zusammenkommt. Das kenne ich von zu Hause, weiß aber nicht, ob das hier in der Region üblich ist."

Die österliche Speisesegnung, deren Tradition bis in 3. Jahrhundert nachweisbar ist, wird in seiner Heimat ebenfalls praktiziert. Im Rheinland ist sie selten geworden. Dabei wird ein Teller mit den in der Fastenzeit verbotenen Speisen bei der kirchlichen Osterfeier gesegnet, bevor sie zu Hause wieder auf den Tisch kommen.

Das Lamm ist Döring wichtig. "Es ist das eigentliche Ostersymbol, und nicht der Hase." Erfreut hat er deshalb in Bäckereien und Brotabteilungen der Region beobachtet, dass das Lamm offensichtlich wiederentdeckt wird. "Ob die Leute damit etwas anfangen können, ist etwas anderes."

Der biblische Bezug besteht darin, dass anknüpfend an das Opferlamm des jüdischen Passahfestes, Jesus als das Lamm Gottes bezeichnet wird, das die Sünden der Welt trägt.

Die Sache mit dem Osterhasen ist kompliziert. Seine Herkunft ist keineswegs sicher geklärt. Döring wertet allerdings als schlüssigste Erklärung die Herkunft aus der protestantischen Ecke. Denn die frühesten Belege zum Osterhasen stammen von protestantischen Autoren des 17. Jahrhunderts.

Zu der Zeit wurde es in evangelischen Familien üblich, die Ostereier zu verstecken, um ihre Herkunft aus den katholischen Fastenvorschriften zu verschleiern. Nach 1800 propagierte ihn die bürgerlich-städtische Familienkultur als Eierbringer und integrierte ihn in das österliche Schenken.

Eine erste bildliche Darstellung einer Gartenidylle mit ostereiersuchenden Kindern gibt es aus dem Jahr 1789. Im ländlichen Rheinland dauerte es noch bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, ehe sich der gabenbringende Osterhase durchsetzte. "Die falscheste Erklärung ist in jedem Fall, dass der Hase ein Begleiter der germanischen Frühlingsgöttin Ostara gewesen sein soll", sagt Döring. Das weiß er ganz sicher.

Das Ostergelächter wird nach Beobachtungen Dörings vereinzelt wiederbelebt. Dieser Brauch war im Barock beliebt, wurde jedoch auch schon im späten Mittelalter gepflegt. Dabei fügten Prediger Scherze, Schwänke oder kurzweilige Geschichten in ihre Osterpredigt ein.

Ziel war es zum einen, auf diese Weise österliche Freude zu verbreiten und dem Volk die daran angeknüpfte Wahrheit verständlicher zu machen. Döring meint dazu: "Das Osterlachen könnte man als Glaubenserfahrung bezeichnen nach der Devise: Wer lacht, spürt Lebenslust und ist empfänglicher für die Osterbotschaft."

Lebendige Esel, wie sie mancherorts an Palmsonntag eingesetzt werden, sind nicht so nach dem Geschmack Dörings. "Damit kann ich mich nicht anfreunden", sagt er über die moderne Variante von Prozessionen, wie er sie beispielsweise in Hennef-Rott entdeckt hat.

Bis Ende des 18. Jahrhunderts war es verbreitet, bei Palmsonntagsprozessionen fast lebensgroße Christusfiguren mitzuführen, die segnend auf einem hölzernen Esel sitzen. Später verlagerte sich der Schwerpunkt des Palmsonntagsbrauchs auf die Segnung der Palmzweige.

Ostergärten als neuer Trend sind nach Beobachtungen Dörings bundesweit in den vergangenen zehn bis 15 Jahren in Mode gekommen und gehen auf erste Initiativen aus dem Bereich der evangelischen Kirche zurück.

Dabei handelt es sich um erlebnispädagogische Zeitreisen im Freien oder in Ausstellungen, bei denen das Geschehen der Karwoche und die Auferstehung mit allen Sinnen wahrgenommen werden kann.

Die Idee haben auch katholische Gemeinden aufgegriffen, zum Beispiel in Viersen am Niederrhein. "Das ist eine interessante neue Geschichte, um den Menschen die Osterbotschaft näherzubringen", meint Döring. Er sieht darin Anknüpfungspunkte zur katholischen Tradition der Fasten- und Passionskrippen, mit denen den Gläubigen früher die Ereignisse der Karwoche veranschaulicht wurden.

Zur Person

Alois Döring hat sein Herz an die Volkskunde gehängt und hört auch im Ruhestand mit dem Forschen, Sammeln und Publizieren nicht auf. Während der 65-Jährige zurzeit die neuesten Trends bei den Osterbräuchen im Blick hat, richtet sich sein Blick als Autor und Redakteur aktuell auf Geschichten und Bräuche rund um die Weihnachtskrippe.

"Zur Krippe her kommet" soll im Juli als Buch zum 90-Jahr-Jubiläum der Landesgemeinschaft der Krippenfreunde in Rheinland und Westfalen erscheinen, bei der Döring im Vereinsvorstand als Schriftführer tätig ist.

Der promovierte Volkskundler stammt aus dem unterfränkischen Miltenberg, verbrachte die Schulzeit bis zum Abitur im Internat Kloster Steinfeld in der Eifel und kehrte zum Studium der Volkskunde, Germanistik, Geschichte und Philosophie in Würzburg wieder in seine Heimat zurück.

Von 1980 bis 2012 war Döring wissenschaftlicher Referent für Volkskunde beim Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und betreute dort unter anderem das rheinische Volkskundearchiv.

Seinen Kenntnisschatz trug er etwa in der LVR-Veröffentlichung "Rheinische Bräuche durch das Jahr" zusammen und fungierte als Herausgeber von Fotobildbänden wie "Die Eifel in frühen Fotografien" und "Das Leben am Rhein".

Als Referent zum rheinischen Brauchtum und Autor volkskundlicher Aufsätze ist Döring daher auch im Ruhestand gefragt - soweit der Junggeselle ihn nicht in seiner Heimat bei der Familie verbringt. Und dann gibt es da noch das Ehrenamt als Vorsitzender des Unesco-Clubs Bonn, der Vorträge und Exkursionen zu Themen wie Stadt- und Kulturlandschaftsentwicklung, Kunst, Denkmalpflege und Alltagskultur veranstaltet.

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