Analyse Der Klimawandel und die Wirtschaft

Stockholm/Berlin · Wenn die Wirtschaft wächst, nutzt das vielen. Aber andere müssen die Kosten tragen, Klima und Umwelt leiden. Was sollten ganze Länder, was kann der Einzelne tun? Und welche Rolle spielen neue Technologien? Forschungen dazu bringen zwei Amerikanern den Wirtschaftsnobelpreis.

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum das mit der Senkung der Treibhausgase nicht so schnell klappt wie nötig?

Eigentlich müsste doch auch die Wirtschaft ein großes Interesse daran haben, den drohenden Klimawandel zu stoppen - raus aus Kohle und Öl, mehr in "grüne" Technologien investieren. Aber die Zusammenhänge zwischen der Verbrennung fossiler Rohstoffe und dem ökonomischen Handeln von Menschen, Firmen und Staaten sind komplex.

Genau damit haben sich die US-Wissenschaftler William Nordhaus und Paul Romer beschäftigt - und wurden nun mit dem Wirtschaftsnobelpreis belohnt. Sie untersuchten unter anderem, wie sich Wachstum und ein vorsichtigerer Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen unter einen Hut bringen lassen.

Dabei ließ es die Königlich-Schwedische Akademie in Stockholm nicht an Pathos und großen Worten mangeln: Die Beiträge des Forscher-Duos hätten "entscheidende Fortschritte" gebracht, um "zentrale Fragen zur Zukunft der Menschheit" angehen zu können. Bisher hätten die meisten Ökonomen den Einfluss von Märkten und wirtschaftlichem Verhalten auf die Natur und auf die Ansammlung von neuem Wissen vernachlässigt.

Was haben die zwei Forscher - nebenbei Autoren mehrerer Standardwerke - dagegen getan, und was bedeuten ihre Erkenntnisse? Ein Grundproblem im Verhältnis von Wirtschaft und Umwelt ist etwa, dass die Kosten der Verschmutzung und Bedrohung des Weltklimas den Verursachern oft nicht individuell zuzurechnen sind. Denn natürliche Ressourcen sind vielen zugänglich, einzelne "Nutzer" lassen sich nicht von deren "Konsum" ausschließen. Mitunter bedienen sich Industrie und Haushalte auch einfach an der Umwelt, ohne die Lasten für alle einzukalkulieren.

Experten sprechen von "überschwappenden" und "externen Effekten", die man zuordnen muss - in der Hoffnung, dass dann pfleglicher mit der Natur umgegangen wird. Ein Beispiel: CO2-Verschmutzungsrechte. Der Handel mit solchen "Emissionszertifikaten" soll etwa Energiekonzerne oder den Flugverkehr zu weniger klimaschädlichem Verhalten anleiten.

Dass die Uhr aus naturwissenschaftlicher Sicht weiter tickt, zeigt die auch aktuelle Brisanz der Arbeiten von Nordhaus/Romer: Laut dem Weltklimarat IPCC könnte die Menschheit die Risiken der Erderwärmung durch eine Begrenzung auf 1,5 Grad gerade noch einschränken. Das Ziel sei aber nur mit einem schnellen Wandel auf allen Feldern erreichbar, warnte der IPCC am Montag: "Rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft" seien nötig.

Wirtschaft und Verbraucher müssten mitziehen - in Energie, Industrie, Bau und Verkehr. Die Studien der Preisträger böten nun "ein wichtiges und richtiges Signal", erklärten Michael Grömling und Thilo Schaefer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Besonders auf Nordhaus treffe das zu: "Seine Forschung geht seit langem der Frage nach, wie der Klimawandel bekämpft werden kann, ohne wirtschaftliches Wachstum und den damit verbundenen Wohlstand aufs Spiel zu setzen."

Romer wiederum habe für ökonomische Entwicklungsprozesse generell gezeigt, wie wichtig neue Ideen seien. Das Jury-Votum für beide könne daher "auch als ein Appell dahingehend gewertet werden, dass sich die langfristigen globalen Herausforderungen durch Klimawandel vor allem mit technologischen Innovationen meistern lassen". Die Chance, das CO2-Problem zu lindern, ist Romer zufolge da: "Wenn wir einmal damit anfangen und versuchen, weniger Kohlendioxid freizusetzen, werden wir erstaunt sein, dass es nicht so schwierig ist wie gedacht."

Die Politik müsste jedoch entschlossen handeln. Die Modelle zur Klimaökonomik - sie enthalten auch Faktoren aus Physik und Chemie - lieferten "überzeugende Argumente für Eingriffe der Regierungen", erläuterte die Stockholmer Akademie in einem Hintergrundpapier. Und Romers Analysen über die Rolle von Ideen beim Wachstum zeigten, wie Anreize und Bedingungen für Innovationen am besten aussehen sollten.

Das konnten frühere Theorien, die vor allem Kapital, Arbeitskraft und große Maschinenparks in den Blick nahmen, so nicht. Inzwischen gibt es - ähnlich wie bei den CO2-Instrumenten im Fall von Nordhaus - auch Maßnahmen in Politik und Verwaltung, die mit auf den Ansatz Romers zurückgehen. Stichworte: Forschungsförderung oder Patentschutz.

Lassen die Anstrengungen des Staates nach, droht "Unterversorgung" an Erfindungen und grüner Technik. Die Politik bleibt also gefordert. "William Nordhaus war entscheidend daran beteiligt, (...) Klimapolitik auf die Agenda der internationalen Politik zu bringen", lobt der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht den Preis auch als Plädoyer für das Humane in der Wirtschaft: "Die Arbeit von Paul Romer unterstreicht, wie wichtig Menschen und ihre Innovationsfähigkeit innerhalb von Volkswirtschaften sind."

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