"Geständnis" aus Riad Der tote Journalist, der Kronprinz und die Sündenböcke

Riad · Der Tod von Journalist Khashoggi sei nicht geplant gewesen. Und der Thronfolger habe von nichts gewusst, beteuern die Saudis. Stattdessen präsentiert das Königshaus neue Erklärungen und Verantwortliche - und setzt den Kronprinzen fester in den Sattel.

 Der saudische Kronzprinz Mohammed bin Salman.

Der saudische Kronzprinz Mohammed bin Salman.

Foto: Rainer Jensen

Als jungen, dynamischen Reformer präsentiert das saudische Königshaus den Thronfolger: MbS. Aber Kronprinz Mohammed bin Salman gerät im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi selbst in den Fokus.

Und das hippe Namenskürzel "MbS" hat bei einigen Kritikern und im Internet eine neue Bedeutung bekommen: "Mr. Bone Saw": Der Mann mit der Knochensäge. Mit den neuen Enthüllungen zum Tod des saudischen Dissidenten versucht das Königshaus jetzt, den Druck von der Staatsspitze zu nehmen.

Denn nach allen Beteuerungen, der Journalist habe das saudische Konsulat nach seinem Besuch dort wieder verlassen, präsentierte das Königshaus am Wochenende plötzlich eine ganz neue Erklärung: Ein Team von 15 Männern habe sich Anfang Oktober auf den Weg nach Istanbul gemacht, um den prominenten Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat zu treffen.

Der im Exil lebende Kolumnist der "Washington Post" hatte dort einen Termin, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen. Doch die Männer wollten ihn in seine Heimat "zurückbringen" - was wohl ein beschönigender Ausdruck für eine Entführung sein dürfte. Dabei, so die Darstellung, sei es im Konsulat zu einer Prügelei mit den Männern gekommen, in deren Folge Khashoggi starb.

In der Nacht auf Samstag berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Spa und das saudische Staatsfernsehen, dass 18 Staatsangehörige festgenommen worden seien. Zudem seien zwei Berater des Kronprinzen Mohammed in Salman entlassen worden: Nämlich der Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri, und der für Medienangelegenheiten zuständige Saud bin Abdullah al-Kahtani. Gerade Al-Kahtani galt vielen immer als enger Vertrauter des Kronprinzen, der sich besonders in den sozialen Netzwerken äußerst aggressiv gegenüber den Kritikern des Königshaus zeigte.

Während das Königshaus versucht, den jungen Kronprinzen aus der Schusslinie zu bringen und ihn sogar an die Spitze einer Kommission stellt, um den saudischen Geheimdienst nach diesem "unglücklichen und schmerzlichen Ereignis" zu reformieren, könnte Medienberater Al-Kahtani also seinen Job - die öffentliche Verteidigung des Kronprinzen - mit seiner Abberufung weiter ausführen. Aber gerade dieser Schachzug bringt das Königshaus nur noch mehr in Bedrängnis.

Vergangenen Sommer schrieb Saud al-Kahtani auf seinem offiziellen Twitterprofil nämlich: "Glauben Sie, ich könnte einfach auf eigene Faust ohne Anweisungen handeln? Ich bin ein Angestellter und ehrlicher Vollstrecker der Befehle von meinem Herren, dem König, und seiner Hoheit dem Kronprinz". Er soll genau das gemacht haben, was er in seinem Tweet als unmöglich darstellt: Ohne Wissen von Kronprinz Mohammed zu handeln.

Der Tweet Al-Kahtanis vom August 2017 verbreitete sich am Samstag rasant, nachdem Saudi-Arabien eingestanden hatte, Khashoggi sei in seinem Istanbuler Konsulat getötet worden. Und er zeigt, welches Problem die Herrscher haben: Ihre Version des Verbrechens, die die Königsfamilie entlasten soll, erscheint vielen unglaubwürdig.

Die regierungsnahe türkische Zeitung "Yeni Safak" berichtete zudem, dass einer der 15 Verdächtigen bereits in der vergangenen Woche bei einem "mysteriösen Verkehrsunfall" ums Leben gekommen sein soll.

Die offizielle saudische Version, die in den Staatsmedien verbreitet wird, lautet: die Spitze der Königsfamilie habe von der Operation in Istanbul nichts gewusst. Angesichts des immensen internationalen Drucks muss das Herrscherhaus eine Version des Mordes vorlegen, die Kronprinz und König schützt und drohende Sanktionen vor allem der Vereinigten Staaten abwendet.

Dabei torpediert die Türkei diese Version immer wieder mit neuen Informationen, die aus Ermittlerkreisen in türkischen Medien veröffentlicht werden. Diese hatten schon kurz nach dem Verschwinden Khashoggis von einem Tötungsteam gesprochen, das gezielt für den Mord nach Istanbul geflogen sein soll. Auf einem Audiomitschnitt aus dem Konsulat ist laut Medien zu hören, wie Khashoggi gefoltert, getötet und sein Leichnam zerstückelt wird.

Mehreren Mitgliedern des saudischen "Befragungs"-Teams ist die Nähe zu Kronprinz Mohammed nachgewiesen worden. So sind mindestens vier von ihnen mit dem Prinzen auf Auslandsreisen gefahren. Und auch eine entscheidende Frage ist noch offen: Wo ist die Leiche Khashoggis?

Der stellvertretende Vorsitzende von Erdogans Regierungspartei AKP, Numan Kurtulmus, bat am Sonntag erneut um Geduld. Zunächst müssten alle Indizien ausgewertet werden, dann werde man die Ergebnisse veröffentlichen, sagte er. Die Ermittler verfügten über "starke Erkenntnisse" und die Türkei werde nicht zulassen, dass etwas verschleiert werde.

Nun kommt es vor allem darauf an, ob US-Präsident Donald Trump die neue Erklärung akzeptiert oder ob er den Druck erhöht. Und auch die Türkei könnte das saudische Königshaus weiter unter Druck setzen. Das Bild des jungen dynamischen Reformers MbS jedenfalls ist mit dem Tod Khashoggis stark angekratzt.

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